K A P I T E L 48

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E l i z a b e t h

„Was?", überfordert sehe ich in Mr. Owens Gesicht. „Ihr Bruder Edward, wo ist er!" „Äh... In der Sporthalle oder in seinem Büro", sage ich und es hört sich eher wie eine Frage an. „Dort ist er nicht, sein Auto steht jedoch noch da." „W-Was ist denn überhaupt los?", verwirrt sehe ich auf die Männer hinter ihm, die Mr. Owens jetzt wegdrücken. „Sie kommen jetzt mit", fordert der eine und nimmt meinen Rucksack, in den er alles wirft, was auf meinem Tisch liegt. Ein anderer packt mich am Arm und zieht mich hoch.
Was ist hier los?

~

Nervlich am Ende sitze ich schon Stunden in diesem kleinen Raum mit einem Tisch vor mir und einem verspiegelten Fenster. Ein Verhörraum? Ein etwas pummeliger Mann mit einem freundlichen Blick hat mir einen Kakao gebracht, den ich bis jetzt jedoch nicht angerührt habe. Ich weiß nicht, wo wir uns befinden, ich weiß nicht, was los ist und ich habe Angst. Nicht um mich, ich habe Angst um Ed. Wo ist er, warum suchen ihn diese Männer und wieso sind hier alle so hektisch? Wenn ich schätzen würde, würde ich sagen, dass ich mich in einem Gebäude der Polizei befinde, doch die Beamten draußen haben fast nur Anzüge getragen. Ich will zu Edward.
Müde fahre ich mir übers Gesicht. Wie spät ist es?
Plötzlich wird die Tür aufgerissen. Ein großer Mann mit einer Akte in der Hand betritt den Raum. „Hallo. Spezial Agent Adams", stellt er sich vor und reicht mir die Hand, die ich schüchtern schüttle, ehe er sich mir gegenüber hinsetzt. „Sie befinden sich beim FBI und können jederzeit gehen. Sie werden hier nicht festgehalten. Ich will Ihnen lediglich ein paar Fragen stellen. Ist das in Ordnung für Sie?" Unsicher betrachte ich den Mann vor mir. Er ist noch nicht sehr alt, hat strenge Gesichtszüge, sein Blick ist klar und fokussiert, und sein Haar rabenschwarz. Seine Augen machen mir beinahe Angst. Dieser Mann versteht keinen Spaß. „I- Ich... warum bin ich hier?" Er mustert mich lange, ehe er viele Fotos von Männern aus der Akte auf den Tisch vor mich hinlegt. „Kennen Sie diese Männer?" Aufmerksam sehe ich sie mir an. Sie sind älter, tragen Anzüge, sehen streng aus. „N-Nein", antworte ich. „Das ist ein Bruchteil von den Männern, die im letzten halben Jahr verschwunden sind und tot aufgefunden wurden", hart schlucke ich. „Es gibt noch viele weitere."
„Ich verstehe nicht..." Zwei neue Bilder folgen und diese zwei kommen mir sehr wohl bekannt vor. „Und was ist mit diesen?" „Ich... sie waren bei uns zu Hause", erzähle ich ihm. Er legt ein weiteres Bild hinzu, das die Agentin von vor ein paar Tagen zeigt. Sie ist tot und wirklich schrecklich zugerichtet. Schnell wende ich den Blick ab. „Zwei unserer Agenten, die wenige Tage, nachdem sie Ihrem Bruder einen Besuch abgestattet haben, verschwunden sind. Nur die Frau wurde gefunden und der Mann lebt vielleicht noch", brummt er kalt. Er räumt den Tisch wieder leer und lässt nur das Bild des Agenten vor mir liegen. „Wo ist Ihr Bruder?!", knurrt der Mann und ich zucke zusammen. Er hat nun das bestätig, was ich schon befürchtete. „Er hat damit nichts zu tun", versichere ich ihm. „Glauben Sie das wirklich?", lacht er. „Edward ist ein guter Mensch!" Der Mann presst seine Kiefer zusammen. „Ich denke, dass Sie keine Ahnung haben, wer Ihr Bruder eigentlich wirklich ist." Er zieht eine rote Akte unter dem Tisch hervor, auf der eine Zahl steht. 09... Er öffnet die dicke Akte und ich sehe, wie das meiste darin geschwärzt ist. Ein Bild hängt dort. Darauf erkenne ich Edward und sein Team. Das gleiche Foto, das ich mal in dieser Vitrine gesehen habe. „Nummer 09. Ausbildung, unbekannt. Genehmigte Tötungen, 64. Tötungen, unbekannt. Anzahl an Missionen, unbekannt. Familienstatus, drei Geschwister; Adoptiveltern, verstorben. Biologische Eltern, ermordet", entsetzt sehe ich den Mann an. Sie sind ermordet worden? Das habe ich nicht gewusst. „Wussten Sie, dass Ihr Bruder damals den ganzen Mord mit ansehen musste?" Er war zwei! Es ist unmöglich, dass er sich daran erinnern kann. „Oh, er kann sich erinnern. Wussten Sie, dass er ein fotographisches Gedächtnis hat?" Was!? Niemals! Das hätte ich doch mitbekommen. Das ist nicht Edward. „Er führte ein Leben außerhalb von Ihnen und Ihren Geschwistern. Sie hatten keine Ahnung, dass er ein Killer für unsere Regierung war, oder?", er grinst. Meine ganze Welt stürzt in sich zusammen. „Es hat wirklich viel gekostet an diese Akte zu kommen und eigentlich dürfen Sie darüber nichts erfahren, doch Sie sollten der Tatsache ins Auge sehen, dass Ihr Bruder nicht der ist, für den Sie ihn halten." „Sie lügen!" Heftig schüttle ich mit dem Kopf. Nein. Das kann nicht wahr sein. Nein. Edward ist gut! Er ist liebenswert, ein Beschützer, ein Held. „Er ist ein Held." „Sowas nennt man Täuschung." Tränen laufen mir übers Gesicht. „Man hat seine DNA an zwei Tatorten gefunden. Es ist vorbei. Helfen Sie uns, ihn zu finden und den Agent zu retten."
Bilder, wie ich ihn mit blutverschmierter Kleidung erwischt habe und den Waffen, kommen mir in den Kopf. Ich habe das alles so gut verdrängt, weil ich ihn liebe und niemals an ihm zweifeln würde. Doch etwas in mir sagt, dass dieser Mann nicht lügt. „Er war nie auf dem Collage...", hauche ich erkennend. „Oh nein. Sie haben ihn zu einer Killermaschine gemacht. Eiskalt und ohne jegliche Liebe in sich. Nicht einmal für seine Geschwister." Wie kann er sowas sagen? Edward liebt uns! Das tut er! Ja, ganz sicher! Er würde nie etwas tun, was uns schadet, aber warum hat er dann all diese Menschen getötet? Der Mann vor mir schiebt mir ein anderes Bild auf den Tisch. „Viktor Petrov und sein Bruder Dimitri Petrov. Russische Mafia. Waffen- und Drogenhändler der ganz üblen Sorte. Wussten Sie, dass Ihr Bruder für sie arbeitet? Und es ist bestimmt auch nur ein Zufall, dass seit ein paar Tagen, seine Männer sterben wie die Fliegen", sagt er sarkastisch zum Ende hin. „Was?!" Jetzt auch noch Mafia? Mein Schädel dröhnt und ich weiß einfach nicht weiter „Sind Sie sicher, dass das alles nicht ein riesiges Missverständnis ist?" „Nein. Ihr Bruder ist der Mörder vieler Menschen. Sie sollten anfangen zu akzeptieren, dass Ihr Bruder ein schlechter Mensch ist." Unzählige Tränen laufen mir über das Gesicht. „Nein, er würde nie...", schluchze ich. Die Tür wird geöffnet und eine Frau betritt den Raum. „Ihr Bruder ist hier." Edward?! Hoffnungsvoll sehe ich nach draußen, doch erblicke nur Alex, wie er mit einem Beamten heftig diskutiert und Clair auf einem Stuhl sitzt, schneeweiß. Das alles ist kein Traum.
Es passiert wirklich.

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