Kapitel 23

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,,Tao!" ,,Ja Vater?!", rief der Junge zurück. ,,Komm bitte runter! Wir müssen was bereden." Seufzend stand Tao vom Boden auf, wo er gerade eine Planke gemacht hatte und gleichzeitig ein Comic gelesen hatte. ,,Ist was passiert?", fragt er besorgt. Sein Vater schüttelte den Kopf. ,,Nein. Es geht um deine Flucht." Der Ältere setzte sich in den alten Sessel und deutete Tao an, ihm gegenüber Platz zu nehmen.
,,Etwas passiert im Reich, weswegen der Kaiser seine Energie nicht an deine Suche aufbraucht. Er ist zu beschäftigt mit diesem Etwas, weshalb du die Lage nutzen kannst und endgültig fliehen solltest." Unsicher schaute Tao auf. ,,Er wird mich trotzdem schnappen, sollte mich jemand entdecken.", befürchtete Tao. ,,Nur weil etwas anderes ihn beschäftigt, heißt es nicht, dass andere Menschen mich nicht an ihn ausliefern werden." ,,Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.", beruhigte ihn sein Vater. ,,An der Grenze zwischen China und Russland bei Manzhouli arbeitet ein guter Freund von mir. Er wird dich durchlassen." ,,Manzhouli liegt am anderen Ende Chinas.", meinte Tao mit gerunzelter Stirn. ,,Wie soll ich da hinkommen, ohne entdeckt zu werden?" Taos Vater zündete sich eine Zigarette an und zog genüsslich an dem giftigen Teil. ,,Du wirst dich in der Gepäckabteilung eines Zuges verstecken. Diese wird nur an der Grenze kontrolliert und dies von dem Freund. Er wird dich nicht verraten, ich hab mich schon mit ihm abgesprochen." Tao nickte nur.
Er war nicht gerade glücklich darüber, ungefähr 1000 Kilometer in der Gepäckabteilung zu verbringen, doch er tat dies für seine Freiheit. Immerhin war es besser, als den Rest seines Lebens versteckt in einem Haus zu verbringen. Außerdem war er schon in einem Angänger eines LKWs mitgefahren,  was auch nicht gerade bequem war. ,,Der Zug passiert die Grenze nach Sabaikalsk einmal in der Woche. Das heißt, in zwei Tagen geht deine lange Reise los."

Mit gedrückter Stimmung stand Tao am leeren Bahnhof, den kleinen Koffer fest in seiner Hand haltend. Sein Vater hatte eine Hand auf seine Schulter gelegt und warf ihm ab und wann einen besorgten Blick zu.
Tao hörte den Zug schon, ehe er ihn sehen konnte. Mit einer fahrigen Handbewegung strich er einige Strähnen zurück, die sich aus dem festen Zopf gelöst hatten. ,,Ich werde dich vermissen." Sein Vater umarmte den Jungen ein letztes Mal, ehe er ihn losließ. ,,Komm gut an.", meinte er. ,,Sobald sich die nächste Gelegenheit ergibt, komm ich dich besuchen."
Tao nickte und unterdrückte seine Tränen. ,,Tut mir leid, Vater. Wäre ich nicht nach China gereist, wäre das alles nicht passiert." ,,Lass gut sein." Der Ältere klopfte seinem Sohn auf die Schulter. ,,Wir werden uns irgendwann wiedersehen, dass verspreche ich." Inzwischen erreichte der Zug den winzigen Bahnhof. Taos Vater warf dem Jungen einen aufmunteren Blick zu, zog ihm die Kapuze der langen Jacke über und verließ dann mit schnellen Schritten den Bahnsteig. Tao atmete tief durch, ehe er die Tür öffnete und einstieg.
Er war der einzige Passagier in dem Zug. Und blieb auch der einzige, bis er die Grenze nach China durchquerte. Kontrolliert wurde seltsamerweise nicht, aber es war Korea und den Menschen war es gleich, wer frei rumlief. Hier könnte ein gesuchter Serienmörder rumlaufen und entdeckt werden, trotzdem würde dieser hier nicht geschnappt werden, weil man dem Kaiser keinen Gefallen tun wollte.

Tao hörte Rufe und Lärm von draußen, was ihm andeutete, dass er sich bald wieder in China befinden müsste. Ein beklemmendes Gefühl stieg in ihm auf, sich abermals in diesen Land zu befinden. Er dachte zurück an die Zeit, als er das erste mal in diesen Land war, alleine und nicht auf der Flucht.
Er hatte Jongin getroffen und durch ihn weitere Freunde. Er vermisste sie.
Sie wussten nicht, dass er wieder in China war, sondern dachten bestimmt, er wäre längst in Sicherheit. Tao würde sie gern wiedersehen, doch er wollte das Leben seiner Freunde nicht riskieren. Er hatte den Zettel, den Junmyeon ihm beim Abschied in die Hand gedrückt hatte, mitgenommen. Vorsichtig berührte er es in seiner Jackentasche und lächelte leicht. Wenn er hier raus war, konnte er sie wieder kontaktieren. Vielleicht würden sie ihn auch besuchen kommen.

,,Letzte Station Chunggang, letzte Station Chunggang!", rief der Bahnführer durch ein Mikro. Tao seufzte. Hier hieß es, Abschied für immer von Korea zu nehmen und eine lange Reise durch China in einer Gepäckabteilung zu starten.

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Oben ein Bild von Taos Reise (geschätzte Route)
Südkorea und Nordkorea bilden in dieser Geschichte ein einzelnes Land, nur Korea genannt. Tao lebt in der Nähe von Myohyang-san, ein Gebirge in der Provinz Nord Pyong-an.

Kleine Info-Runde an euch:
Die Grenze zwischen China und Russland, Sabaikalsk und Manzhouli, gibt es wirklich und Züge fahren da wirklich nur einmal die Woche. Allerdings sind es selten Reisene, sondern mehr Händler und Güterzüge.

Wanted //Taoris//Where stories live. Discover now