K A P I T E L 18

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E d w a r d

„Es ist lange her, Mr. Jonas.", grüßt mich Dr. Evelyn Monroe freundlich. Ich nicke jedoch nur, als ich es mir auf der Couch bequem mache. Es ist mittlerweile eine Woche her, als ich im Krankenhaus gelegen habe. Jeden Tag ist jemand vorbei gekommen, um sich bei mir für meinen Heldenmut zu bedanken.
Ist es falsch, es zu hassen?
Immerzu werde ich angesprochen und in der Stadt bin ich nur noch als der ‚Retter' bekannt. Ich bin kein Held, kein Retter, kein Irgendwas. Es ist doch selbstverständlich oder nicht? Die Kinder haben meine Hilfe gebraucht und ich bin froh gewesen, dass ich gewusst habe, was zu tun ist. Eigentlich bin ich viel eher enttäuscht, dass trotzdem Kinder gestorben sind. Wegen diesen ist seitdem ein grauer Schleier über der Stadt. Die Schule ist für den Rest des Schuljahres geschlossen. Ellie hätte eh nur noch vier Wochen zur Schule gehen müssen, bevor die Sommerferien begonnen hätten. Seit dem Ereignis ist sie so still und redet kaum noch. Natürlich verstehe ich das, sie ist traumatisiert. Ich würde mir nur wünschen, ihr helfen zu können, doch ich bin in sowas noch nie sonderlich gut gewesen. Früher hat ihr eine einfache Umarmung gereicht und sie hat wieder wie die Sonne selbst gestrahlt, aber jetzt? Ich bin so lange fort gewesen. Ich weiß nicht, was ich in der Zeit verpasst habe. Es ist nie mein Plan gewesen, so lange weg zu bleiben, jedenfalls nicht durchgängig. Der Schmerz hat mich schon nach dem ersten Monat beinahe aufgefressen. Nicht zu wissen, wie es ihr geht. Alleine die Vorstellung, jemand könne ihr was antun, hat mich damals in den Wahnsinn getrieben. Ich habe mich schon immer um sie gesorgt, denn sie ist das Wichtigste in meinem Leben. Und genau aus diesem Grund bin ich nun hier. Seit unseres ersten Gesprächs bin ich nicht mehr bei dem Doktor gewesen. Eigentlich habe ich auch nie vorgehabt hier wieder her zu kommen. Es ist nicht gerade meine Stärke mit anderen über meine Probleme zu reden. Die Albträume bekomme ich selber in den Griff und der Ausrutscher mit Ellie... ist einmalig gewesen. Niemals würde ich ihr absichtlich wehtun. Niemals!
Ellie ist ab und zu hier gewesen, doch sie redet nicht darüber. Soviel ich weiß, ist sie aber seit dem Amoklauf nicht mehr hergekommen, gerade jetzt, wo sie es wahrscheinlich am meisten bräuchte. „Ich komme gleich zur Sache", fange ich das Gespräch an und sehe ihr zu, wie sie sich geschmeidig auf dem Sessel mir gegenüber niederlässt. „Ich bin hier wegen Ellie." Verwirrt rückt sie ihre Brille zurecht und schlägt ihre beiden Beine übereinander. „Sie haben sicher davon gehört, was letzte Woche vorgefallen ist..."
„Ja, man sagt, Sie sind ein Held. Was sie getan haben, hat vielen Kindern das Leben gerettet." „Ich bin kein HELD!", brülle ich, als es mir einfach reicht. Erschöpft fahre ich mir über die Augen, als ich ihr erschrockenes Gesicht sehe. „Ich bin kein Held...", seufze ich. „Sie reagieren sehr aggressiv auf das Thema... Wieso ist das so?" Genervt sehe ich zu ihr. „Ich werde mit Ihnen nicht über meine Probleme
reden." „Aber das ist mein Job." Intensiv sehe ich ihr in die Augen und verschränke meine Arme vor der Brust. Jetzt wird es mir klar. Da ist das bekannte Glänzen. Versteckt schmunzelnd setze ich mich aufrecht hin. „Nun, Doktor. Was denken Sie denn?", lasziv lecke ich mir über meine Unterlippe und sehe sie hart schlucken. Wieso sind sie nur alle immer gleich. Sie räuspert sich und klammert sich an ihr Klemmbrett fest. „Sie sind ein gebrochener Mann."
Für eine Millisekunde, sodass sie es nicht merkt, entgleiten mir jegliche Gesichtszüge. Sie hat Recht, jedoch ist das ein Geheimnis, was ich versuche mit allen Mitteln zu verstecken. Eins von vielen. „Sie waren zwei Jahre im Krieg. Ich habe mich erkundigt, Sie reden nie über diese Zeit. Ihre Narbe im Gesicht jedoch spricht Bände. Ihr Gang ist aufrecht, stolz, spricht für einen hohen Rang, jedoch nicht zu hoch, denn sie sind keiner, der sich gerne bei Vorgesetzten einschleimt, um die Karriereleiter hoch zu klettern. Und im Gegensatz zu Ihnen selbst, denke ich, dass Sie sehr wohl ein Held sind. Sie sind wahrscheinlich bereits gebrochen in die Armee gegangen. Und... mir ist sehr wohl bewusst, dass ihr Herz bereits verloren ist und hoffnungslos gebunden", nun ist mein verschmitztes Lächeln verschwunden und ich beiße angespannt meine Kiefer zusammen. „Wir wissen beide, über wen ich rede, nicht wahr?", nun lächelt sie siegessicher.
Was für eine Hexe. Aber sie ist gut, muss ich leider zugeben. Wie kann sie das alles nur durch ein Treffen herausgefunden haben? Es ist keine gute Idee gewesen, das Treffen zusammen mit Ellie zu machen. „Ich weiß, dass Ihre... dass Ellie schon eine Weile nicht mehr hier war. Sie wollen mich um Rat fragen, was sie machen können. Nach dem was letzte Woche geschehen ist, ist es keine Überraschung, dass sie traumatisiert ist." Gleichgültig sehe ich in ihr Gesicht. Ich hätte hier nicht herkommen sollen. Langsam steht sie von ihrem Stuhl auf und kommt auf mich zu. Jeden ihrer Schritte verfolge ich aufmerksam und konzentriert. Geschmeidig lässt sie sich nah neben mir nieder. „Sie braucht Nähe. Sie muss wissen, dass jemand für sie da ist. Sie braucht vor allem Liebe. Doch wir wissen beide, dass du ihr diese Art von Liebe nicht geben kannst." Angespannt sehe ich zur Seite, in ihre Augen, die nur so Funken versprühen. Und plötzlich ist da eine Hand auf meinem Oberschenkel. „Und du brauchst diese Zuneigung auch, nicht wahr? Wie lange hast du schon drauf verzichtet, einen anderen warmen, nackten Körper an deinem zu spüren?" Mein Gesicht bleibt monoton, denn ob man es glaubt oder nicht, diese wirklich hübsche Frau neben mir erregt mich kein bisschen. Es ist nicht so, dass ich noch nie Sex gehabt habe, jedoch habe ich es bisher noch nie wirklich genossen. Andere Frauen erregen mich nicht. Das ist schon immer so gewesen. Mag sein, dass es krank ist, doch ich kann es nicht kontrollieren. Zu oft habe ich es versucht, doch ich bin ihr komplett verfallen. Mit jeder Faser meines Körpers. Ihre Hand wandert hoch, bis sie in meinen Schritt packt. Meine Mimik bleibt dieselbe. Vollkommen gleichgültig sehe ich sie an. Verwirrt sieht sie auf.
„Es... Es erreg-" „Nein", unterbreche ich sie schlicht. Sie rückt näher und nimmt mein Kinn zwischen ihre Finger. „Dann... Dann denk an sie." Schnaufend schüttle ich mit dem Kopf. „Es ist nicht gerade professionell, was Sie hier tun." Sehnsüchtig starrt sie auf meine Lippen. „Nein. Aber ich vermute, dass du auch nie wiedergekommen wärst, wenn nicht wegen ihr." Stimmt. „Ich... Ich kann dir helfen. Wenn du mich lässt." „Du wirst niemals der Grund sein, der mich erregt", ernst sehe ich sie an, denn so ist es auch schon früher gewesen und immer hat es damit geendet, dass sie sich trotzdem in mich verliebt haben, ich jedoch nie. Warum denken Frauen nur immer, sie könnten uns ändern? Ich wurde schon vor langer Zeit verflucht. Verflucht nach jemanden zu verlangen, jemanden so innig und bedingungslos zu lieben, dass jeder Atemzug ein Kampf ist. „Das muss dir klar sein." Hektisch nickt sie und presst willig ihre roten Lippen auf meine. Und genau in dem Moment wurde mir klar, dass auch sie meiner dunklen, verkommenen Seele verfallen ist. Vor mir geht sie auf die Knie und öffnet meinen Gürtel. Schon vor langer Zeit habe ich aufgehört, mich für die Gedanken, die mich heimsuchen, zu hassen. Denn ich habe mich damit abgefunden, dass mich alleine nur der Gedanke an sie erregt. Ob sie das nun vor mir ist oder nicht. Es spielt keine Rolle. Schon viel zu oft habe ich mir dies hier vorgestellt, dass es für mich ein Kinderspiel ist, sie vor mir zu sehen. Ihr Lächeln, was selbst den härtesten Eisberg zum Schmelzen bringt. Ihre dunklen lockigen Haare, die sich um ihr perfektes Gesicht bauschen und mich damit in den Wahnsinn treiben. Sekunden später spüre ich ihre Lippen um meinen Schwanz. Fest kralle ich meine Hände in ihr Haar. Diese Frau vor mir bedeutet mir nichts. Das hat bisher keine von ihnen. Viele würden mich jetzt ein Arschloch nennen.
Aber nein, ich bin viel schlimmer.
Genießerisch lege ich den Kopf in den Nacken und denke an sie. Nur an sie.
Oh gottverdammte Scheiße.

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