Kapitel 27

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Nachdem die Armee nicht mehr am Horizont zu sehen war, wusste ich nicht was ich jetzt tun sollte. Hinlegen klang mir zu langweilig. Aber ich sollte die Stadt am besten auch nicht verlassen. Nach kurzem überlegen entschloss ich mich dazu, in die Bibliothek zu gehen und etwas zu lesen. Das hatte ich schon viel zu lange nicht mehr gemacht. Als ich die Bibliothek kam, war es angenehm ruhig und es waren nur ein paar Leute hier. Ich stöberte in aller Ruhe durch die Regale, als ich auf ein Buch stieß. Die Geschichte des gefallenen Königreichs. Ich zog das Buch vorsichtig aus dem Regal. Es war in Leder eingebunden und die Seiten waren schon an den Ecken vergilbt. Ich setzte mich auf einen Sessel und schlug das Buch auf. Die ersten Seiten waren nicht beschrieben, in den nächsten folgte ein Inhaltsverzeichnis. Ich blätterte weiter. Aufstieg und Fall. Das hörte sich interessant an.

Noch bevor Sauron sich erhob und Mittelerde in Angst und Schrecken versetzte, gab es ein Land ohne Herrscher. Die Zwerge, Elben und Menschen welche dort lebten, brauchten keinen. Sie lebten in Frieden und Harmonie. Es gab zeitweilen Streit, der aber nie lange anhielt. Mit der Zeit bemerkten die Bewohner des Landes einen Schatten, der sich ausbreitete. Konnte man ihn nicht sehen, so konnte man ihn aber fühlen. Immer mehr Unstimmigkeiten traten auf, der Streit wurde zu einem täglichen Ereignis. Diese Zeit nutzte ein Elb aus und erhob sich über alle, doch zu dieser Zeit, wusste niemand, was folgen würde.

Der Elb herrschte ohne Gnade und schlug jeden Aufstand wie von Zauberhand nieder. Die, welche Wiederstand leisteten und ihre Freiheit zurück wollten, wurden getötet. Bis eines Tages, das Königreich zerfiel. Nicht über Jahre oder Wochen. Nein, von einem auf den anderen Tag erinnerte sich niemand lebendes dort mehr an den Herrscher und seine Zeit. Niemand konnte sagen wie er aussah oder sprach. Sie redeten nur über einen Schatten und ein Schrecken in ihren Köpfen. Das Land fiel unter die Herrschaft Anors und nie hat jemand wieder über das dunkle Königreich geredet. 

Meine Erinnerungen an das Land und dessen Herrscher sind auch schon sehr geschwunden und in weniger als einem halben Jahr, werde ich mich nicht mehr an meine eigens geschriebenen Worte erinnern können. Es ist, als würde jemand nicht mehr wollen, das jemand etwas von ihm weiß.

Diese Geschichte erinnerte mich irgendwie ein wenig an Adriel. Er wurde aus allen Erinnerungen der Leute gelöscht, damit nie jemand wieder auf die Idee kommen könnte, seine Kräfte für sich selber einzusetzen. Das waren seine Worte gewesen. War er Herrscher über das dunkle Königreich gewesen? Deswegen könnte es auch sein, das sich niemand mehr an ihn Erinnerte. Die Valar hatte alle Erinnerungen an ihn ausgelöscht. Während ich weiter durch das Buch blätterte, fiel mir auf, dass einige Seiten herausgerissen waren. Die übrig gebliebene Seite war komplett vergilbt und die Worte, welche dort noch geschrieben standen, konnte ich nicht lesen. 'Es ist, als würde jemand nicht mehr wollen, das jemand etwas von ihm weiß', schoss es mir durch den Kopf.

Ich blätterte noch etwas weiter durch die Seiten, aber mehr Hinweise, ob wirklich Adriel der Herrscher des dunklen Königreichs gewesen war, fand ich leider nicht. Die Armee würde, wenn alles nach Plan lief, frühestens erst in sieben Tagen wieder hier sein. Und da ich Legolas vor der Schlacht nicht ablenken wollte, konnte ich ihn auch nicht in seinem Traum besuchen. Aber Frodo und Sam unseren Plan mitteilen? Das würde gehen. Ich ließ das Buch unabsichtlich liegen und ging in mein und Legolas' Gemach, um ungestört zu sein. Das Zimmer war ziemlich gemütlich mit einem großen Doppelbett und einer Truhe für die Kleidung. Durch zwei große Fenster fiel Licht in den Raum und eine Tür führte hinaus auf einen kleinen Balkon. Ich legte mich ins Bett und konzentrierte mich auf Frodo und Sam, als mir ein Gedanke kam.

Was, wenn ich sie ohnmächtig machte und sie gerade vor jemandem flüchteten? Dann hätte ich ihnen nicht wirklich geholfen. Und wenn unser Plan aufging, würde sie es so oder so merken. Also setzte ich mich wieder auf und überlegte, was ich nun machen sollte, denn wenn ich nichts machte, würde ich in Sorge um Legolas fast umkommen. Aber mein Herz würde mir schon sagen, wenn es ihm schlecht ging. Die nächsten Tage verbrachte ich fast ausschließlich in der Bibliothek. Das Buch über das dunkle Königreich war verwunderlicher Weise verschwunden, als ich es wieder lesen wollte und auch die Bibliothekarin wusste nichts von dem Buch, noch konnte sie es finden. Und das fand ich wirklich merkwürdig. Das gute daran war, es lenkte mich von meinen anderen Gedanken ab. Am vierten Tag nach der Abreise der Armee, ich saß gerade draußen auf dem kleinen Balkon, da erblickte ich etwas in der Ferne.

Etwas rotes schien dort aufzusteigen und ich kniff meine Augen zusammen, um möglicherweise etwas zu erkennen. Ganz langsam lichteten sich die eng zusammengeschobenen Wolken der letzten Tage und Sonnenstrahlen fielen auf mein Gesicht. Ich spürte eine Veränderung, konnte aber nicht sagen welche. Hatten die anderen es geschafft? War der Ring zerstört? Diese Fragen schossen mir als erstes durch den Kopf. Und ging es Legolas gut? Ich horchte in mich hinein, fragte mein Herz. Ja, Legolas war am Leben. Die nächsten zwei Tagen konnte ich kaum Still sitzen und verbrachte etwas Zeit mit Leo. Ich hatte ihr nichts von dem Buch und der Geschichte erzählt, irgendetwas hielt mich davon ab. Außerdem konnte ich mich jetzt schon nicht mehr an einen kleinen Teil der Geschichte erinnern.

Am dritten Tag hörte ich Nachmittags Leute in der Stadt rufen, als ich am weißen Baum saß und meinen Gedanken nachhing. Verwundert lief ich an die Mauer, um zu sehen weswegen sie dies taten. Und mein Atem stockte für einen Moment. Die Krieger ritten auf die Stadt zu! So schnell wie ich nur konnte, rannte ich durch Minas Tirith, hinunter zum Tor. "Öffnet das Tor! Sie sind wieder da!", hörte ich schon von weitem. Als ich am Tor ankam, ritten alle Krieger hindurch, welche die Schlacht überlebt hatten. Mit mörderischem Herzklopfen suchte ich die Menge nach meinen Freunden ab. Meine Angst wurde größer, bis ich einen blonden Haarschopf in der Menge entdeckte. Ein riesiger Stein fiel von meinem Herzen und ich drängte mich durch die Leute. Sofort als ich bei ihm war, zog ich ihn in eine Umarmung. 

"Ich hatte solche Angst um dich", flüstere ich, vor Freude liefen mir Tränen über die Wangen. "Jetzt brauchst du keine Angst mehr zu haben. Wir haben es geschafft. Es ist vorbei", murmelte Legolas in meine Haare und drückte mich näher an sich. Plötzlich flog etwas über uns hinweg. Ich löste mich von Legolas, obwohl ich ihn am liebsten nie wieder los gelassen hätte und sah nach oben. Die Adler! Und sie hatten Frodo und Sam in den Krallen! Zusammen mit Legolas eilte ich in die Häuser der Heilung, wo wir auch auf Aragorn, Merry, Pippin, Gimli und Gandalf trafen. Ich war so verdammt froh, sie alle am Leben zu sehen. Aragorn ging zusammen mit Gandalf zu Frodo und Sam, wir anderen warteten draußen. Merry und Pippin erzählten mir alles über die Schlacht am schwarzen Tor und ich lauschte ihnen gebannt. 

Es war ein tolles Gefühl, endlich darüber reden zu können, ohne Angst zu habe, das dies wieder passieren könnte. "Wie geht es den beiden?", erkundigten sich Merry und Pippin sofort, als Aragorn und Gandalf zu uns stießen. "Sie schlafen und es geht ihnen soweit gut. Zwar haben die beiden viel durchgemacht, sind ziemlich ausgetrocknet und sie werden psychische Schäden davon tragen. Doch sie werden wieder vollständig genesen, dessen bin ich mir sicher." Und mit diesen Worten von Aragorn, fühlte es sich so an, als wäre der Krieg nun entgültig vorbei. Keine Schlachten mehr, keine Angst, kein Versteckspiel mehr. Doch ich wusste ja lange noch nicht, dass mein Kampf noch nicht beendet war. Dieser hatte gerade erst angefangen.

𝙳𝚒𝚎 𝙼𝚊𝚌𝚑𝚝 𝚍𝚎𝚛 𝚃𝚛ä𝚞𝚖𝚎 - 𝙻𝚎𝚐𝚘𝚕𝚊𝚜 𝚏𝚏Waar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu