K A P I T E L 25

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E l i z a b e t h

„Maddy!"
Ich löse mich von Edward und eile meiner besten Freundin hinterher. Auf der Treppe schnappe ich ihre Hand und drehe sie um. „Es...", will ich anfangen, doch ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich habe ihren Bruder gerade mit... mit meinem betrogen. „Das ist abartig", murmelt sie und entreißt sich aus meinem Griff. „Maddy bitte..." „Das hat mein Bruder nicht verdient", ihr Blick ist kalt. Pure Angst durchströmt mich. Nur nebenbei bemerke ich, wie Ed mit etwas Abstand hinter mir steht. „Wirst du es ihm sagen?", wispere ich und versuche die Tränen zurückzuhalten, die mich wie eine Welle zu überschwemmen drohen. Sie scheint zu überlegen, ehe sie einen Entschluss fasst. „Nein. Es würde ihn nur unnötig verletzen. Du gehst nach Australien und du wirst dich von ihm trennen, sonst wartet er ein Jahr auf jemanden, der es nicht verdient hat."
Hart schlucke ich und kann die tausenden Tränen nicht mehr zurückhalten. Schwach nicke ich. „Wirst du mir verzeihen?", flehend sehe ich sie an. Sie schweigt. „Viel Spaß in Australien, Elizabeth", und damit geht sie. Weinend breche ich zusammen. Was habe ich getan? Ich bin ein Monster. Abschaum. Was wir getan haben, ist widerwärtig.
Oh Gott. Wie konnte das nur passieren? Ich habe Maddy noch nie so gesehen. Sie ist immer für mich da gewesen und ich für sie. Wir haben uns immer mal gestritten, doch dieser Blick der pure Enttäuschung hat mir das Herz gebrochen.
„Kleines...", flüstert jemand. Ich höre Schritte und kurz bevor er mich in den Arm nehmen kann, springe ich auf. „Nein!", fauche ich ihn an. „Das ist alles deine Schuld!" Schluchzend renne ich in mein Zimmer und schließe hinter mir die Tür. Wieso hat er das getan? Er ist doch der Erwachsene von uns beiden? Wieso hast du mir das angetan, Edward?!

Zwei Wochen später.

„Du wirst morgen wegfliegen...", murmelt Tony neben mir. Wir sitzen beide auf meinem Lieblingsbaumstamm und sehen ins Tal. Ich habe gedacht, es würde ein schönes Abschiedsgeschenk sein, ihm diesen Platz, meinen Platz, zu zeigen. „Und du willst mir wirklich nicht erzählen, was zwischen Maddy und dir vorgefallen ist?", neugierig sieht er zu mir rüber, doch ich schüttle nur mit dem Kopf. Und dann schweigen wir. Wir schweigen Minuten, vielleicht auch Stunden und genießen einfach den Ausblick. „Tony...", fange ich an, doch er unterbricht mich. „Ich weiß." Überrascht sehe ich zu ihm. „Ich sehe es dir an", er erscheint mir traurig, fast schon verletzt. „Du hast nicht vor eine Fernbeziehung zu führen, nicht wahr?", wispert er. „Nein, Tony", ich lege meinen Kopf auf seine Schulter. „Du wirst immer meine erste Liebe bleiben, Ellie." Er lächelt und das so aufrichtig, dass mein kaputtes Herz etwas Kraft gewinnt. „Ich habe dich immer geliebt, Tony, nur nicht auf diese Art." Ein Nicken, mehr bekomme ich nicht, doch ich spüre, wie er seinen Arm um mich legt. „Ich hoffe, du findest jemanden, dem du dieselbe Liebe entgegenbringen kannst wie er dir." „Das wünsche ich dir auch." Und das tue ich wirklich. So aufrichtig wie nichts anderes. Er hat es mehr verdient als ich.
Ich habe noch Tage nach meinem Geburtstag geheult. Mit Edward habe ich kein einziges Wort mehr geredet. Es ist nicht so, dass er es nicht versucht hätte, doch es hat mich zu sehr verletzt ihn zu sehen. Natürlich ist mir bewusst, dass es nicht alleine seine Schuld gewesen ist, das wäre zu einfach. Was wir getan haben, ist aus so vielen unterschiedlichen Gründen falsch.

Als wir am Abend vor meinem Haus stehen, umarmen wir uns lange. Sehr lange. „Mach's gut Ellie", murmelt er und gibt mir einen Kuss auf die Wange, dann geht er. Ich sehe ihm nach, so lange, bis er aus meinem Blickfeld verschwindet, sogar noch länger. Es ist das Ende von einem schönen Kapitel. Es schmerzt, aber es muss so sein. Wenigstens weiß ich durch den Schmerz, wie viel er mir bedeutet hat, wie viel mir die Zeit bedeutet hat. Traurig spiele ich mit dem schweren Schlüssel in meinen Händen. Wieso habe ich es nur so sehr versaut? Mir fehlt meine beste Freundin. Sie fehlt mir so sehr, dass ich mich innerlich leer und einsam fühle. Tief atme ich durch meine Nase und sehe in den tief dunklen Himmel mit den vielen Sternen, die mich anstrahlen. Dieser schöne Anblick tröstet mich irgendwie. Zum letzten Mal für eine so lange Zeit sehe ich die Sterne von diesem Punkt der Erde, bevor ich morgen abreise. „Kommst du, es gibt Essen", ruft mir Alex von der Tür aus zu. Er muss mich wohl gesehen haben, wie ich hier alleine stand. „Ja..."
Ich schreite zu ihm und setze mich mit ihm an den reichlich gedeckten Tisch. Edward hat gekocht. Schuldig blicke ich zum Ende des Tisches und beobachte ihn, wie er sich Essen drauf macht. Es tut mir leid, dass ich ihm keine Chance gegeben habe mit mir zu reden, doch ich hatte Angst. Vor was weiß ich auch nicht, doch alleine das Gefühl hat gereicht. Still esse ich und lausche den Gesprächen am Tisch. Normalerweise ist es nicht meine Art so still zu sein, aber was hätte ich sagen sollen? Ich freue mich trotzdem sehr auf morgen. Aufregung macht sich langsam in mir breit. Wie wohl meine Gastfamilie ist? Was mich dort erwartet? Es ist ein ganz neues und unbeflecktes Kapitel, was ich damit aufschlage.
Nach dem Essen gehe ich in mein Zimmer und packe meinen Koffer zu Ende. Mein Kleiderschrank wirkt so leer ohne meine bunten Klamotten. Ich spiele leise Musik und summe vor mich hin.
Die Zeit vergeht und der Abend wandelt sich in die Nacht. Meine Geschwister müssen schon schlafen, doch ich schaue nur nervös an die Decke. Vor lauter Aufregung kriege ich kein Auge zu. Dunkelheit umhüllt mich, doch bringt sie nicht die altbekannte Müdigkeit. Plötzlich höre ich, wie meine Türklinke runtergedrückt wird. Vor lauter Panik stelle ich mich schlafend. Ich drehe mich Richtung Wand und schließe die Augen. Die Tür schließt sich wieder und Schritte sind zu hören. Eine Hand legt sich auf meinen Kopf und streicht mir über mein Haar. „Ellie?", flüstert er. Soll ich mich weiter schlafend stellen? Was will er? Will er über... uns reden? Ich entschließe mich feige die Augen geschlossen zu lassen. „Es tut mir leid, Ellie." So traurig, wie seine Stimme erscheint, habe ich ihn noch nie gehört. „Es tut mir so leid." Sein Atem geht stoßweise, fast schon würde ich denken, er weint, doch ich habe ihn noch nie weinen gesehen. Es ist still, nur sein unregelmäßiger Atem ist zu hören. „Bitte geh nicht...", wispert er und mein Herz bleibt stehen. Hitze steigt in meinen Kopf und mein Bauch fängt an zu kribbeln. „Ich weiß, dass du nicht schläfst, Ellie", flüstert er und ich zucke zusammen. Unendlich langsam drehe ich mich um und sehe ihn vor meinem Bett hocken. Sein Kopf ist schräg gelegt und seine Hand ruht noch immer auf meinem Kopf. Aufmerksam mustere ich sein Gesicht, was von einem gequälten Lächeln geziert ist. „Du musst dich nicht meinetwegen zum Lächeln zwingen, wenn dir nicht danach ist."
Er schluckt und sein Lächeln verschwindet. „Du bist mir aus dem Weg gegangen." „Ich weiß. War nicht einfach, du bist einfach überall." Jetzt muss er doch schmunzeln und diesmal ist es echt. „Ellie, wegen-"
„Ist vergessen", unterbreche ich ihn und sein Gesicht friert ein. „Was?", krächzt er. „Es war... Es ist eben passiert. Es hatte nichts zu bedeuten, das siehst du doch auch so, oder?", fragend sehe ich ihn an. Plötzlich wirkt sein Gesicht wieder so kalt und ohne jegliche Zuneigung. Dieser Ausdruck jagt mir schon fast Angst ein. „Es hatte nichts zu bedeuten, Elizabeth", er steht auf und sieht auf mich hinab. „Pass auf dich auf", damit geht er und schließt hinter sich die Tür. Merkwürdig.

~

„Viel Spaß, Kleine." Fest nimmt mich Alex in die Arme. Wir stehen am Flughafen, inmitten der vielen Menschen, die alle ihr entsprechendes Gate suchen. Clair nimmt mich auch in den Arm. „Benutz' mein Geschenk", kichert sie und ich laufe knallrot an. Ich lächle nur. Unsicher sehe ich zu Edward, der desinteressiert an einem Pfosten lehnt und seine Cap tief ins Gesicht gezogen hat. Die Sicherheitsleute beäugen ihn schon aufmerksam. Selbst die ein oder andere Frau riskiert einen Blick unter die Cap. Langsam gehe ich auf ihn zu und sehe zu ihm auf. Er jedoch lässt seinen Blick nur durch den Flughafen gleiten. „Ich gehe jetzt, Eddie." Sofort liegt sein Blick wieder auf mir und er löst seine ineinander verschränkten Arme. Er nickt. „Viel Spaß, Kleine", äfft er Alex nach. Seine Ausstrahlung verdeutlicht mir, dass er nicht darauf erpicht ist, mich zu umarmen. „O-Okay", betrübt schaue ich auf den Boden und schultere meinen Rucksack, ehe ich in Richtung meines Gates laufe. Ist er sauer? Habe... Habe ich wieder was falsch gemacht? Ich kann ihn doch nicht so zurücklassen. Kurz drehe ich mich um und sehe, wie die drei schon langsam wieder zurücklaufen. Wie von selbst beginnen meine Beine zu rennen. Es passiert ganz automatisch. „Edward!", rufe ich und einige Menschen drehen sich neugierig zu mir, so auch die angesprochene Person. Fragend dreht er sich um, doch da springe ich auch schon an ihm hoch und schlinge meine Arme und Beine fest um ihn. So fest, als würde ich ihn nie wieder gehen lassen wollen. „Ellie...", brummt er. „Ich werde dich so schrecklich vermissen", murmele ich an seinen Hals. Dann endlich, schlingt auch er seine Arme fest um mich und vergräbt sein Gesicht in meinen Haaren. „Bring dich bitte nicht in Gefahr und wenn dir einer zu nahe kommt, weißt du ja, was du machen sollst." Belustigt denke ich an die Stunden zurück, als er mir einige Verteidigungstechniken gezeigt hat. Kräftig nicke ich. Ich fühle, wie er noch einmal tief meinen Duft in sich einsaugt, was ich ihm gleichtue, ehe ich langsam von ihm runter gleite. Mit seinen starken Händen nimmt er mein errötetes Gesicht in die Hände und haucht einen zarten Kuss auf meine Wange. „Mach keinen Unsinn." Ich löse mich strahlend von ihm. „Ja! Hab dich lieb", ich winke, ehe ich vor Freude hüpfend zum Gate gehe.
Bis bald, Edward. Mögest du mir meine Feigheit verzeihen, dir nicht gesagt zu haben, was ich wirklich für dich empfinde. Mein Held.

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