Kapitel 42

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POV. Legolas

Zwei Tage war es nun her, seit Auriel in der Nacht verschwunden war. Ihre Wunden heilten gut und die Heiler hatten mir versichert, dass sie nach ihrer Genesung wieder alles machen könnte, wie davor und keine bleibenden Schäden davontragen würde. Nur eine Narbe würde an die Ereignisse - die ich immer noch nicht kannte - der Nacht erinnern. Ich war so viel ich konnte an Auriels Krankenbett und hielt ihre Hand, flößte ihr Wasser und für die Mahlzeiten warme Suppe ein und wachte über sie. Mein Vater hatte mir versichert, er würde mich verstehen und ließ meine Pflichten ruhen. Ich war ihm unendlich dankbar dafür und unglaublich froh, dass sich unsere Beziehung nach dem Krieg so verändert hatte.

Den Fremden hatte Vater, weit weg von Auriel in einem anderen Krankensaal untergebracht und versuchte in Erfahrung zu bringen, wer er war und was er von Auriel gewollt haben könnte. Leo hatte ich eigenhändig zum Schloss zurück getragen und versorgt. Ich hatte den Pfeil aus ihrem Körper gezogen, die Wunde genäht, ihr Gefieder gesäubert und sie danach in einen Weidenkorb gelegt, der nun verdeckt in meinem Gemach stand. Wenn Auriel aufwachte, wollte ich ihr die Möglichkeit geben, ihre Freundin angemessen zu beerdigen. Jede einzelne Stunde rätselte ich darüber, was sich zugetragen haben könnte, wieso Auriel ohne Waffen aus unserem Gemach gegangen war, wie sie das ohne gesehen zu werden geschafft hatte und wer der Fremde war. Ich hatte den Verdacht, dass das Ziehen in Auriels Händen etwas mit der ganzen Sache zu tun haben könnte, doch sicher war ich mir nicht. Erst wenn Auriel aufwachte und mir die Geschichte erzählte, würde ich Gewissheit haben.

Gerade war ich auf dem Weg zu ihr, nachdem ich einen Brief an Aragorn und Gandalf geschrieben und diesen bei zwei Boten abgegeben hatte. Sie sollten wissen, was geschehen war. Gandalf, weil er sicherlich etwas dazu wusste und Aragorn, weil der Fremde vielleicht gleichgesinnte hatte, die zu einer Bedrohung werden könnten. Die Hobbits würden es erfahren, wenn sie die Einladung zu unserer Hochzeit bekommen würden und Gimli wusste es bereits, denn es hatte sich schnell beim Volk herumgesprochen, was geschehen war. Der Zwerg hatte auf meinen Brief, in dem ich die Situation etwas ausführlicher erklärt hatte, als es das Volk konnte, mit Besserungswünschen geantwortet und versprochen zu kommen, wenn ich ihn darum bat. Auch wenn ich es nie gedacht hatte, war ein Zwerg zu meinem besten Freund geworden und durch Auriels und meine Heirat und die Freundschaft mit Gimli erhoffte ich mir in Zukunft ein besseres Verhältnis zwischen Elben und Zwergen.

Als ich die Tür zum Krankensaal öffnete, fiel mir beinahe die Suppe aus der Hand, die ich für Auriel auf dem Weg aus der Küche geholt hatte. Denn sie saß auf ihrem Bett und blickte aus dem Fenster. "Du bist wach!", rief ich erleichtert aus und eilte zu ihr. Schnell stellte ich die Suppe auf dem kleinen Nachttisch ab, bevor ich Auriel vorsichtig in meine Arme schloss. Sie ließ sich an meine Brust fallen und seufzte glücklich auf. "Du hast bestimmt einige Fragen", murmelte sie nach einigen Minuten an meine Brust. Ich löste mich von ihr und nickte leicht. "Das stimmt. Aber du musst mir jetzt noch gar nichts erzählen. Erstmal wirst du vollkommen gesund", antwortete ich Auriel, legte meine Hand an ihre Wange und zog kleine Kreise mit meinem Daumen über ihre Haut. "Danach ist noch Zeit für vieles." Sie lehnte sich meiner sanften Berührung entgegen, schloss die Augen und lächelte.

"Ich habe meine Kräfte abgegeben", sagte sie dann wie aus dem nichts und öffnete ihre Augen wieder. Überrascht von dieser plötzlich Nachricht sah ich sie an. "Du hast deine Kräfte abgegeben?", wiederholte ich. Sie nickte. Und dann erzählte mir Auriel alles, was geschehen war. Dass sie einen Albtraum gehabt hatte, plötzlich mitten im Düsterwald aufgewacht und von einer unsichtbaren Macht angezogen worden war. Sie erzählte mir alles, was in Minas Morgul geschehen war, dass sie den Elben, der ihr zur Flucht verholfen hatte, in jener Nacht wiedergesehen hatte. Wie er ihr offenbart hatte, wer er wirklich war und was er gewollt hatte, wie Leo zwei Mal ihr Leben gerettet hatte und schließlich für sie gestorben war. Wie Galadriels Kette ihr neue Kraft gegeben hatte und sie Silan schließlich getötet hatte.

"Dann bin ich bewusstlos geworden. Ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen haben, aber-" "Du hast zwei Tage durchgeschlafen. Heute ist der Mittag des dritten Tages", unterbrach ich sie, bedeutete ihr aber direkt danach, fortzufahren. Auriel schwieg einige Sekunden, ehe sie weiter erzählte. "In der Zeit, in der ich geschlafen habe, habe ich Elena getroffen, die Traumwandlerin vor mir. Sie hat mir alles erklärt... aber ich darf niemals mit jemandem über das Reden, was ich... von ihr erfahren habe oder was ich mit ihr besprochen habe. Ich habe meine Kräfte bei ihr gelassen. Die Valar werden das zurück bekommen, was sie mir geschenkt haben", endete sie. Etwas sprachlos von allem, was ich gerade erfahren hatte starrte ich ihr in die Augen und versuchte zu verarbeiten, was Auriel mit erzählt hatte. "Legolas? Kannst du bitte etwas sagen? Irgendetwas?", bat Auriel, als ich eine Minute später immer noch nicht reagiert hatte.

Ich blinzelte einige Male und gewann den Fokus von meinen Augen wieder. "Du kannst Leo beerdigen", war das einzige, was mir in diesem Moment einfiel. Jetzt war sie diejenige, die mich einfach nur anstarrte. Dann schlang sie ihre Arme um meinen Hals und drückte mir einen Kuss auf die Lippen und flüsterte: "Danke, Legolas." Ich legte ebenfalls meine Arme um sie und drückte sie an mich. "Wie bist du eigentlich aus unserem Gemach gekommen? Die Wachen sagten, sie hätten dich nicht gesehen, wie du es verlassen hast", erkundigte ich mich nach einigen Minuten, in denen wir kuschelnd auf ihrem Bett gesessen hatten. "Das... weiß ich nicht", meinte sie und zog ihre Augenbrauen zusammen. "Manche Fragen werden wohl für immer ungeklärt bleiben. Aber vielleicht finden wir es ja doch irgendwie heraus." Ich lächelte. "Ja. Vielleicht." So wichtig war es ja auch nicht. Das einzige, was zählte, war, dass Auriel gesund werden würde, wir endlich heiraten und glücklich sein konnten. Und wer wusste schon, was das Leben noch für uns bereit halten würde?

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Morgen bekommt ihr dann noch den Prolog! Und dann ist die Story auch schon zu Ende...

𝙳𝚒𝚎 𝙼𝚊𝚌𝚑𝚝 𝚍𝚎𝚛 𝚃𝚛ä𝚞𝚖𝚎 - 𝙻𝚎𝚐𝚘𝚕𝚊𝚜 𝚏𝚏Where stories live. Discover now