Kapitel 15

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,,Guten Morgen, Guma!", grüßte Lisa gut gelaunt die alte Köchin des Palastes. ,,Guten Morgen, meine Kleine.", grüßte diese das Mädchen zurück, ohne dabei mit ihrer Tätigkeit, in einem riesigen Topf umherzurühren, aufzuhören. ,,Hast du gut geschlafen?" Lisa schwang sich nickend auf einen Hocker neben dem Herd und schnüffelte neugierig am Topf. ,,Was kochst du da Gutes, Guma? Es riecht so toll.", fragte sie schwärmerisch und pickte sich ein Möhrenstück aus dem Topf. Spielerisch schlug die Köchin Lisa auf die Finger, die darauf anfing zu lachen. ,,Hey, das ist der Hochzeitseintopf für morgen.", schimpfte sie. Lisas Lächeln verschwand sofort bei der Erwähnung der Hochzeit. Die Köchin, die für Lisa wie eine Mutter geworden war, merkte davon nichts. Sie holte einen sauberen Teller aus einem Regal und lud etwas von dem herrlich duftenden Eintopf drauf. ,,Hier, du darfst zuerst probieren.", meinte sie gütig und lächelte Lisa zu. ,,Hey, was ist den los, Kleine?", fragte sie besorgt. Lisa schüttelte den Kopf. ,,Alles gut, Guma. Ich habe keinen wirklichen Appetit.", murmelte Lisa und stand auf. ,,Ich bringe dem Jungen das Frühstück." Die Köchin überreichte Lisa ein Tablett, vollbeladen mit leckerem Essen. ,,Das ist schwer.", warnte sie Lisa. Lisa nickte nur, nahm das Tablett und verschwand aus der Küche. Die Köchin sah Lisa liebevoll hinterher. ,,Meine Kleine.", flüsterte sie und wandte sich wieder ihrem Eintopf zu.

Mit dem Tablett in der Hand schritt Lisa durch die Flure hinauf zu Taos Zimmer. Unterwegs traf sie viele weitere Dienstmädchen und -jungen, die das Palast auf die morgige Hochzeit vorbereiteten. Blumen und festliche Vorhänge schmückten die Wande und Fenster. Die Lichter und Lampen wurden gründlich geputzt und aufpoliert, bis sie spiegelten und selbst die Teppiche wurden neu ausgelegt. Lisa wurde mehrmals aufgehalten und darum gebeten, der baldigen Kaiserin herzliche Grüße und Glückwünsche auszurichten. Lisa nickte jedesmal, obwohl sie wusste, dass sie keinen einzigen Gruß an Tao weitergeben würde. Schließlich war nicht sie es, die Tao heiratete.

Endlich erreichte Lisa den Flur, auf welchem sich Taos Zimmer befand. Hier war es ruhig. Kein Mensch war zu sehen. Noch war dieser Flur nicht festlich dekoriert und geschmückt, aber Lisa wusste, bald würde dieser auch rausgeputzt sein, und das wollte Lisa nicht. Vor Taos Zimmer blieb sie stehen. Vorsichtig stellte sie das schwere Tablett auf eine Kommode vor dem Zimmer und klopfte sachte an der Tür. Keine Antwort. Lisa klopfte stärker. Wieder kam nur Stille. Also holte Lisa den Schlüssel heraus und öffnete die Tür. Sie holte noch das Tablett zu sich und betrat den leeren Raum. ,,Tao?" Als darauf keine Antwort kam, stellte Lisa das Tablett auf das Glastisch in der Ecke und setzte sich einen Sessel. Tao war wahrscheinlich im Badezimmer, also beschloss sie etwas zu warten. Lisa wartete fünf Minuten, zehn Minuten. ,,Tao?", rief sie wieder und stand auf. Sie schritt auf das Badezimmer zu. Bevor sie allerdings die Tür erreichte, fiel ihr Blick auf die geöffnete Balkontür. Neugierig lugte sie hinaus, in der Hoffnung, Tao würde sich dort befinden. Doch anstatt Tao zu entdecken, bemerkte sie etwas anderes. Am Geländer des Balkons war ein dicker Knoten zu sehen. In Lisa stieg ein beklemmendes Gefühl auf. Sie betrat den Balkon. ,,Oh nein.", flüsterte sie schockiert. Das lange Seil, bestehend aus zusammengeknotenen Decken, hing vom Geländer und schaukelte friedlich in dem leichten Wind hin und her. ,,Bitte nicht." Verzweifelt drehte sich Lisa um und rannte zurück ins Zimmer, in der Hoffnung, Tao würde sich doch im Bad befinden und das am Geländer hätte sie sich eingebildet. Doch als sie die Türklinke zum Badezimmer runter drückte und die Tür sich öffnete, zersprangen alle ihre Wünsche und Hoffnungen. Tao war nicht da. Er war geflohen.

Lisa war einfach kaputt. Tao war im ganzen Palast nicht aufzufinden. Er war wirklich geflohen und hatte sie alleine gelassen. ,,Warum?" Verzweifelt ließ sich Lisa auf ihr Bett fallen. Sie hatte eine Ahnung warum er geflohen war, aber war Wu Yifan wirklich so schlimm, hasste ihn Tao so sehr, dass er sie in Stich lassen musste? Warum hasste Tao überhaupt den Kaiser so sehr? Bestimmt nicht wegen der Hochzeit, die der Kaiser ihm aufgezwungen hatte. Tao hatte Gründe, die er Lisa verheimlicht hatte, aber warum? Wer war er überhaupt? Lisa hatte so viele Fragen, aber keine einzige Antwort. Hin und wieder strich sie eine Träne aus ihrem Gesicht, während sie versuchte, auf die Antworten zu kommen. Das Denken beanspruchte sie mehr, als sie erwartete, dazu kam die Sorge, wo Tao sich befand und was mit ihm gerade passiert. So merkte Lisa nicht, dass sie irgendwann einschlief.

Ein lautes Klopfen schreckte Lisa aus dem Schlaf auf. Verschlafen rieb sich sich die Sabber vom Kinn und schaute auf die Uhr. Es war schon Nachmittag. Hatte sie so lange geschlafen? Wieder klopfte es, aber diesmal mit Nachdruck. ,,Ich komme.", murmelte Lisa und tastete nach ihren Augen. Diese fühlten sich geschwollen an und waren bestimmt vom ganzen Weinen rot geworden. Das Mädchen öffnete die Tür und erstarrte. Zwei Wachen des Kaisers standen vor der Tür. ,,Lisa Manoban, der Kaiser möchte Sie sehen." Lisas Herz fing wie wild an zu pochen. Der Kaiser? ,,Ich komme gleich.", sagte Lisa und wollte wieder in ihr Zimmer zurückgehen, um sich für den Kaiser etwas herzurichten, als einer der Wachen sie aufhielt. ,,Der Kaiser möchte Sie jetzt sehen." Lisa ließ einen leises Seufzen aus und nickte. ,,Ich komme."

Die Wachen führten Lisa durch das Palast in den Tronsaal, wo sich Wu Yifan befand. Der Kaiser befand alleine im Raum. Er saß auf seinem Tron und hielt seinen Kopf gesenkt, die offenen Haare hingen im Gesicht. Mit einer Handbewegung entließ der Kaiser die Wachen, die Lisa hergebracht hatten. Als die Tür des Saales sich geschlossen hatten, und die zwei sich alleine im Raum befanden, schaute Wu Yifan auf. Sofort verbeugte sich Lisa respektvoll. ,,Schau mich an.", befahl der Kaiser. Lisa schaute auf und hätte beinahe entsetzt aufgekeucht. Der Kaiser sah wütend aus. Seine Augenbrauen waren stark zusammengezogen. Die Wangen hatten einen rötlichen Schimmer und Wu Yifans Haare hingen wirr und glanzlos von seinem Kopf herunter. Lisa schluckte, den der Kaiser starrte sie mit einem brennenden Blick an. ,,I-ihr wolltet mich sehen, eure Majestät?", fragte Lisa mit einem ängstlichen Zittern in ihrer Stimme. Der Kaiser ballte seine linke Hand zu einer Faust,,Wo ist Lee Zitao?"

Wanted //Taoris//Where stories live. Discover now