Kapitel 32

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Mike scheint mit Jack unter einer Decke zu stecken. Er hat Charly im Bad eingesperrt und Jack zu sich geholt.

Charly's PoV
Für einen kurzen Moment blieb die Zeit stehen. Ich sass auf dem Boden und blickte verängstigt zu Mike und Jack. Tausende Fragen schwirrten in meinem Kopf. Was war Mike's Absicht? Hat er schon immer mit Jack zusammengearbeitet? Auch als er mich halb tot auffand?

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Jack mich am Arm packte und Mike mich an meinen Füssen festhielt. Jack band meine Handgelenke zusammen. Ich versuchte mich zu wehren, doch spürte ich mit jeder Bewegung, wie der Kabelbinder in meine Handgelenke schnitt. Ich sah, wie Jack einen Stück Stoff mit einer Flüssigkeit beträufelte und es an mein Gesicht halten wollte. Ich versuchte meinen Kopf wegzudrehen, jedoch erfolglos. Ich spürte, wie meine Hände und Füsse zu kribbeln begonnen und die Kraft in meinem Körper schwand. Langsam sank ich ins Dunkle...

Ich spürte Kälte. Der Boden, auf dem ich lag, war hart wie Stein. Meine Gelenke schmerzten. Meine Hände und Füsse waren gefesselt. Ich öffnete die Augen aber konnte dennoch nichts sehen. Ich sass in der Dunkelheit. Es war still. Ich konnte nur mein eigenes Atmen hören. Kurz versuchte ich wieder alles im Kopf zu ordnen. Was ist passiert und wo bin ich? Das Letzte, was ich noch weiss, war... oh nein, Jack! Es fühlte sich an als hörte mein Herz auf zu schlagen. Meine Hände und Beine begannen zu zittern. Ich konnte nicht deuten, ob es aus Angst oder Verzweiflung war. Mein Hals fühlte sich zugeschnürt an und das Atmen fiel mir schwer. Ich fing an, unkontrolliert zu weinen. Mein Gesicht und meine Hände waren nass von den warmen Tränen, die in Massen herunterflossen. Wie konnte ich bloss in einer so grausamen Welt leben? Ich hatte niemanden mehr, meine Eltern waren schon lange weg, aber jetzt auch noch Mike. Und womöglich auch Jackie und Victoria. Und alles wegen Jack. Nur wegen Jack.
Ich spürte die Wut. Den Hass. Jack hat mir mein Leben genommen. Meine ganze Lebensfreude. Er hat nicht nur meines genommen, sondern auch das Leben vieler anderer. Es war unfair. Er hatte kein Recht dazu.

Auf einmal wurde es grell. Ich konnte für ein paar Sekunden nichts sehen und musste meine Augen schliessen. Dabei hörte ich lange, schwere Schritte. Sie kamen immer näher. Sie blieben in meiner Nähe stehen und ich hörte eine Stimme: "Du bist wach. Sehr gut. Komm, es gibt Frühstück."
Ich wusste genau wessen Stimme es war. "Wieso hast du mich verraten, Mike?", sagte ich bloss und sah zu ihm auf, obwohl ich immer noch nicht normal sehen konnte. Ich erkannte jedoch, wie er mich traurig ansah. Er löste mich von meinen Fesseln und sagte nichts. Er schaute beschämt auf den Boden, das Gesicht weggedreht. Ich stand nun etwas wackelig auf und versuchte, das Gleichgewicht zu halten. Als Mike mich wieder festhalten wollte, wich ich ihm aus und murmelte: "Ich laufe schon nicht weg. Ich werde mich auch nicht wehren, versprochen. Aber bitte fass mich nicht an." Er nickte und schaute weiterhin auf den Boden. Ich war etwas irritiert von der Ironie. Er schämte sich und war traurig, kam aber dennoch, um Jack's Befehle auszuführen?

Ich ging durch die Tür in den Gang. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich in einer Zelle war, wie im Gefängnis, bloss ohne Fenster. Und ohne Bett. Dafür mit Fesseln. Wir gingen am Ende des Ganges in einen anderen Raum. Darin stand ein Tisch, gedeckt mit einem Teller, auf dem eine Scheibe Brot lag. "Du kannst dich setzen und essen", sagte Mike. Ich sah ihn verwirrt an. War das Brot vergiftet? Gab es einen Haken? Er nickte mir bloss zu. Ich setzte mich hin. Eigentlich war es völlig egal, ob das Essen vergiftet war oder nicht. Es wäre sogar besser, wenn es vergiftet wäre. Ich konnte mir ein sarkastisches Lachen nicht verkneifen, als ich sah, dass ich Kinderbesteck hatte. Ein stumpfes Messer. Hatten sie etwa Angst, dass ich sie umbringen wollte? Oder dass ich wieder einen Selbstmordversuch startete? Ich konnte gerade mal mein Brot streichen damit. Das war wohl auch der Sinn davon.
Da sass ich nun. Essend, mit Mike, der mir dabei zusah. Jedoch nicht mehr als Freund. Ich merkte, wie er ab und zu zu mir schaute, jedoch den Blick schnell wieder abwendete. Aus mir platzte die Frage: "Mike, wieso hast du es getan?" Ich sah ihn durchbohrend an. Mein Blick war auf ihn fixiert, als versuchte ich in seinen Kopf zu blicken.
Er hob seinen Kopf und sah mich an. "Ich hatte keine Wahl", erwiderte er, "Ich habe schon die ganze Zeit über alles für dich riskiert, nur damit Jack dich nicht holen kommt. Die Wahrheit ist, dass ich dich nicht per Zufall in der Mülltonne gefunden habe." Er zögerte kurz und wendete seinen Blick ab. "Ich habe vorher bereits mit Jack gearbeitet und sollte deine Leiche unerkennbar machen. Als ich aber sah, dass du immernoch lebst, habe ich dich ins Krankenhaus gebracht und Jack immer von dir berichtet, auch in der Psychiatrie. Dort habe ich jedoch auf einmal Gefühle für dich entwickelt und wollte dich befreien. Er wusste nicht, dass wir ausgebrochen sind. Ich ging immernoch regelmässig zu ihm und berichtete von dir in der Psychiatrie. Ich war aber so verzweifelt und hatte Angst, dass Jack es herausfand, dass ich immer in eine Bar ging und mich zudröhnte. Ich wusste einfach nicht was tun. Und dann hast du die Gefühle nicht einmal erwidert. Da war ich verletzt und dachte mir, es sei es einfach nicht wert. So, jetzt weisst du die Wahrheit. Mach damit was du willst... Charly, es tut mir wirklich Leid. Ich kann dir jetzt leider nicht mehr helfen."

Mein Freund, der PsychoWhere stories live. Discover now