K A P I T E L 5

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E l i z a b e t h

„Warum warst du eigentlich gestern so früh zu Hause?", fragt mich Clair und sieht kritisch zu mir, während sie sich Kaffee einschenkt. Schluckend sehe ich zwischen ihr und Alex am Frühstückstisch hin und her. „Ich wurde für den Tag... suspendiert", beschämt sehe ich auf das kaum angerührte Brötchen vor mir. „Suspendiert?!", entsetzt funkelt mich Alex an. „Was hast du denn gemacht?" Clair schaut fast schon belustigt zu mir. Unangenehm reibe ich meine Hand an meinem Arm und schaue zu Ed, der schweigend zugehört hat. „Ist schon gut, Alex, ich habe das gestern geklärt, sie kann am Montag wieder in die Schule", springt Edward beschützend ein und lächelt mir aufmunternd zu.
„Du hast das geklärt?!", wütend rümpft er die Nase, ehe er einfach aufsteht und das Haus verlässt. Wahrscheinlich steigt er in seinen Wagen und fährt irgendwohin.
„Es ist nicht leicht für ihn, Ed. Er hat dich genauso sehr vermisst wie wir alle, er ist nur wütend.", erklärt ihm Clair nach einiger Zeit des Schweigens. Verstehend nickt er und trinkt nachdenklich von seinem schwarzen Kaffee. „Was macht ihr heute? Immerhin ist Samstag?", fragt er nach einiger Zeit. „Ich werde zu Tony gehen", sage ich lächelnd. „Tony?", verwirrt sieht er zu mir. „Ja, mein Freund", erkläre ich ihm und trinke einen großen Schluck von meiner Milch. Ein kurzer Schatten fliegt über sein Gesicht. „Ich fahr dich", bestimmt er. „Schon gut, ich nehme den Bus", lehne ich freundlich ab. „Ich bestehe darauf."
Irgendwas an der Art, wie er dies sagt, jagt mir eine unheimliche Gänsehaut über den Körper. Er lässt damit keine Widerrede zu. „Okay...", murmle ich. „Es wäre lieb, wenn du mich auch fahren könntest", ruft Clair plötzlich rein. „Ich treffe mich mit ein paar Freunden", erklärt sie ihm und er nickt nur zustimmend. Nach dem Frühstück räumen wir auf und ziehen uns an. Draußen ist es noch relativ kühl für Februar. Über meine ausgewaschene Latzhose ziehe ich einen gemütlichen Wintermantel an und schlüpfe in ein paar warme Boots. „Können wir?", fragt uns Ed. Kurz sehe ich noch zu Clair, die ihre Schminke im Spiegel überprüft. „Können", sagt sie, nachdem sie fertig ist. Zusammen gehen wir zu seinem schwarzen Range Rover und ich setze mich nach hinten. Geschmeidig lenkt er den Wagen aus unserer Einfahrt. Es ist schon fast filigran, wie er das Lenkrad mit einer Hand dreht und mit der anderen schaltet. Er hat sich Zivilkleidung angezogen: eine einfache Jeans, einen grauen Pulli und mehr nicht. Selbst Clair hat ihren dicken Mantel angezogen, auch, wenn sie diesen nie schließt, weil sie der Meinung ist, dass sie dann dick aussehe. Was totaler Schwachsinn ist. Ich kann ohne Neid sagen, dass Clair mit Abstand das hübscheste Mädchen an unserer Schule ist. Sie geht in den Abschlussjahrgang, während ich ein Jahrgang unter ihr bin. Zuerst fahren wir zu Stella, sie ist eine der besten Freunde von Clair, die wir noch abholen müssen. Vor einem großen schönen Haus, bleiben wir stehen und schon kommt ein blondes Mädchen in pink, auf uns zu getorkelt. Ich kann Stella überhaupt nicht leiden, denn sie ist so selbstsüchtig und zickig. Kichernd öffnet sie eine der hinteren Türen und fängt sofort mit Clair an, um die Wette zu kreischen, als sie sich endlich wiedersehen. Genervt verdrehe ich die Augen. Im Rückspiegel sehe ich, wie mich Ed belustigt ansieht. „Es ist ja so lang her, Süße!", fängt Stella an und hat mir nicht mal ‚Hallo' gesagt. „Jaaa! Wie ist es auf dem Collage?!" Clair hat sich umgedreht und sieht das blonde Mädchen, mit wirklich viel Schminke im Gesicht, funkelnd an. Und dann geht es auch schon los, sie erzählt von nichts anderem mehr als von sich selbst. Hoffentlich kommen wir schnell bei ihren anderen Freunden an. „Und... Warte! Wer ist denn das?", schmachtend sieht sie zu meinem Bruder, der nur konzentriert auf die Straße starrt. Jedoch merke ich, wie er seine Hand etwas fester ums Lenkrad krallt. „Mein Bruder, Edward.", erklärt ihr Clair. „Oh, stimmt ja! Du warst vor vielen Jahren ein großer Basketballstar an der Schule, ich erinnere mich. Wo warst du so lange?", und schon liegt ihre volle Aufmerksamkeit bei Ed. „Er ist Soldat, Stella. Er war im Einsatz, das habe ich dir doch schon mal erzählt", flüstert Clair, weil sie sich wahrscheinlich denken kann, dass Ed jetzt bestimmt nicht über die letzten Jahre reden will. „Aber du hast nie erzählt, dass dein Bruder so heiß ist!", zischt sie ihr zurück. Verständnislos sieht Clair sie an. „Wie alt bist du denn?", sie klimpert heftig mit den Wimpern. Einfach nur sprachlos, was gerade vor meinen Augen passiert, sehe ich zu den beiden. Ich weiß nicht, ob ich am liebsten kotzen würde, dass wir hier gerade über meinen Bruder reden oder ihr ganz einfach den Kopf abreißen soll. „Stella!", zischt Clair. „Schon gut", beschwichtigt sie mein Bruder. „Zu alt für dich, tut mir leid", gibt er ihr freundlich einen Korb und hält den Wagen an, als wir bei Clair's Freunden ankommen. „Alter ist nur eine Zahl, Süßer", damit verabschiedet sie sich und steigt mit Clair zusammen aus.
Ich selbst öffne auch die Tür, um mich nach vorne neben ihn zu setzen. „Also, wohin jetzt?" „Weißt du noch, wo Maddy wohnt?", lächelnd sehe ich zu ihm.
„Deine Freundin?"
„Ja genau. Dort müssen wir hin", erkläre ich ihm. Er nickt verstehend und fährt dann wieder auf die Hauptstraße. „Und dieser Tony... der ist dein... dein..." „Freund? Ja. Wir sind ein paar Wochen, nachdem unsere Eltern... jedenfalls sind wir da dann zusammengekommen. Er war viel für mich da und dann wollten wir es einfach mal probieren", erzähle ich ihm. „Bist du nicht etwas jung... für eine Beziehung?", verstimmt sieht er zu mir. „Ich werde in ein paar Wochen siebzehn, Ed. Manche Leute haben in meinem Alter schon ihr erstes Kind bekommen", lache ich lauthals. Geschockt sieht er zu mir. „Aber du hast doch jetzt nicht vor... also, du...", versucht er mich zu fragen, was ich belustigt betrachte. „Nein, schon gut Ed. Ich bin unberührt, falls du das wissen wolltest", kichere ich und sehe in sein schneeweißes Gesicht. Hart schluckt er und schaut krampfhaft auf die Straße. „Aber ich bin jung, vielleicht ändere ich das ja bald." Plötzlich bremst er hart und schaut zu mir. „Was?" „Du tust ja fast so, als wäre das ein Skandal." „Aber du bist doch noch so jung!", mit großen Augen sieht er zu mir. „Ed, ich bin kein kleines Kind mehr und ich mag Tony." Schluckend wendet er sich wieder nach vorne und blickt auf die leere Straße. „Versprich mir nur, dass..., wenn du es... tust, du dir auch zu 100% sicher bist", ernst sieht er zu mir. „Ja", lache ich leise, denn ich finde es süß, wie unangenehm es ihm ist, darüber zu reden. Kurz schüttelt er mit dem Kopf, ehe er wieder weiterfährt und nach kurzer Zeit vor dem Haus stehen bleibt. „Warum sind wir eigentlich bei Maddy?" „Tony ist Maddy's Bruder. Er geht mit uns in dieselbe Klasse", erkläre ich ihm. Gerade, als ich aussteigen will, sehe ich, dass er es mir gleichtut. „Was tust du?" „Dich zur Tür bringen." Er steigt aus und sieht erwartend zu mir. Schmunzelnd schüttele ich mit dem Kopf. „Du bist blöd." „Damit kann ich leben."
Ich klingle an der Tür und schon macht mir Maddy auf, der ich freudig um den Hals falle. Kurz darauf kommt auch Tony um die Ecke, den ich auch zur Begrüßung umarme und einen keuschen Kuss auf den Mund gebe. Noch immer steht mein Bruder wie ein Fels in der Tür und betrachtet uns argwöhnisch. „Tony, das ist Edward. Er kam gestern von der Army wieder", stelle ich ihm Ed vor. Eingeschüchtert sieht er zu dem großen Mann in der Tür. „Freut mich." Er reicht ihm die Hand und Ed erwidert dies. Schmunzelnd gehe ich zu Maddy und erzähle ihr von der schrecklichen Autofahrt mit Stella. „Wenn du sie anfasst, bringe ich dich um", brummt Edward leise.

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