Kapitel 2

414 29 6
                                    

,,Ich kann es immer noch nicht glauben.", murmelte Kai. ,,Wie kann ein Junge, der jünger als ich ist, den stärksten und besten Kämpfer unserer Stadt, der zweitgrößten Stadt Chinas, mit Leichtigkeit besiegen?" ,,Mit ein bisschen Übung schafft es jeder.", antwortete Tao. ,,Aber so schnell. Man hat doch schon am Anfang gesehen, dass du als Gewinner ausgehst, und trotzdem hast du ihn geärgert." ,,Ach Kai, lass mir doch meinen Spaß.", schmollte Tao. Von dem professionellen Kämpfer war nun nichts mehr zu sehen. Kai konnte dem Blick nicht widerstehen. ,,Nagut, wenn du unbedingt willst. Aber jetzt stelle ich dich meinen Freunden vor."

,,Na Kai Schätzelein, wen hast du uns da mitgebracht?", fragte eine Frau mittleren Alters und streichelte Kai zärtlich über den Kopf. ,,Mama, hör auf mich so zu nennen.", jammerte Kai, gab sich aber trotzdem der entspannten Bewegungen hin. ,,Lee Zitao mein Name, aber die meisten nennen mich einfach Tao.", stellte sich Tao höflich vor und verbeugte sich. Die Frau hörte auf, Jongins Kopf zu streicheln, worauf dieser beleidigt anfing zu schmollen. ,,Ich bin Kim Xiau-Hui, die Mutter von Jongin." ,,Ich heiße Kai, Mama.", verbesserte Kai seine Mutter sofort. Die Frau lachte. ,,Na dann. Unternehmt noch was draußen. Ich bereite in der Zwischenzeit das Abendessen vor." Die Jungs nickten zustimmend und verschwanden wieder nach draußen. Xiau-Hui blieb noch am Fenster stehen und sah ihnen hinterher. ,,Dieser Tao hat irgendwas besonderes an sich.", dachte sie. ,,Vielleicht liegt es nur an seinen Haaren. Ich sollte mir nichts ausdenken." Mit diesen Gedanken ging sie in die Küche. Taos Haare waren wirklich auffällig. Anstatt wie die meisten Jungs in seinen Alter, und er war erst 17, hatte er seine Haare nicht mittellang, sondern diese fielen in schweren, dicken Strähnen bis unter den Po und erreichten fast seine Kniekehlen. Auch waren sie nicht wie üblich schwarz, sondern braun mit blonden Strähnen. In der Abendsonne schimmerten sie etwas golden. Viele Mädchen in der Nachbarschaft sahen ihm neidisch hinterher. Haare standen wie in Korea, auch in China und im gesamten Kaiserreich für Schönheit, Kraft und Anmut. Je schöner, länger und dicker die Haare, desto schöner, mächtiger und stärker war angeblich der Besitzer der Haare. So hieß es in den alten Legenden, die die Kinder in Geschichtsunterricht lernten. Obwohl China sehr zivilisiert und modern war, hielten sich die Bewohner des gesamten Kaiserreiches gerne an die alten schönen Traditionen. Das waren außer den Haaren auch die Kämpfe. So ziemlich jedes Kind beherrschte mindestens eine Kampfart. Sei es mit Waffen oder Kampfsport, kämpfen konnte jeder. Das sehr viele Waffen bei sich trugen, war in Ordnung, solange es keine Schießwaffen waren oder man sich gegenseitig tötete. Natürlich gab es ein paar Aufsässige, aber diese wurden sofort fündig gemacht und bestraft.
Eine Windbrise zog durch die Straße und erfrischte den warmen, sommerlichen Abend. Tao strich sich ein paar Haare aus seinem Blickfeld, die der Wind ihm ins Gesicht trieb, und folgte Kai weiter. Dieser führte seinen neuen Freund auf eine Art Feld.
Ein grüner Rasen bezog den Boden, auf denen mehrer Bäume, Büsche und Bänke standen. Mehrere Jugendliche tummelten sich auf den Feld. Die einen lagen auf einer Picknicksdecke, die anderen übten Schwertkampf und einige saßen einfach so herum.
Kai zog Tao in eine Richtung, wo sich ein paar Jungs befanden. Faul saßen sie auf den Boden. Ein Junge lag ausgestreckt auf einer Bank, seine langen Beine passten nicht ganz drauf, weswegen sie zur Hälfte in der Luft hingen. Auf seinen Bauch saß ein etwas kleinerer Junge, der sich Blumen in seine zu zwei Zöpfen frisierte Haare floch. Auf den Boden saß ein weiterer Junge. Er pflückte Blumen und reichte diese an seinen Nachbarn weiter, der einen Blumenkranz bastelte. Zwei weitere Jungs saßen Rücken an Rücken. Der eine hatte die langen Haare des anderen über seine Schultern gelegt und strich liebevoll über diese. ,,Kai!" Ein Junge mit großen Augen sprang auf und lief auf die beiden zu. Er umarmte Kai. Tao bekam mit, wie die beiden ein Küsschen austauschten. Dann bemerkte Kais Freund, das dieser nicht alleine war. ,,Hey, dich kenne ich nicht.", stellte er fest und löste sich von Kai. Tao verbeugte sich kurz. ,,Lee Zitao, nennt mich lieber Tao. Ist kürzer." ,,Ich bin Do Kyungsoo." Auch er verbeugte sich. Tao fiel auf, das Kyungsoo einige rote Strähnen als Schmuck in die offenen Haare eingeflochten hatte. Es sah gut aus.
Die anderen Jungs bemerkten ebenfalls Taos Anwesenheit. Nach einander standen alle auf und stellten sich vor. Der Junge mit den langen Beinen war Park Chanyeol, obendrauf war Byun Baekhyun. Die beiden waren zusammen. Der Blumenkranzflechter hieß Zhang Yixing, wurde aber Lay genannt, der Pflücker entpuppte sich als Kim Joonmyeon heraus, den viele Suho nannten. Auch sie waren ein Pärchen. Die zwei Jungs, die miteinander gekuschelt haben, waren ebenfalls zusammen. Kim Jongdae, oder einfach nur Chen, war derjenige, der die Haare seines Freundes über seine eigene Schulter gelegt und gestreichelt hat. Sein Freund hieß Kim Minseok, bevorzugte allerdings den Namen Xiumin.
Nachdem sich alle vorgestellt hatten, setzten sie sich hin und unterhielten sich über belanglose Themen. Chanyeol sah Tao genau an. ,,Bist du nicht derjenige, der den Unbesiegbaren besiegt hatte?", fragte er. Tao schaute ihn überrascht an. ,,Woher weißt du das?" ,,Sowas geht schnell durch die Medien.", antwortete Chanyeol. ,,Ich kann dir einen Artikel vorlesen.", schlug Lay vor. Er setzte den mittlerweile fertigen Blumenkranz auf Suhos Kopf, mit den Worten: ,,Jetzt bist du eine Prinzessin.", worauf dieser rot wurde. Lay zückte sein Handy hervor und scrollte durch seine Galerie. Er hatte den Artikel gescreenshottet. ,,Hör zu.
"Unbekannter Junge mit heiligen Haaren und magischen Schwert schlägt den Unbesiegbaren im fairen Kampf." ,,Das reicht.", unterbrach ihn Tao. ,,Erstens, meine Haare sind nicht heilig, sondern ein Werk der Natur. Zweitens, mein Schwert ist weder magisch, noch von irgendwelchen Göttern erschaffen. Ich hab es selbst hergestellt und den Umgang mit ihm habe ich mir auch selbst beigebracht."
,,Ich weiß.", sagte Lay, ,,das steht hier auch drin." Er deutete auf sein Handy. ,,Ach Schatz." Suho legte Lays Handy zur Seite und legte seinen Kopf auf dessen Beine ab. Sofort begann Lay durch Suhos gewellte Haare zu streichen. ,,Machst du auch bei den diesjährigen Wettbewerben in der Hauptstadt mit?", fragte Chanyel neugierig. Tao schüttelt den Kopf. ,,Ich wollte sie mir nur anschauen.", erzählte er, ,,Vielleicht lerne ich auch was neues." ,,Wir wollten sie auch besuchen gehen.", meinte Jongdae. ,,Wir könnten uns zusammenschließen.", schlug Baekhyun vor. Tao nickte. ,,Gerne."
Die neun Jungs unterhielten sich noch lange. Es war fast dunkel, als sie sich auf den Heimweg machten. ,,Wo übernachtest du eigentlich?", fragte Kai Tao. ,,Ich hab mich in einem Hotel eingebucht.", antwortete er. ,,Du kannst auch zu uns kommen. Wir haben viel Platz, und meine Eltern kümmern sich gern um andere." ,,Wirklich?", fragte Tao erstaunt. Kai nickte kräftig. ,,Das ist zu viel.", murmelte Tao. ,,Ach was. Hier hilft jeder jedem, außerdem bist ein guter Freund, obwohl wir uns erst seit heute kennen.", meinte Kai. ,,Danke.", war das einzige, was Tao sagen konnte. Tao war nicht reich. Es war eine Frage der Zeit, wann sein Ersparnis ausging und er auf der Straße landete. Obwohl Tao ein guter Kämpfer war, so ganz geheuer erschien ihn die Vorstellung nicht, im Schlaf ausgeraubt oder noch schlimmer, getötet zu werden. ,,Kein Ding, und jetzt lass uns deine Sachen holen gehen." Tao wurde nicht nur von Kai begleitet, auch die anderen entschieden sich mitzugehen.

Die Dame an den Tresen des Hotels war gar nicht glücklich darüber, das Tao doch nicht bleiben würde. Schließlich war er ein Kunde, der Geld brachte und ein Star in der Stadt. Doch Tao ließ sich nicht aufhalten. Er packte seine Sachen und verabschiedete sich von der Empfangsdame. ,,Willst du wirklich nicht wenigstens eine Nacht bleiben? Du musst auch nichts zahlen.", versuchte sie ihn zu überreden. Tao warf ihr nur einen kurzen Blick zu. Dabei fiel sein Blick auf ein riesiges Bild, ein Poträt von Wu Yifan.
Ein kalter Schauer rannte Tao über den Rücken, er drehte sich um und flüchtete aus dem Hotel.

Wanted //Taoris//Where stories live. Discover now