Kapitel 12

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,,Taozi? Du bist es wirklich?" Sehun drückte Tao plötzlich an sich. ,,Ich habe dich vermisst, Taozi. Wie ist es dir ergangen? Es tut mir sehr leid, dich dort alleine zurücklassen müssen." ,,Es ist Ordnung, du konntest nichts dafür.", entgegnete Tao und löste sich aus Sehuns Armen. ,,Wieso bist du in China? Du hast das Land immer gehasst.", fragte Sehun. ,,Eine lange Geschichte.", seufzte Tao. ,,Ich kann dir nur sagen, dass ich hier schnellstmöglich weg muss. Hilfst du mir?"

,,Du willst fliehen? Vor dem Kaiser?", schrie Sehun flüsternd. ,,Taozi, weißt du was dich erwartet, wenn du erwischst wirst?" Tao nickte. ,,Ich weiß.", antwortete er. ,,Ich habe aber keine andere Wahl, Sehunnie. Hilfst du mir?" Sehun ließ sich nochmal alles durch den Kopf gehen. ,,Was muss ich tun?" Tao schaute ihn geradewegs in die Augen. ,,Der Kaiser hat mein Schwert beschlagnahmt. Finde es für mich." Sehuns Augen weiteten sich. ,,Du willst, dass ich den Palast durchsuche und an die privaten Sachen des Kaisers gehe?" ,,Bitte Sehunnie. Ich möchte hier nicht bleiben. Ich werde es nicht aushalten." Taos Augen füllten sich mit Tränen. Das erinnerte Sehun an damals, als Tao sich zitternd vor Angst sich hinter ihm vor den Soldaten versteckt hatte, voller Hoffnung, dass Sehun ihn beschützen könnte. ,,Bitte Sehunnie." Ergeben nickte Sehun. ,,Wann und wo soll ich es dir bringen?" ,,In drei Tagen, um Mitternacht an den Bach in der entgegengesetzte Richtung der Stadt.", antwortete Tao. ,,Okay, wir sehen uns." ,,Danke Sehunnie." Tao lächelte seinem Kindheitsfreund aufrichtig zu. Sehun lächelte zurück. ,,Kein Ding, Taozi."

Zögerlich stand Sehun vor der Tür des privaten Zimmer des Kaisers. Der 18-jährige Junge hatte den kompletten Palast nach Taos Schwert durchkämmt und nichts gefunden. Alleine das Schlafzimmer des Kaiser hatte er aus Respekt ausgelassen, nun sollte er doch hinein. Sehun streifte sich Handschuhe über. Seine Sicherheit ging schließlich vor. Vorsichtig drückte Sehun die Klinke runter. Zu seiner Überraschung war die Tür offen. Sehun betrat das Zimmer. Auf den ersten Blick konnte er keinen Schwert sehen. Also machte er sich auf eine gründlichere, aber dennoch vorsichtige Durchsuchung des Zimmers. Wo kann es bloß sein?, fragte sich der Junge. ,,Sehun? Wo bist du?" Sehun erstarrte. Er hatte Luhan komplett vergessen. Schritte näherten sich. ,,Sehun?" Kurz wurde es ruhig, und in dem Moment entdeckte Sehun Taos Schwert. Sehun fing vor Erleicherung und Nervosität an zu zittern. Glücklicherweise ging Luhan wieder und Sehun konnte weitermachen.
Langsam trat er auf das Schwert zu. Es hing leicht verborgen hinter den Vorhängen, die an der Wand als Dekoration hingen. Der Griff lugte etwas hinaus. Sehun schob die Vorhänge zur Seite und nahm das Schwert in die Hand. Es war schwerer als es aussah. ,,Wunderschön.", flüsterte Sehun bewundernd und fuhr mit den Finger über die verhüllte Klinge.
,,Ich bringe dich mal in Sicherheit." Sehun versteckte das Schwert unter seiner Jacke und schlich hinaus. Er hoffte, auf den Weg zu seinem Haus von niemanden aufgehalten zu werden. Sehun hatte Glück. Sicher versteckte er Taos Schwert bei sich zu Hause und kehrte in den Palast zurück. ,,Hey Sehun!" Erschrocken drehte sich Sehun um. Lisa kam ihm entgegen, mit einem Korb in der Hand. ,,Prinz Luhan sucht dich." Sehun atmete erleichtert auf. ,,Wir spielen Fangen.", klärte er Lisa auf. ,,Wo hast du ihn gesehen?" Lisa deutete hinter sich. ,,Dort drüben war er zuletzt.", antwortete sie. ,,Vielen Dank!", rief Sehun und lief los. Lisa lächelte nur und ging weiter.

Tao saß auf der Bettkante und starrte in die Leere. Seine Gedanken waren bei der Flucht. War das die richtige Entscheidung? Sollte er seinen Hals dafür riskieren? Jemand schloss die Tür auf und Lisa schlüpfte rein. ,,Na?", grüßte sie. Taos Laune verbesserte sich sofort. Er stand auf und zog Lisa in seine Arme. ,,Wie war dein Tag?", fragte Lisa. ,,Wundervoll.", antwortete Tao. ,,Nochmals vielen Dank."
,,Gerne.", erwiderte Lisa. Tao küsste sie vorsichtig. ,,Kuscheln?", fragte er dann und grinste schüchtern.
,,Kuscheln.", nickte Lisa.

Am nächsten Morgen wachte Tao alleine auf. Auf den Nachtschränkchen entdeckte er ein Zettel mit Lisas Handschrift.
"Guten Morgen. Ich hoffe, du hast gut geschlafen. Ich musste heute früh aufstehen, um der Köchin zu helfen. Außerdem werden heute Vormittag die kaiserlichen Designer kommen, um dir den Anzug anzupassen.
In Liebe, Lisa"
Tao lächelte schwach bei der Nachricht. Er wusste, welchen Anzug Lisa meinte. Nämlich den für die bevorstehende Hochzeit. Seufzend stand Tao auf und machte sich fertig.
Ein wenig später klopfte es an der Tür und Lisa trat rein. Erfreut wollte Tao sie begrüßen, als Lisa sich verbeugte.
,,Guten Morgen, Eure Hoheit. Ich hoffe, Ihr habt gut geschlafen. Die kaiserlichen Designer sind hier, um Euch den Anzug für die Hochzeit anzupassen." Erst jetzt bemerkte Tao die drei Männer hinter Lisa, die bunte Stoffe und Körbe mit verschiedensten Gegenständen in der Hand trugen. Auch sie grüßten und verbeugten sich höflich und begannen mit ihrer Arbeit.
Wehren konnte sich Tao schlecht, deshalb stand er still da und ließ die Designer mit ihren Maßbändern rumfummeln. Nach ungefähr drei Stunden waren diese fertig. ,,Eure Hoheit, wir werden den Anzug heute noch fertig stellen und morgen senden wir es Ihnen zu.", meinte einer mit einer Verbeugung.
Tao nickte verstehend und verbeugte sich ebenfalls. ,,Vielen Dank für eure Mühe.", bedankte er sich und lächelte. Lisa begleitete die Designer hinaus. Die Tür war noch nicht ganz verschlossen, da hörte Tao schon einen der Männer reden. ,,Wenn der Junge unsere Kaiserin wird, nähe ich vor Freude die kaiserlichen Vorhänge im Trohnsaal neu." Tao seufzte.
Diese Freude wird niemals eintreffen, dachte er.

Der Tag neigte sich langsam zum Ende. Lisa war nur zwei mal bei Tao. Einmal brachte sie das Mittagessen und einmal das Abendessen. Lisa hatte viel zu tun, denn der Kaiser sollte in zwei Tagen wiederkommen und die Ankuft sollte sehr sorgfältig vorbereitet werden.
Tao stand auf den Balkon und schaute hinaus. Die Sonne war schon längst untergegangen und die ersten Sterne bildeten sich auf den Himmel.
Die Stadt vor Tao leuchtete in bunten Farben. Menschen, so klein wie Ameisen, liefen hin und her. Tao wusste, nach wenigen Stunden würden die Menschen wieder in ihre Wohnungen zurückkehren, die Lichter nach und nach ausgehen und die Stadt würde langsam einschlafen. Ab diesen Zeitpunkt könnte man fliehen. Tao überfiel Vorfreude. Bald würde er frei sein. Ein Lächeln unterdrückend ging er zurück ins Zimmer und öffnete den Schrank. Es war an der Zeit, mit dem Fluchtversuch zu starten.

Wanted //Taoris//Where stories live. Discover now