Pyrit

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Kyungsoo hatte mich erst kürzlich gefragt ob mir das Ausmaß dessen bewusst war, was mein Vater erreicht hatte und ob ich mir vorstellen konnte, was sich von nun an für uns ändern würde. Um ehrlich zu sein, hatte ich nicht erwartet das sich tatsächlich etwas verändern würde und ganz gewiss nicht so viel. Vielleicht war es naiv von mir zu glauben, dass wir einfach ganz normal weiterleben würden.
 Zwei Tage nach der freudigen Nachricht, erschien das erste Interview mit meinem Vater im Fernsehen. Er wurde interviewt von einer Frau mit langen braun gefärbten Haaren, die sichtlich nicht große Ahnung hatte, was sie meinen Dad eigentlich fragte. Ihre Chefs, irgendwelche Nerds die für einen Wissenschaftskanal arbeiteten, hatten ihr die Fragen aufgeschrieben und gebetet sie möge die Fachbegriffe auch authentisch rüber bringen ( als ob ). Begleitet wurde die Frau von einem einzigen Mann mit einer kleinen Nikon-Kamera die zwar schön zum Ansehen war, aber wirklich unterste Abteilung fürs Fernsehen war. ‚Da habe ich Leute im Urlaub schon mit besseren Kameras rumlaufen sehen‘, hatte Dad lachend berichtet. Nichtsdestotrotz waren wir drei unglaublich aufgeregt gewesen, als das Interview schließlich um drei Uhr morgens auf irgendeinem Kanal gesendet wurde, den wir noch nicht einmal besaßen. Also konnte man eigentlich sagen, dass wir nicht wirklich ein Interview im Fernseher gesehen hatten, sondern eher eine Live-Übertragung am PC. Wir klatschten einander ab,  als Dad galant alle Fragen der Frau beantwortete, während sie immerzu nickte, jedoch nie wirklich etwas dazu beisteuerte, weil sie ja nicht wirklich Ahnung hatte, um was es denn eigentlich ging.
 Letztlich war es jedoch verschwendete Müh sich das schlechte Interview am PC anzusehen, denn nur einen Tag darauf wurde Dad auch schon für hundert andere Interviews angefragt. Und dieses Mal waren Kanäle dabei die wir nicht nur da hatten, sondern die ich für gewöhnlich sogar recht gerne ansah.
 Mit den Interviews kamen der Ruhm und die Prestige und irgendwann zwischen Erfolge und Prestige, erhielt Dad seinen ersten Gehaltscheck ausgestellt. Mom verschluckte sich kräftig an einem Atemzug reinster Luft, als die Zahlen ihr entgegen strahlten. Vernünftig wie meine Eltern waren, kam der gesamte Scheck natürlich auf die Bank, er sollte mir ein gutes Studium finanzieren und für schlechtere Zeiten aufkommen müssen.
 Doch von schlechten Zeiten konnte überhaupt nicht die Rede sein. So eine Erfindung wie die meines Vaters, war kein Gegenstand den man einmal verkaufte und dann dafür Geld kassierte, nein es war viel eher eine Idee und jeder Mensch der sich diese Idee jetzt zu nutzen machen wollte, also selbst eine Super-Batterie bauen wollte, musste Geld an den Urheber zahlen – meinen Vater. Die Summe die dabei entstand, erst wenige Wochen nach der Bekanntgabe das es nun eine Möglichkeit gab, große Mengen von, zum Beispiel, Solarenergie zu bündeln und zu transportieren war unfassbar, denn unendlich viele Unternehmen waren sofort scharf darauf von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Mehr oder weniger, war meine Familie über Nacht zu Millionären geworden. Das Geld floss von allen Seiten auf uns ein. Dad gewann einige gut bezahlte Wissenschaftspreise oder hielt Seminare und Kurse vor wichtigen Wissenschaftlern der Welt, er war überall und Mom und ich zu Anfang noch treu an seiner Seite.
 Ein Monat verging auf diese Art, ehe der erste Hype endlich abebbte. Nachdem genug Zeitungsartikel geschrieben und reichlich Fernsehshows besucht waren, hatten wir endlich mal wieder ein Wochenende Luft.
 „Ich finde wir sollten ein wenig Urlaub machen“, schlug Dad erschöpft vor, als er sich auf dem Wohnzimmer Sofa fallen ließ. „Irgendwohin wo es warm und sonnig ist.“
 „Träum weiter alter Mann“, lachte ich und setzte mich auf den Boden vor dem Sofa, den Kopf lehnte ich zurück.
 „Nein ich meine es ernst. Wir könnten wirklich für ein wenig verreisen – zumindest für das Wochenende, damit du wieder pünktlich zur Schule gehen kann.“
 „Yeobo das lohnt sich dann doch gar nicht und es wäre viel zu teuer“, erinnerte meine Mutter sanft und gähnte ermüdet.
 Dad hielt kurz inne, dann lachte er. „Ich wollte dir gerade Recht geben, aber nein, ich denke nicht das wir uns um Geld Gedanken machen müssen, ich denke wir werden nie mehr auf etwas verzichten müssen, nur weil uns das Geld dafür fehlt.“  
  Damit kehrte Stille ein und vielleicht war das der Moment in dem ich verstand, dass Kyungsoo damals Recht gehabt hatte, das sich tatsächlich so einiges für uns ändern würde.
Als meine Mutter kurz darauf zu sagte und hoch rannte, um schon einmal die Koffer zu packen, suchte mein Vater sich aus dem Internet ein mögliches Reiseziel aus und buchte Flüge in der ersten Klasse. Wir verreisten noch in derselben Nacht und kamen am Samstagmorgen auf den Philippinen an. Wir blieben für eine ganze Woche und das Wort Schule wurde bewusst kein einziges Mal erwähnt.
 „Ich dachte schon du würdest niemals wiederkommen“, wurde ich vorwurfsvoll an einem Montagmorgen begrüßt. Ich saß bereits brav und bereit an meinem Platz und beobachtete wie meine Klassenkammeraden schleppend an trödelten. Ravi hatte sich auf mich gestürzt in der Sekunde in der er den Raum betreten hatte.
 „Sorry, ich hatte viel um die Ohren.“ Und das war gewiss nicht gelogen. Die letzten Wochen hatten meine Mutter und ich meinen Vater auf all seine Interviews und Abendveranstaltungen begleitet und dann auch noch der spontan eingeschobene Urlaub…dadurch hatte ich mir in letzter Zeit tatsächlich mehr Fehlzeiten erlaubt, als gut für mich war.
 „Das habe ich mitbekommen“, grinste Ravi und jede gespielte Boshaftigkeit verpuffte aus seinen Augen. „Herzlichen Glückwunsch Mann, dein alter Herr ist ein Retter der Menschheit.“
 Ich verdrehte die Augen, musste jedoch unweigerlich grinsen. „Er hatte ‘ne ziemlich gute Idee“, gab ich zu.
 „Aish, echt unfair. Kyungsoo nimmst du natürlich auf all deine schönen Reisen mit, aber deinen guten alten Freund lässt du hier in der Schule versauern, ich bin enttäuscht von dir Kim Jongin.“
 „Was?“
 „Kyungsoo, klein, dunkelhaarig, kann zuhauen wie ein Klitschko-“
 „Ja ich weiß wen du meinst“, unterbrach ich ihn lachend. Vor allem sein letzter Aspekt war ziemlich passend. „Ich versteh nur nicht was er mit der Sache zu tun hat.“
 Ravi hob überrascht eine Augenbraue an. „Er fehlt seit einer Woche. Ich dachte er wäre mit dir und deiner Familie mitgefahren.“
 Ich schüttelte den Kopf, etwas sprachlos um ehrlich zu sein.
 „Oh.“ Auch Ravi wirkte etwas aus dem Konzept gebracht. „Ich dachte nur weil, du weißt schon, Kyungsoo wird so gut wie nie krank und selbst wenn, dann geht er trotzdem zur Schule, und schwänzen ist so gar nicht sein Ding, und eure Familien verstehen sich doch do gut…“
 Noch während Ravi redete fing ich an, meine Sachen zurück in meinen Rucksack zu verstauen. Ravi hatte Recht, das war erschreckend untypisch für Kyungsoo. Eine gesamte Woche zu fehlen…so viel hatte er wohl in all den Jahren seit der Grundschule nicht verpasst. Ich geriet ins Stolpern als ein scharfer Gedanke mich eines besseren belehrte…
 Ich hatte bereits die Klassenzimmertür erreicht, als ich hart mit jemandem kollidierte und die andere Person nur mit Not auf den Beinen blieb. Ich blinzelte verwirrt, eine Entschuldigung auf den Lippen als das Wort mir im Hals stecken blieb.
 „Jongin“, äußerte das Objekt meiner Besorgnis und ich spürte meine Schultern hinunter sacken. Erst jetzt wurde mir bewusst was für eine Sorge in mir aufgekommen war.
 „Tut mir leid, ich hab dich nicht gesehen“, sagte ich automatisch und starrte Kyungsoo an, als könne ich nicht so recht glauben, dass er gerade wirklich vor mir stand.
 „Schon in Ordnung“, sein Blick fuhr meine Seite hinunter und blieb an meinem Rucksack hängen, den ich in Eile einfach gepackt und nicht angezogen hatte. „Willst du schon wieder gehen?“, fragte er und verschränkte mit strenger Miene die Arme vor der Brust.
 „Nein!“, antwortete ich lachend. „Auf keinen Fall.“
 Kyungsoo zuckte die Achseln und ging an mir vorbei, um sich an seinen Platz zu setzten. Sein Gang war unsicher und er schwankte etwas. Ich starrte ihm lange hinterher ohne mich zu bewegen.
 „Kyungsoo, wo bist du gewesen? Ich dachte schon du hättest das Land verlassen“, lachte Ravi und setzte sich auf meinen Stuhl.
 „Was redest du da, ich war doch immer hier“, murmelte Kyungsoo und warf mir einen scheuen Blick zu. Das brachte wieder etwas Leben in meine erstarrten Gliedmaßen.
 „Hä?“
 „Du solltest weniger in der Schule schlafen Ravi“, riet Kyungsoo und unser Freund nickte nur verwundert, bevor er meinen Stuhl wieder frei gab und sich an den leeren Doppeltisch hinter dem unseren setzte. Dabei kratzte er sich verwirrt am Hinterkopf.
 „Wie geht es dir?“, fragte ich, während ich mich gleichzeitig zurück in meinen Stuhl gleiten ließ.
 „Gut“, antwortete Kyungsoo und schlug sein Englischbuch auf. Er blätterte darin herum, bevor er eine bestimmte Seite erreicht hatte.
 „Okay?“ Ich fühlte mich etwas verunsichert, normalerweise war Kyungsoo nicht so…abwesend, so distanziert. Als hätte er meine Gedanken gehört, wandte der dunkelhaarige sich mir zu, ein breites Grinsen auf dem Gesicht.
 Das einzige was ich sah, waren die schwarzen Augenringe die sein schmales Gesicht noch so viel blasser machten.
 „Ich hab deinen Dad im Fernsehen gesehen, er schlägt sich großartig.“
 „Er gibt sein bestes“, bestätigte ich, während meine Augen sein Gesicht genauer analysierten. Er sah nicht gut aus, schrecklich ungesund um ehrlich zu sein.
 „Ich musste schrecklich lachen, als ich das erste Interview von vor einem Monat angesehen habe. Die Moderatorin hatte nicht die geringste Ahnung wovon er sprach.“ Kyungsoo lachte bei dem Gedanken.
 „Du hast es gesehen?“
 „Natürlich!“, bestätigte er aufgeregt.
 „Du bist extra bis um drei Uhr morgens wach geblieben um dir den Live-Stream am PC anzusehen?“
 Der dunkelhaarige schüttelte den Kopf. „ Wir haben den Kanal auf dem Fernseher, ich mag die Sendungen die dort ausgestrahlt werden.“
 Ich prustete los. „Hyung du klangst noch nie so sehr wie ein Streber wie in dieser Sekunde!“
 Kyungsoo drehte sich gespielt beleidigt von mir fort, doch das Zucken seiner Mundwinkel entlarvte ihn.  
 Bevor ich ihn weiter sticheln konnte, trat unser Mathelehrer in das Klassenzimmer ein. Die Klasse verstummte augenblicklich, weil mit diesem Lehrer im speziellen nicht gut Kirschenessen war.
 Heimlich klappte Kyungsoo das Englischbuch auf seinem Tisch wieder zu, er spähte zu mir herüber, um zu prüfen ob ich etwas bemerkt hatte. Ich tat so, als wäre es mir nicht aufgefallen.
„Es gibt da etwas…über das wir mit dir reden möchten“, begann meine Mutter vorsichtig ein paar wenige Tage später. So gut es eben ging, war wieder Normalität für mich eingekehrt. Mom und Dad sprangen zwar noch immer von einer Veranstaltung zur nächsten, aber mittlerweile wurde ich Zuhause beziehungsweise in der Schule gelassen, um nachzuholen was ich verpasst hatte. Jetzt jedoch spürte ich förmlich wie eine neue Veränderung sich anbahnte.
 „Was gibt‘s?“
 „Dein Vater und ich haben uns ein paar Dinge gut überlegt und möchten deine Meinung zu ihnen hören.“ Ich wartete geduldig ab, bis meine Mutter fort fuhr. „Wir sind seit längerem etwas unzufrieden mit unserem Wohnort, ich meine das Haus ist schön, etwas klein vielleicht, aber schön. Nichtsdestotrotz wäre es nett etwas näher an meiner Arbeit zu wohnen, und generell etwas zentraler, verstehst du?“ Ich nickte langsam. „Wir dachten also daran umzuziehen, ein neues, größeres Haus, eine neue Umgebung und einen Garten, du weißt ich habe mir schon immer einen Garten gewünscht.“
 „Das klingt schön und gut, aber wie willst du zentraler in Seoul leben und gleichzeitig einen Garten besitzen, das ist so gut wie unmöglich“, gab ich zu bedenken.
 „Tatsächlich hätten wir ein Haus sogar schon gefunden das unseren Erwartungen entsprechen würde. Wir wollten nur, dass du es dir zuerst ansiehst und uns sagst, ob es dir gefällt, bevor wir irgendeinen Vertrag unterzeichnen“, warf mein Vater ein und etwas überrascht zuckte ich die Achseln.
 „Ach so, na dann kein Problem. Ich seh’s mir gerne mal an.“
 Dad legte einen Schlüssel auf die Tischplatte zwischen uns. „Der Hauseigentümer hat uns einen Schlüssel gegeben um die nächsten Tage mal vorbei zu schauen. Du kannst morgen nach der Schule mal rein gehen.“
 „Geht in Ordnung.“ Ich hob den Schlüssel in meine Faust. „Und wo genau befindet sich das Häuschen mit Garten?“
 „In Gangnam.“
 Ich starrte ihn verblüfft an. „Meinst du das Reichen-Viertel Gangnam? Noch genauer: Dem reichsten Stadtteil in ganz Korea - Süd und Nord eingeschlossen?“
 Dad lächelte verschmitzt. „Es sagt dir offensichtlich was.“
 „Aber das ist viel zu weit von meiner Schule entfernt! Ich bräuchte mindestens eine halbe Stunde zu Fuß.“
 Mom und Dad warfen sich einen vielsagenden Blick zu. „Jongin….das ist die zweite Sache über die wir mit dir reden wollten. Es wäre vielleicht gar keine so schlechte Idee Yokseng Highschool zu verlassen, die Schule macht sich nicht wirklich gut in deinem Abschlusszeugnis.“
 „Aber meine Freunde!“, rief ich panisch aus. „Das kann doch nicht euer ernst sein.“
 Sie seufzten simultan, als hätten sie genau diese und keine andere Reaktion von mir erwartet. „Sieh dir zumindest einmal das Haus an, in Ordnung?“
 Ich nickte, auch wenn leise Alarmglocken in meinem Hinterkopf läuteten.
Als die Schulglocken am nächsten Nachmittag das Ende eines anstrengenden Tages verkündeten, hielt ich Kyungsoo am Arm fest und verlangte von ihm mir seine Hand entgegen zu strecken. Handfläche dabei nach oben gerichtet.
 Verwirrt kam er meiner Bitte nach und als ich den kleinen Schlüssel den mir Mom und Dad am Abend zuvor präsentiert hatten, fallen ließ, blickte er mich überrascht an. „Wofür ist der?“, fragte er und sah sich den kleinen Metallschlüssel genauer an.
 „Der Schlüssel zu meinem Herzen?“, spaßte ich und räusperte mich schnell, als Kyungsoo mir einen dunklen Blick zu warf. „Nein eigentlich, gehört er zu einem Haus. Meine Eltern haben ihn mir gestern gegeben damit ich es mir mal ansehe, hast du Lust mit zu kommen?“
 „Klar, wieso nicht“, erwiderte Kyungsoo gut gelaunt und gab mir den kleinen Gegenstand zurück.
 „Sehr gut.“
 Während wir die Schule verließen und uns Richtung Innenstadt aufmachten, musste ich unweigerlich daran denken wie eigenartig mir Kyungsoo noch am Anfang der Woche vorgekommen war, während er jetzt wieder vollkommen normal wirkte. Vielleicht hatte ich mir die beunruhigenden Anzeichen nur eingebildet, oder aber der Umstand mich längere Zeit nicht bei meinem Freund gemeldet zu haben, hatte uns ein wenig entfremdet. Ich versprach mir selbst, dass dies unter keinen Umständen jemals wieder geschehen würde.
 Unterwegs kauften wir uns etwas zu essen an einem  Straßenstand. Eine ältere Frau mit schütterem Haar, aber eleganten Gesichtszügen verkaufte an einem Stand Tornadokartoffeln, was nichts anderes war als eine einzelne Kartoffel, die spiralförmig geschnitten und um einen Holzspieß gewickelt frittiert wird, um wie eine riesige Schraube auszusehen. Mit ordentlich vielen Gewürzen bestäubt, hatte das ganze einen großartigen Geschmack.
 Ungeachtet jedes Protestes lud ich Kyungsoo ein, es sollte zumindest ein klitzekleines wieder gutmachen für den letzten Monat sein. Als wir beide fertig waren, mein Magen aber noch nicht ganz zufrieden, kaufte ich noch zwei hotteoks – bestehend aus Hefeteig, der mit braunem Zucker und Nüssen gefüllt in einem Ölbad frittiert wird und von denen ich wusste das Kyungsoo sie liebte. Er protestierte nicht eine Sekunde lang, als ich ihm die Teigware in die Hände drückte.
 Es war einer dieser perfekten Momente, in denen das Wetter nicht zu kalt, oder zu warm war, die Sonne bereits tief am Horizont stand und das Viertel sich langsam mit Leben füllte, während Kyungsoo und ich in entspannter Zweisamkeit einfach durch die Straße schlenderten. Vielleicht erging es nur mir so, aber solche Momente hatten in ihrer Einfachheit etwas unglaublich magisches.
 „Bist du dir sicher, dass wir hier richtig sind?“, fragte Kyungsoo irgendwann und wischte sich Hände und Mundwinkel mit einer Servierte ab, bevor er sie in einem nahen Mülleimer versenkte. Ich blickte erneut auf das kleine Blatt Papier das mir Dad gestern noch zu gesteckt hatte und auf dem die genaue Adresse des Hauses stand.
 „Ich denke schon?“
 „Na dann…“
 Ich konnte Kyungsoos Zweifel gut verstehen, denn desto länger wir geradeaus gingen, desto größer und protziger wurden auch die Häuser. Natürlich war es ziemlich schön anzusehen, aber auch ein wenig unangenehm, weil unsere schrecklich, hässliche Schuluniform vollkommen aus dem Bild fiel. Wir gehörten hier offensichtlich nicht rein.
 „Wir hätten uns erst umziehen gehen sollen“, meinte Kyungsoo in derselben Sekunde und ich musste unweigerlich grinsen.
 „Genau das gleiche habe ich auch gerade gedacht.“
 Irgendwann verlief rechts von uns plötzlich eine riesengroße Hecke die uns kilometerlang begleitete, bis sie schließlich in ein großes Tor mündete. Umrahmt von zwei Engelsstatuen.
 „Was zum Teufel?“, murmelte ich während ich nach oben späte.
 „Oh, das ist die Seongon“, äußerte Kyungsoo überrascht und deutet mit dem Finger auf eine Steingravur unter dem rechten Engel, auf dem der Schulname mit goldenen Lettern eingraviert war.
 „Das ist Seongon?“ Ich trat näher an das Tor heran, um zu erkennen was sich dahinter verbarg. In weiter Ferne erkannte ich ein großes Gebäude dessen Eingang von Säulen gestützt wurde. Es sah ein wenig wie ein griechischer Tempel aus, nur sehr viel neumodischer. Ein griechischer Tempel aus Glas vielleicht. „Das ist ja riesig.“
 „Da sitzt jemand“, stellte Kyungsoo fest nachdem er sich neben mich gestellt hatte, und ebenfalls durch die Torgitter spähte.
 „Wo?“
 „Dort hinten auf der Steinbank, siehst du es?“
 Neben dem ordentlich gepflasterten Ziegelstein Weg waren Bänke aufgestellt und auf der zweiten von rechts saß tatsächlich eine Gestalt mit überschlagenen Beinen und Gesicht in Richtung Westen, von wo die letzten Sonnenstrahlen her schienen.  
 „Glaubst du das ist ein Schüler?“
 „Sieht nicht so aus, als würde er eine Schuluniform tragen“, meinte Kyungsoo Achselzuckend und trat einen Schritt vom Tor ab.
 Als ich mich gerade ebenfalls abwenden wollte, bemerkte ich eine zweite Gestalt auf Gestalt Nummer Eins zu laufen. Dieses Mal erkannte ich deutlich die Schuluniform die so typisch für Seongon Schüler war. Sie galt als schönste Uniform Koreas.
 Die Hose der Jungen beziehungsweise der Rock der Mädchen hatte ein tiefes Burgunderrot, dazu trugen sie ein weißes Hemd/Bluse und einen stahlgrauen Blazer. Was für Schuhe sie dazu anziehen wollten, wurde ihnen, wie an den meisten Schulen, selbst überlassen.
 Ich beobachtet Gestalt 2 dabei wie er sich Person 1 näherte, bis er direkt über der beweglosen Gestalt auf der Bank, stand. Als ich zusehen musste, wie Gestalt 2 sich über Gestalt 1 lehnte, stolperte ich zurück.
 „Was ist los?“
 „Nichts“, antwortete ich schnell, ergriff Kyungsoos Handgelenk und zog ihn weiter. „Wir sollten uns beeilen, sonst finden wir das Haus niemals.“
 Ich ließ Kyungsoos Hand erst los, als wir schon zwei Straßen weiter waren. „Jongin! Weißt du überhaupt wo wir sind?“
 Ich blickte mich um, die Häuser waren noch eine Spur größer geworden, doch der genaue Umfang wurde von Meterhohen Hecken verborgen. Und nein. Ich wusste nicht wo wir uns gerade befanden. Ich zog den zerknitterten Zettel mit der Adresse aus meiner Hosentasche um mir den Straßennamen noch einmal deutlich zu machen. Etwas hilflos suchte ich dann nach irgendeiner Straßenbeschilderung, doch auch die wollte sich mir nicht zeigen. Genervt holte ich mein Handy aus der Hosentasche. Wo der Mensch versagte musste die Technik her.
 Während ich Google öffnete, nahm mir Kyungsoo den Adressenzettel aus der Hand und blickte sich selbst etwas um. Ich hatte noch nicht einmal genug Zeit gehabt die Adressen in die Suchmaschine einzugeben, als Kyungsoo meinen Namen rief und grinsend auf ein Schild, gen links zeigte. „Ich glaube wir sind fast da.“
 „Gott sei Dank“, murmelte ich, so dass nur ich es hören konnte und schloss zu Kyungsoo auf. „Was würde ich nur ohne dich tun?“
 „Dein mobiles Internet verschwenden“, antwortete er und gab die Führung an. „Also…Haus zwölf.“ Wir liefen noch eine Weile die Straße hinunter die Kyungsoo ausfindig gemacht hatte und er zählte leise die Hausnummern ab. Ich bemerkte erst drei Schritte später das Kyungsoo plötzlich angehalten hatte.
 „Was ist los?“ Der dunkelhaarige wirkte verunsichert und sein Mund stand etwas offen. „Was?“, drängte ich lachend und mit einem bloßen Kopfnicken erklärte sich alles. Ich wendete mich dem Haus zu das Kyungsoo gemeint hatte und stand nun ebenfalls etwas schockiert da. „Das…das ist es?“
 Kyungsoo blickte auf den Zettel hinab, dann auf das Haus, dann zurück auf den Zettel. „Ja…sieht so aus.“
 „Wow.“
 „Doppelt wow.“
 „Ist das nicht etwas…groß?“, fragte ich und trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen.
 Kyungsoo zuckte die Achseln. „Lass uns rein gehen, ich befürchte die Nachbarn werden noch denken das wir hier Unruhe stiften wollen, wenn wir hier länger Wurzeln schlagen.“
 Ich nickte schnell und holte den Schlüssel aus der Hosentasche heraus. Jetzt da ich näher an das große Tor herantrat, das als Eingang fungierte (ähnlich wie bei der Seongon, nur ohne die flankierten Engel), sah ich noch deutlicher wie…prächtig das Haus war. Es war riesig. Kein Vergleich zu dem Haus in dem ich aufgewachsen war. Es hatte Villa-Größe und war komplett weiß gestrichen, wo nicht gerade große Glasfenster waren. Es war zudem Mehrstöckig und die Decke glänzte etwas was mich vermuten ließ, dass auch dort Glas zugegen war. Ansonsten gab es noch eine große Einfahrt und ein Garagenhäuschen links vom Haus. Alles andere würden wir wohl erst sehen, wenn wir eintraten.
 In den Stein war ein Monitor eingelassen und daneben eine Zahlen-Tastatur. „Wofür ist das?“
 „Moderne Häuser heutzutage lassen sich meist mit einem Code öffnen. Vielleicht sogar Fingerabdruck.“
 „Was echt?“ Kyungsoo nickte. Ich wollte gar nicht wissen wo er dieses Wissen aufgeschnappt hatte. „Aber ein Schlüsselloch muss dennoch da sein, nicht wahr?“
 Ich fand besagtes Schlüsselloch unter einer kleinen Klappe, neben einem Notfallknopf, die ebenfalls in den Steil eingelassen war. Ich schob die Klappe beiseite und steckte den Schlüssel hinein. Einmal umgedreht und das Tor schwang lautlos auf. „Fast schon gruselig.“
 Kyungsoo nickte, gleichzeitig blickte er aber auch sehr fasziniert drein. „Die Klappe kann man wohl mit noch einem anderen Schlüssel verschließen, so dass dieses Schlüsselloch nur als Notfallweg benutzt wird.“
 „Sieht so aus.“
 Wir traten durch das Tor (das sich wenige Minuten später wieder automatisch verschloss) und gingen staunend auf das große Haus zu. Links und rechts war das Gras säuberlich kurz gehalten und nur ein kleiner Vogelbrunnen befand sich auf dem linken Grundstück.
 „Der Baustil ist ziemlich Amerikanisch gehalten“, bemerkte Kyungsoo als wir nähertraten. „Es ist alles sehr eckig und kantig.“
 Ich erinnerte mich daran, so etwas ähnliches mal in der Schule gehört zu haben, konnte den Gedanken jedoch nicht ergreifen und beließ es dabei. Auch hier am Vordereingang wiederholte sich das Spiel. Neben der schwarzen Tür mit dem weißen Griff, war erneut ein Monitor und eine Zahlen-Tastatur eingelassen und auch die Klappe für den Notfall-Schlüssel und der kleine Notfallknopf waren da. Auch hier schwang die Türe automatisch auf. Die Kameras die von allen Seiten auf uns gerichtet waren, verfolgten jede unserer Bewegungen, bis wir die Haustüre hinter uns schlossen.
 Das Staunen wurde auch hier fortgesetzt. Das Innere war so weiß und modern gehalten wie das Äußere nur vermuten ließ. Eine Wendeltreppe führte direkt in die anderen Stockwerke, doch Kyungsoo und ich machten uns auf Socken erst einmal daran das untere Geschoss zu erkunden.
 Wir fanden eine riesengroße Küche mit Küchen Insel und Ausblick auf das große Grundstück. Eine gläserne Schiebetür trennte Küche von Esszimmer und das Esszimmer mündete in das riesige Wohnzimmer. Es war bereits alles möbliert, ich wusste jedoch nicht ob wir die Möbel behalten würden, sollten wir uns doch für den Kauf des Hauses entscheiden. Ich hoffte es jedoch, denn alles Möbliert war elegant dunkel gehalten und harmonierte gut mit dem schwarzen Marmorboden der uns die Füße von unten warm hielt. Offensichtlich wurde mit Fußbodenheizung geheizt.
  In einer Ecke befand sich ein Karmin und ich sah Kyungsoos Augen kurz aufleuchten als sein Blick auf die Ziegelsteinwand fiel in der der Karmin eingelassen war. An Sitzmöglichkeiten mangelte es ebenfalls nicht. Es gab ein großes weißes Sofa  mit vielen weißen Kissen, zwei Sessel, ein paar Hocker und noch mehr Kissen und Decken. Zudem Stühle an Glastischen an die eine ganze Fußballmannschaft hätte Platz nehmen können. Auch an Technologischen Schnickschnack mangelte es nicht. Fernseher, Lautsprecher, Monitore, eine Fernbedienung für einfach alles, was sich finden ließ. Es war unglaublich. Das Badezimmer (immer noch auf dem ersten Stockwerk) war ebenfalls sehr groß – das schien das Motto des gesamten Hauses zu sein – und ebenfalls sehr schön. Ein Mosaikbild schmückte die Ostwand des Raumes, während eine freie Badewanne, ein Whirlpool und eine Stehdusche, zwei Waschbecken mit jeweiligem Spiegel und ein Ganzkörperspiegel ebenfalls ihren Platz fanden.
 „Bekommst du auch langsam Kopfschmerzen?“, fragte ich Kyungsoo, es war das erste Mal das ich etwas anderes als ‚Was zum..?‘  und ‚Ach du meine Güte‘, herausgebracht bekam.
 Kyungsoo bestätigte nickend und deutete mit einem Grinsen dann, an eine Wand die von oben bis unten verglast war und in den Garten blicken ließ. „Schöne Aussicht.“
 „Oh Gott“, ich flüchtete aus dem Raum und ließ einen lachenden Kyungsoo zurück. Erst später würde ich erfahren, dass das Glas zwar hinausblicken ließ, man jedoch von außen nicht hineinschauen konnte, selbst wenn es draußen dunkel war und im Badezimmer Licht brannte. Das Zimmer daneben war die Toilette, auch viel zu schick für so wenig Möbliert, daneben dann drei große leeres Zimmer, die noch nicht eingerichtet waren. Arbeitszimmer, Lounge und Wintergarten, stand an den jeweiligen Glastüren. Damit hatten wir das erste Stockwerk erkundigt, den Garten wollten wir erst einmal auslassen. Im zweiten Stockwerk widerholten sich ein paar Dinge. Ein zweites, noch größeres und schöneres Bad, eine Toilette, mehrere Schlafzimmer, mit erneut angrenzendem Bad, Ankleidezimmer und zudem ein Lesezimmer mit ein paar Bücherregalen an den Wänden. Auch hier wieder eine Handvoll leer stehender Räume. Im dritten Stockwerk erneut das Ganze, hier jedoch mit einer kleinen Küche (was heißt hier schon klein), dafür nur zwei Schlafzimmern, zwei Ankleidezimmer, ein Badezimmer und zwei leerstehende Räume.
 Als wir uns schweigend zurück ins erste Stockwerk begaben, vibrierte mein Handy in der Hosentasche.
 „Alter Mann“, begrüßte ich nachdem ich schnell auf das Display gesehen hatte.
 „Ich lege gleich wieder auf Jongin“, drohte er.
 „Schon gut, schon gut“, grinste ich. „Was gibt’s?“
 „Wo bist du? Es ist schon spät.“
 Ich blickte zu Kyungsoo herüber der ebenfalls neben mir auf der Treppe Halt gemacht hatte. „Ich bin mit Kyungsoo gerade im Haus, wir haben wohl die Zeit vergessen.“
 „Ach Kyungsoo ist bei dir? Soll ich euch dann abholen?“
 Ich schnaubte. „War es für dieses Angebot zufällig ausschlaggebend das Kyungsoo bei mir ist?“
 „Jetzt werd‘ mal nicht eifersüchtig“, lachte Dad und legte dann einfach auf.
 „Tz was für eine Behandlung.“
 Kyungsoo ging leise lachend weiter. „So, wohin jetzt?“, fragte er als wir unten angekommen waren.
 „Keller?“, fragte ich Achselzuckend.
 „Glaubst du da wird auch noch etwas sein?“
 Ich zuckte die Achseln. „Werden wir sehen.“
 Und ob wir das würden. Niemand hatte uns darauf vorbereitet, dass das wahre Highlight im Keller anzufinden war. Hier befand sich nämlich ein großer Wellness-Bereich, ausgestattet mit Heim-Schwimmbad, einer Sauna und einem Fitness-Bereich mit den jeweiligen Geräten. Ich warf mich sogleich auf einen der Liegestühle und verschränkte die Arme hinterm Kopf.
 „Wenn das alles hier nur ein Scherz des alten Mannes war, dann Gnade ihm Gott.“
 Kyungsoo trat an den Beckenrand und ging in die Hocke um seine Finger ins Wasser eintauchen zu lassen. „Was glaubst du, werdet ihr hier einziehen?“
 „Wir wären Idioten wenn nicht, findest du nicht auch?“
 Kyungsoo nickte einmal, sein Gesicht konnte ich nicht sehen. Dennoch, seine Schultern hingen ein wenig herab und seine Gliedmaßen waren zu angespannt. Ich erhob mich aus dem Liegestuhl und trat lautlos hinter den dunkelhaarigen. Als ich meine Arme von hinten um ihn schlang, zuckte er zusammen.
 „Was ist?“
 Er schüttelte den Kopf.
 „Kyungsoo Hyung“, bat ich leise und schließlich stand er auf, um mir ins Gesicht zu blicken. Er sah müde aus, als hätte er seit Tagen nicht geschlafen.
 „Nimm‘s mir nicht übel Jongin-ah“, er blickte beschämt zur Seite. „Es ist nur…ich weiß nicht, ihr werdet umziehen und wir…wir werden noch weiter voneinander entfernt leben, wir werden uns weniger sehen können und…und ich habe Angst das wir uns aus den Augen verlieren könnten.“
 Es war so eigenartig dass er diese Angst aussprach und mir gleichzeitig nicht in die Augen sehen konnte. Ich schob sein Kinn mit dem Zeigefinger zu mir zurück und lächelte auf ihn herab. „Ich bin hier, siehst du? Und so lange du nicht weg schaust, werde ich auch immer da sein, in Ordnung?“
 Kyungsoo zuckte zusammen als ich das sagte und schlang die Arme um meine Mitte. Ich war völlig überrascht von der plötzlichen Umarmung. Das war nicht typisch für Kyungsoo.
 Ich hatte noch nicht einmal Gelegenheit die Umarmung zu erwidern, da ließ er schon von mir ab (und trat dabei gefährlich nahe an den Beckenrand) nur um mit roten Wangen schließlich an mir vorbei zu gehen.
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Sorry für das späte update :) wird in Zukunft nicht mehr vorkommen!
Liebe Grüße <3

DiamantenstaubWhere stories live. Discover now