K A P I T E L 54

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Song Empfehlung:
The Night We Met von Lord Huron

E l i z a b e t h

Schmerz. Einfach, simpel und klar. Es ist der Schmerz in meinem Herzen. Der Schmerz in mir, der mir die Luft zum Atmen raubt. Mir zeigt, dass ich noch immer echt bin und das alles kein Traum ist. Dieser alles einehmende, elementare Schmerz, der mich von innen heraus tötet. Ich lebe nicht mehr. Nicht mehr, wie noch vor ein paar Monaten, als er noch bei mir gewesen ist. Aber ich kämpfe. Ich kämpfe um mich. Um mein Leben, um mein Glück und die Liebe meines Lebens. Als Edward ging, nahm er mein Herz mit sich. Er hat es mir aus der Brust gerissen und noch immer fühle ich mich als würde ich bluten. Und jeder Tropfen, der aus meinen Adern rinnt, ist nur für ihn. Sie suchen den Weg wieder zu ihm, doch ich weiß nicht wo er ist, wo mein Herz ist. Also erleide ich innerliche Qualen. Es sind diese Qualen, die kein Arzt der Welt therapieren könnte, da sie sich wie ein schwarzer Schleier um unsere Seele legen und bis ans Ende unseres Lebens in uns verweilen. Ich glaube an die Geschichte der Kugelmenschen, weil ich mir sicher bin, in Edward meine zweite Hälfte gefunden zu haben. Wie sonst könnte ich mir erklären, mich nur mit ihm vollständig zu fühlen. Er ist der Teil meiner Seele, der mir Vollkommenheit beschert. Ohne ihn zu leben, ist kein Leben. Es ist... es ist ein großes Nichts aus Zellen, Gewebe und Menschsein. Das hat nichts damit zu tun zu leben. Die Welt ist grau, so grau, wie sie noch nie zuvor gewesen ist und zu wissen, dass sie niemals wieder in diesen Farben strahlen wird, lässt mich stumm laut aufschreien. Es ist, als würde ich jeden Abend zusammenbrechen und schreien, in der Hoffnung er hört es und kehrt wieder nach Hause. Ich will doch nur, dass er bei mir ist, ich will doch nur seine Haut auf meiner spüren. Seine Liebe mir gegenüber sehen und ihn einfach bei mir wissen. Er ist doch mein Held. Meine Unendlichkeit voller Glück und Freude. Er ist alles, alles was ich je wollte und was ich jemals brauchen werde.
Monate. Monate, die ich bereits ohne ihn verbracht habe. Kein Lebenszeichen, kein gar nichts. Es ist, als wäre er nie da gewesen. Würde mich doch nicht an jeder Ecke eine Erinnerung von ihm überrollen und mich mit ihr reißen.
Meinen Abschluss habe ich ohne ihn an meiner Seite gemacht. Ich habe diesen Abschnitt ohne ihn beendet, was mich beinahe erneut in Tränen ausbrechen lässt. Wie hat er mich nur verlassen können?
Beschützen? Er hat mich dadurch beschützen wollen?! Ich leide. Ich leide jeden Tag. Jede Stunde. Jede gottverdammte Sekunde ohne ihn. Und deshalb suche ich nach ihm. Ich suche ihn einfach überall und das schon seit Wochen. Auch nur der Gedanke ihn nie wieder zu sehen, ertrage ich nicht. Nein! Ich akzeptiere es nicht! Unser Leben hatte seine guten und definitiv schlechten Momente, doch in jedem guten ist er dabei gewesen. Und das werde, kann ich nicht aufgeben! Meine Zuneigung zu ihm kann man nicht einmal in einem einfachen ‚Ich liebe ihn' beschreiben. Auch, wenn es Jahre dauern wird, ich werde ihn finden, ihm eine scheuern und dann lieben. Lieben für immer. Bis er grau und alt ist, denn anders werde ich mein Leben nicht führen wollen.

Nach unendlich langen Wochen und Nächten, in denen ich kaum geschlafen habe und der Hilfe meiner Geschwister, die mein Leiden nicht mehr mitansehen konnten, habe ich endlich einen Ort, an dem er sein könnte. Eine Möglichkeit. Ein Ziel. Eine Hoffnung.
Bitte Edward, sei dort.

E d w a r d

Seufzend lehne ich mich auf meine Beine und betrachte den Sonnenuntergang, während ich immer wieder an meinem Bier nippe. Es ist heiß, penetrant heiß. Selbst für diese Jahreszeit und diese Uhrzeit. Mein luftiges Hemd flattert um meinen gebräunten Körper. Ich wünschte, ich könnte das alles hier genießen. Ich wünschte, ich könnte sagen, ich habe die richtige Entscheidung getroffen. Ich hätte es nur für sie getan, damit sie in Sicherheit und glücklich ist. Doch ich kann es nicht. Alles ist so taub und ohne jegliches Gefühl. Es fühlt sich an, als hätte man mir das wichtigste zum Leben genommen, und doch versagt mein Herz nicht und schlägt trotzdem stetig weiter in meiner Brust. Unweigerlich frage ich mich, ob ich mir dieses Herzschlagen nicht nur einbilde, weil ich mich sonst tot fühle. Nicht echt. Als würde ich nur träumen und doch nie aufwachen. Vielleicht liege ich im Koma? Immer wieder zwicke ich mir in den Arm, um mir sicher zu sein, nicht zu träumen oder gar zu halluzinieren. Würde ich diese Halluzination überhaupt bemerken? Ich weiß es nicht. Vielleicht ist das jetzt mein Schicksal. Ein Schicksal voller Leid und Einsamkeit. Schnaubend blicke ich auf die kleine Holzhütte hinter mir, die ich mein Eigen nennen darf. Mit den Palmen drumherum und dem klaren blauen Meer direkt vor mir, wirkt das ganze beinahe idyllisch und friedlich. Könnte ich das ganze doch nur mit jemanden teilen. Jemanden... Mit ihr, natürlich. Ich stehe auf und vergrabe meine Hände in meinen kurzen Shorts. Es ist ein gutes Gefühl den Sand zwischen den Zehen zu fühlen, als ich loslaufe. Besser als ich es verdient hätte. Von allen Orten auf der Welt haben sie mich nach Hawaii geschickt. Es hätte mich definitiv schlimmer treffen können, doch kann ich dies alles nicht genießen. Nicht so wie ich es will. Und wahrscheinlich werde ich das nie können.
„Ein Bier", bestelle ich bei Tanja an ihrer kleinen Strandbar und lasse mich auf den Hocker plumpsen. „Hey Süßer, wie war dein Tag?", fragt sie mich, während sie das kühle Bier vor mich hinstellt. Mein drittes heute. Ich halte mich zurück. Ellie's Stimme in meinem Kopf verlangt es. Ich schnaufe nur abfällig. „Da ist ja unser Grummelwolf", lacht Carl, Tanja's Mann. Ein wirklich netter Kerl, mit dem ich mich in den letzten Monaten gut angefreundet habe. „Witzig", brumme ich und verdrehe die Augen. „Hey Leute!", begrüßt uns Liam. Ein kleiner Aufreißer, aber trotzdem ein netter Kerl. Er ist über beide Ohren in Sarah verliebt, die sich jetzt seufzend neben mich hinsetzt. „Einen Doppelten", bestellt sie. „Rot steht dir Sarah", flirtet Liam und wackelt spielerisch mit den Augenbrauen. „Kein Interesse, Liam." „Du würdest mich in deinem Bett vermissen!", versichert er ihr und sie schaut mich flehend an. „Liam", knurre ich warnend. Sofort hebt er beschwichtigend die Hände. Liam ist ein korrekter Kerl, nur weiß er nie, wann Schluss ist. Einmal hat er mir unterstellt, ich hätte was mit Sarah und wollte mich betrunken zu einem Kampf überreden. Am Ende habe ich ihn dann nach Hause tragen müssen. Sarah ist wirklich nett, doch selbstverständlich habe ich kein Interesse und sie meines Wissens auch nicht. Wir verstehen uns einfach gut und machen so unsere Späße. Sie ist ein wenig ruppig, was bei Frauen eher selten der Fall ist, vielleicht ist das der Grund, warum ich mich so gut mit ihr verstehe. Um ehrlich zu sein, verstehe ich mich mit allen sehr gut und eigentlich habe ich es nicht verdient, so gute Freunde gefunden zu haben. Nicht nach all dem. Eine Weile lachen wir zusammen und reißen unsere Witze, manchmal machen wir uns auch über Liam lustig. Natürlich meinen wir das nicht ernst, doch wir holen ihn immer von seinem hohen Ross runter. „... so ist unser guter Liam", lacht Carl und drückt den grummelnden Liam die Schulter, während wir alle lachen. „Dich starrt jemand an", flüstert Tanja und deutet hinter mich. Genervt stöhne ich auf. Das kommt hier leider öfter vor, als ich will. „Sie ist süß", meint Sarah, als sie sich umgedreht hat. „Mir egal", murre ich und nippe an meinem Bier. „Komm schon, ein bisschen Gesellschaft würde dir guttun", meint Tanja. „Ich habe euch." „Du weiß, was ich meine", genervt rollt sie mit den Augen, während sie für einen Kunden ein Getränk mixt. „Sie ist heiß", meint Liam und Carl pflichtet ihm bei, was ihm einen strengen Blick von Tanja beschert. „Sorry Baby, an dich kommt keiner ran", murmelt er beschwichtigend. Schwach lächelnd beobachte ich die beiden, wie sie sich versöhnlich küssen. Ich vermisse sie. Fuck.
„Oho!! Sie kommt auf dich zu." Wenig begeistert drehe ich mich um und rolle mit den Augen. „Ich habe keinerlei Inte-", will ich sagen, als ich plötzlich eine heftige Backpfeife kassiere und sofort danach weiche Lippen auf meinen spüre.

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