Kapitel 30

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Charly stoss zusammen mit einem unbekannten Mann. Als er ihr aufgeholfen hatte, wirkte er ein wenig nervös und verschwand.

Ich sah den Zettel auf dem nassen Boden und hob ihn auf. Die Schrift war ein wenig verschwommen, jedoch waren die Ziffern immernoch gut zu lesen. Sofort steckte ich den Zettel in meine Jackentasche und ging zu Mikes Wohnung zurück. Ich wollte Victoria und Mike nichts von dem erzählen, was ich erlebt hatte. Sie würden überreagieren. Natürlich machte ich mir Gedanken um diesen Mann, jedoch dachte ich mir nicht so viel dabei. Vielleicht wohnte er in demselben Wohnhaus? Und das mit der Kellnerin wollte ich sowieso nicht erzählen, da sie sonst eine Predigt darüber hielten, was mit fremden Menschen passieren konnte. Ich wüsste was passieren konnte. Es waren nicht die Fremden, die das Problem darstellten, sondern die Vertrauten. Die Vertrauten konnten jemanden mehr verletzen als Fremde. Man wusste nie, was in den Köpfen anderer vorging. Dies war der Grund, warum ich gegenüber Mike misstrauisch war.

Nach einer Weile bemerkte Mike, dass ich gegenüber ihm misstrauisch war. Er fragte mich, was los sei, aber ich blockte ab. In letzter Zeit fühlte ich mich unwohl in seiner Nähe. Was war nur los mit ihm, mit mir, mit der ganzen Welt? Als ich aus der Klinik floh, dachte ich, dass sich mein Leben irgendwann wieder normalisieren würde, doch ich habe mich getäuscht. Auf einmal schrak ich auf. Mike hatte wohl in der ganzen Zeit über mit mir geredet und ist inzwischen aufgestanden. Ich schüttelte den Kopf und sah ihm ins Gesicht. Seine Worte waren zuerst ein wenig unklar, aber sie wurden nach ein paar Sekunden wieder klar. "Charly, wenn du mir nicht vertraust, wird dich die Vergangenheit irgendwann von innen auffressen. Ich habe mein Leben für dich riskiert, wieso erzählst du mir dann nichts?"
Eine Träne bahnte sich seinen Weg über meine Wange. Er hatte vollkommen Recht. Er hätte niemals sein Leben für mich riskiert, wenn ich ihm nicht vertrauen könnte. Ich fühlte mich schrecklich.

Mike erkannte, dass ich mich mies fühlte und er umarmte mich. "Es tut mir so Leid", schluchzte ich. Ich merkte, wie die Kälte in meinem Innern zerbrach und mich alle Emotionen überwältigten. Das Gefühl in meiner Brust war so stark, ich fühlte mich, als würde in meiner Kehle und in meinem Brustkorb alles zusammengezogen werden. Es erschwerte mir das Atmen.
Nun erkannte ich auch, dass auch Mike eine Träne die Wange hinunterlief. Ich sah ihn an und musste für einen Moment innehalten: dieser Mensch ist so ein gefühlsvoller, unschuldiger Mann. Seine Seele schien mir reiner als jede andere. Natürlich hatte er ein paar mysteriöse Eigenschaften, aber jeder macht mal Fehler, oder? Alles, was er tat, war stets für das Gute. Als er mich ansah, lächelte er mich an. Oh gott, ich konnte meine Bewunderung für ihn gar nicht beschreiben! Das Gefühl in mir änderte sich. Ich fühlte mich auf einmal leichter, als hätte Mike gerade all meine Last weggenommen.

Wir blickten uns lange in die Augen. Hin und wieder rutschte sein Blick zu meinen Lippen, um danach wieder schnell in meine Augen zu blicken. Sein Gesicht näherte sich meinem. Ich hatte Angst. Es fühlte sich so richtig an, aber war ich wirklich bereit dazu? Ich geriet in Panik und wusste nicht, was ich tun sollte.
Ich drehte meinen Kopf weg. Mike senkte enttäuscht seinen Kopf und strich sich mit den Händen über die Stirn. "So läuft das also", sagte er," du machst eine auf Unschuldige, damit ich hier dumm dastehe? Ist es das, was du willst? Ich lasse dich in meiner Wohnung wohnen, gebe dir etwas zu Essen und das ist dein Dank dafür?!" Er verharrte kurz, als ob er auf eine Antwort wartete. Ich öffnete meinen Mund, aber schloss ihn gleich wieder, da ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Ich konnte ihm all das niemals erklären. Mike nickte mit dem Kopf und sagte "Ach vergiss es." Und er stürmte in sein Zimmer, worauf er die Türe zuschlug.
Nach einer Weile fassungslosem Starren warf ich mich auf die Couch und versuchte zu schlafen. Ich hatte wieder einmal einen Traum:

Ich war wieder auf dieser Strasse. Ich hatte noch den Zettel der Kellnerin in der Hand. Der Unterschied war, dass es Winter war. Es war kalt und es schneite. Es war auch bereits halb dunkel, weshalb ich nicht viel sah. Ich fokussierte mich auf den Zettel, als ich wieder einen Stoss verspürte und auf den kalten Schnee fiel. Dieses Mal half mir der Mann nicht auf, sondern starrte auf mich herab. Er war gekleidet in schwarz und etwas dünn. Er hatte blonde Haare und... grüne Augen. Auf einmal begann er zu grinsen. Er blickte auf seine Uhr und zog eine schwarze Decke hervor, mit der er meinen Kopf überdeckte. In der Dunkelheit geriet ich in Panik und schrie nach Hilfe.

Schweissgebadet wachte ich auf. Dieser Mann in dem Traum. Er hatte mich gefoltert. Ich nahm ein Blatt Papier und einen Stift, um das Bild nieder zu zeichnen. Währenddessen trat Mike aus seinem Zimmer. Er hatte mich wohn gehört und wollte nach mir sehen. "Was tust du da?", fragte er. Ich hatte aber keine Zeit um das gleich an diesem Zeitpunkt zu erklären, und ausserdem war ich selbst noch viel zu verwirrt. "Warte kurz, warte, später.", murmelte ich. Mike schaute auf das Blatt. "Wer ist das?" "Stell doch nicht so viele Fragen Mike! Warte kurz, ich muss das zuerst fertig machen."
Er gab ein kleines "Okay" von sich und stand auf, um sich ein Glas Wasser zu holen. Nach ein paar Minuten war mein Bild fertig. Es war nichts besonderes, aber die wichtigsten Gesichtszüge waren zu erkennen. Als Mike sich das Bild anschaute, kommentierte ich:" Er hat mich gefoltert. Ich bin ihm heute begegnet, auf der Strasse. Er hat wohl nicht erwartet, dass ich noch am Leben bin. Aber was ich weiss, ist, dass wir damit zur Polizei müssen. Und zwar sofort!" Als ich dies sagte, klingelte mein Handy. Es war eine SMS von einer Unbekannten Nummer. In der Nachricht stand:
Wenn du zur Polizei gehst, werden deine Eltern, deine Freunde und schlussendlich auch du grosse Qualen erleiden müssen - J

Mein Freund, der PsychoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt