K A P I T E L 10

17.6K 603 85
                                    

E d w a r d

„Mr. Jonas? Gab es noch etwas zu klären?", fragt mich der Direktor. „Nein. Das nicht...", fange ich das Gespräch an. „Ein guter Freund von mir erzählte, dass Sie einen Trainer für die Basketball Mannschaft suchen?" „Ja! Doch wir können auf die Schnelle einfach keinen auftreiben. Und das so kurz vor dem Finale! So eine Schande...", enttäuscht schüttelt er mit dem Kopf. „Nun... falls Sie sich erinnern, habe ich hier Basketball gespielt...", erzähle ich ihm. „Ja, aber natürlich! Sie waren unser bester Spieler. So ein Naturtalent wie Sie werde ich niemals vergessen." Leicht verlegen kratze ich mich im Nacken und räuspere mich. „Deswegen bin ich hier... Ich würde als Trainer einspringen, solange Sie jemanden suchen", stelle ich mich zur Verfügung und sehe ihn abwartend an. Sofort erhellt sich sein Gesicht und er schlägt übereifrig in die Hände. „Sie sind ein Segen. Ich würde Ihnen sofort einen Vertrag fertig machen, sodass Sie noch heute anfangen können", mit funkelnden Augen sieht er zu mir. „In Ordnung."

~

„Also das hier ist unsere Halle, wir haben sie letztes Jahr neu gebaut", zeigt mir der Direktor. Staunend sehe ich mich um. Es ist alles so viel größer und moderner als zu meinen Zeiten. Wir gehen durch eine Tür, zu der man in ein großes Büro kommt. „Das hier ist das Büro. Es steht Ihnen völlig frei zur Verfügung", zeigt er mir den kleinen Raum, in dem ein Schreibtisch und ein kleiner Schrank steht. Verstehend nicke ich und zusammen laufen wir wieder in die Halle. „Nun, dann lass ich Sie mal alleine. Die Jungs werden nach dem Unterricht zum Training kommen. Immer montags, mittwochs und am Freitag." Verstehend nicke ich.

Die nächsten Stunden sehe ich mir die Ausrüstung und Geräte zum Trainieren an und gehe den Plan der Wettkämpfe durch. Später spiele ich auch noch ein bisschen, um mein Gefühl zum Ball wiederherzustellen, was schneller klappt als geahnt. Voll in meinem Element weiche ich den imaginären Gegnern aus, drehe mich, tripple Richtung Korb, ehe ich elegant hochspringe, den Ball in den Korb schmettere und kurz an ihm hängen bleibe. Ein lautes Stimmengewirr reißt mich aus meiner Trance und ich lasse vom Korb ab. Ein paar größere Teenager Jungs stehen in ihrer Sportkleidung da und sehen mich erstaunt an.
Nun... dann wollen wir mal.
„Ich bin Edward Jonas, euer neuer Trainer", stelle ich mich den Jungs vor und klemme mir den Ball unter den Arm. „Sie? Sie sollen der neue Trainer sein?!", lacht einer und seine Freunde steigen mit ein. „Ja", sage ich kräftig und sehe ihn sträng an, sodass er kurz schlucken muss. Langsam und bedacht wie ein Leopard, gehe ich auf ihn zu und bleibe vor ihm stehen. Er ist etwas kleiner als ich, dass sind sie alle. „Wie ist dein Name?", brumme ich und mustere seine durchschnittliche Visage. „J-Justin. Justin Evans", sagt er und versucht selbstbewusst zu mir aufzusehen. Der Freund von Clair, bei dem Ellie so komisch reagiert hat. Interessant. „Spiel gegen mich", fordere ich ihn heraus. „Nein. Sicher nicht, ich will Sie ja nicht blamieren", grinst er und seine Freunde schlagen ihm belustig auf die Schulter. Ich halte ihm den Ball vor die Nase. „Komm schon, Kleiner. Hab nicht nur eine große Fresse, sondern zeig wenigstens, was du draufhast."
„Schön", brummt er und will mir den Ball aus der Hand reißen, doch ich halte ihn mit meiner fest.
„Schön", grinse ich und drücke ihm den Ball gegen die Brust, sodass er ein paar Schritte nach hinten stolpert. „Ich mach Sie fertig", knurrt er und sieht mich vernichtend an.

„Er hat dich so fertig gemacht, Alter", höre ich einen seiner Kumpels sagen, während er total fertig auf dem Boden liegt. „Halt die Fresse", knurrt er. „Warum haben Sie aus ihrem definitiven Talent nie etwas gemacht?", fragen mich ein paar, die sich um mich versammelt haben. Überlegend ziehe ich meine Augenbraune zusammen. Wegen ihr. Viele große und einflussreiche Männer haben mir einen unglaublich guten Vertrag unter die Nase gehalten, aber ich hätte in eine andere Stadt ziehen müssen, weit weg von ihr. Deswegen habe ich mich dazu entschieden, einen anderen Weg zu gehen. „Es hat sich nicht so ergeben", erkläre ich ihnen ausweichend.

Die nächste Stunde gehe ich mit ihnen den Trainingsplan durch. Am Ende werfen sie noch ein paar Körbe und hören dann aber auf, damit wir am Mittwoch richtig beginnen können. „Macht's gut", verabschiede ich mich von ihnen. „Wiedersehen Coach", rufen sie und ich halte kurz inne. Coach.
Lächelnd verlasse ich die Sporthalle, was jedoch gleich wieder verschwindet, als ich Ellie vor meinem Wagen sehe, wie sie mit diesem Tony rumknutscht. Ich schließe mein Auto auf, sodass es ein kurzes Geräusch macht und die Lichter anspringen. Sofort fahren beide auseinander. Als er mich sieht, verabschiedet er sich schnell und rennt auch schon davon. Belustigt sehe ich ihm hinterher. Total durch den Wind sieht Ellie zu der Stelle, an der er eben noch gestand hat, ehe sie zu mir aufsieht. Ihre schönen Lippen sind geschwollen und ihre Haare leicht durcheinander. Knurrend nehme ich das zur Kenntnis. „Wo ist Clair?", brumme ich deshalb nur. „Sie fährt mit Justin", erklärt sie mir und steigt in mein Auto.
„Alles okay?", fragt sie mich nach einiger Zeit, in der wir im Auto sitzen. „Ja, was soll sein?", stelle ich mich unwissend und schaue nur verkrampft nach vorne. „Du bist so ruhig", flüstert sie und legt plötzlich eine ihrer kleinen Hände auf mein Bein. Fuck. Fuck. FUCK. „Was ist los Eddie?", sanft streicht sie auf und ab. Gequält kralle ich mich in mein Lenkrad und versuche an alles zu denken nur nicht an ihre Hand. Ihre Hand auf meinem Bein. Shit.
„Nichts", zische ich zwischen zusammen gepressten Zähnen. „Du lügst", stellt sie fest. Wütend fahre ich rechts ran und steige auf der verlassenen Straße aus. Hektisch atme ich ein und aus und lehne mich mit einer Hand an mein Auto, während ich mit der anderen über meine Augen fahre. Erschrocken zucke ich zusammen, als sich zwei kleine, zierliche Arme von hinten um mich legen. „Ich bin für dich da. Du kannst mir alles erzählen." Das kann ich nicht! „Eddie...", flüstert sie und schlüpft unter meinem Arm hindurch, um zwischen mir und dem Auto eingekeilt zu sein. Das macht es echt nicht besser. Sachte nimmt sie meine Hand von meinen Augen. Ich höre, wie ein Seil nach dem anderen reißt, wie mein Herz den Stahldraht auseinander zieht, wie es versucht frei zu kommen. Und ich kämpfe mit meiner Bazooka dagegen an, dass es ausbrechen kann.
„Ellie", flehe ich sie leise an und drehe mein Gesicht von ihr weg. Schnell nimmt sie es in die Hände und zieht es zu sich. „Was?" Sanft streicht sie über meine Wange. Und wieder, wie so oft überschwemmt mich dieses Ozeanblau und zieht mich mit sich. Ich lege meine Hand an ihre weiche, leicht gerötete Wange und streiche über diese. Schmusend lehnt sie ihren Kopf zur Seite und schließt ihre Augen. Erschöpft lehne ich meine Stirn an ihre und atme ihren süßen, einnehmenden Duft tief in meine Lungen. „Ich liebe dich, Elisabeth", murmle ich. „Ich dich doch auch", lächelt sie und lässt mich schlucken. Zögerlich löse ich mich von ihr. „Wir sollten fahren", und damit steige ich wieder ins Auto. Sie liebt mich als ihren Bruder und ich sie, als die schönste, einzigartigste Frau in meinem Leben. Nach all den Jahren habe ich es laut ausgesprochen und doch hat sie die tiefgründige Bedeutung nicht verstanden.
Denn ich liebe dich Ellie.
Ich liebe dich.

My Hero. Where stories live. Discover now