Katzenauge

1.3K 118 10
                                    


  Mein Wecker ging los um kurz nach sieben und unzufrieden rollte ich zur Seite, wo mein Handy üblicherweise zu finden war. Ich streckte mich ausgiebig und war mit einem Mal völlig wach.
„Wir haben verschlafen! Kyungsoo du-..." Ich rollte zurück und fand ein leeres Bett neben mir. „Was zum..." Die Stelle war bereits völlig kalt, doch auf dem Kissen, auf welchem eigentlich Kyungsoos Kopf hätte ruhen sollen, lag ein kleiner Zettel.
‚Ich bin schon früher gegangen, wollte dich nicht wecken. Wir sehen uns. – Kyungsoo'
Ich seufzte und blieb solange liegen, bis ich es mir nicht mehr erlauben konnte, ohne zu spät kommen zu wollen. Ich war ein wenig traurig darüber, dass Kyungsoo einfach mir nichts dir nichts verschwunden war, ich hätte nichts dagegen gehabt gemeinsam mit ihm aufzustehen, oder ihn nachhause zu begleiten. Ich zerknüllte den Zettel und warf ihn im hohen Bogen in den Mülleimer neben meinem Schreibtisch.
Eine Woche war vergangen seit ich Schüler an der Seongon war und dies mein zweiter Montag an der Schule. Rückblickend musste ich sagen, dass ich mich recht schnell eingelebt hatte und das höchstwahrscheinlich dank Sehun. Sehun der mich in seinen Freundeskreis aufgenommen hatte, mir die Schule gezeigt hatte, mich in die Gepflogenheiten der Schüler eingeweiht hatte.
Ich wusste mittlerweile mehr über die Schüler, als ich wahrscheinlich von meinen Yokseng Klassenkameraden nach mehreren Jahren erfahren hatte. Wenn ich also eines gelernt hatte, dann das man an der Seongon viel zu reden hatte.
Sehun hatte mir zum Beispiel erzählt das Tao und er sich seit der Grundschule kannten, ihre Beziehung jedoch eher schwierig war. Tao war seiner Meinung nach sehr eingebildet und unnahbar, er konnte einen ohne große Mühe in den Boden starren, war jedoch in Wahrheit ein Federkissen mit Stahlbezug. Was bedeutete dass sein Inneres Pudelweich war. Ich hatte noch kein wirkliches Wort mit Tao gewechselt – dass ich mich mit Sehun abgab spielte wohl eine entscheidende Rolle dabei – daher konnte ich nicht beurteilen ob Sehun wirklich Recht hatte, oder ob er mich nur auf den Arm nahm.
Was auch charakteristisch für die Seongon war, war das man über die Berufe der Eltern anderer Schüler Bescheid wusste. Hölle ich wusste noch nicht einmal mit Sicherheit was Ravis Eltern beruflich taten, geschweige denn die von Amber oder Hyuk. Hier jedoch, schien es völlig normal zu sein auch dieses Detail zu wissen.
Taos Mutter zum Beispiel war in der Modebranche tätig. Sie entwarf Kleidung die überall auf der Welt präsentiert wurde. 'Zi-Băo' lautete der Markenname, von dem ich mir sicher sein konnte kein einziges Kleidungsstück in meiner Garderobe zu finden. Die Preise hatten es mir nie erlaubt... Aufgrund der internationalen Beliebtheit seiner Mutter lebte Tao auch im angrenzenden Wohnheim. Er wurde zwar in China geboren, aber seine alleinerziehende Mutter startete ihre Karriere auf den koreanischen Laufstegen, weshalb Tao seit Kleinauf in Südkorea lebte. In der Mittelstufe war er für eine Weile zurück nach China gefahren, aber seine Mutter reiste dauernd herum und Tao vertrug die Einsamkeit nicht. Also kehrte er zu seinen Freunden nach Korea zurück und besuchte von da an die Seongon.
Ohne auch nur ein Wort mit Tao gewechselt zu haben, kannte ich also seine halbe Lebensgeschichte.
Bei anderen Personen war es sogar noch leichter. Lay zum Beispiel war der Sohn eines bekannten chinesischen Politikers. Seinen Namen also in eine x-beliebige Suchmaschine einzugeben, leitete einen direkt auf einen ausführlichen Wikipedia Bericht. Gespickt mit Geburtsort, einem Familienstammbaum und sogar seinen Akademischen Leistungen. Lays Leben war super leicht in einer virtuellen Kurzfassung zu finden und für jeden zu erreichen. Vielleicht, das konnte ich mir zumindest gut vorstellen, sprach er deshalb kein Wort mit seinen Mitschülern. Baekhyun hatte gespaßt, dass er zwar mühelos alles über Lay wusste was es zu wissen gab, sich jedoch nicht mehr an den Klang seiner Stimme erinnern konnte.
Suho, das erkannte man auf den ersten Blick, war der typische Musterschüler. Er zog sich immer adrett an, seine Sprache war bewusst gewählt und in den Pausen ging er den Stoff für die kommende Unterrichtsstunde durch. Er war Sohn eines führenden Konzernchefs, wodurch nicht schwer zu erraten war, wie sein Zukunftsweg eines Tages aussehen würde. Um ihn kursierte nicht viel Gerede, was es zu wissen gab, das wusste man. Und die Info war nicht atemberaubend.
Dann gab es auch die etwas komischeren Gestalten über die ständig geredet wurde. Kris war einer davon. Über ihn kursierten die unglaublichsten Geschichten. Den Rahmen bildete dabei, dass seine Eltern der Mafia angehörten, so viel hatte man mir schon bei meinem ersten Tag erzählt. Im Laufe der Woche kamen jedoch noch so einige Dinge dazu. Seiner Familie gehörte das Black Pearl – der Club in dem ich meinen Samstagabend verbracht hatte – und einige Casinos in der Stadt dazu. Einige internationale Politiker hatten sich mit den Geschäften von Kris Familie eingefädelt, manche von ihnen standen tief in ihrer Schuld. Das sollte auch das blühendste Geschäft seiner Familie sein. Sie liehen Menschen in Not Geld und trieben ihre Schulden dann mit eiskalter Hand wieder ein. Zudem gab es Gerüchte über Waffenhandel, Infiltrierung der UNO und der NATO, Geschäftsessen mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten und spätestens dann war ich mir sicher, dass die Schüler sich all die Dinge nur zu ihrem Spaß ausdachten. Kris auf alle Fälle, hatte sich noch zu keinem Gerücht geäußert und saß stur auf seinem Platz, ohne irgendjemandem wirklich Beachtung zu schenken. Wie ein potentieller Mafia-Erbe sah er zumindest nur äußerlich aus. Er benahm sich ansonsten ganz wie ein Musterschüler, kam immer pünktlich zum Unterricht und störte nicht mit irgendwelchen Provokationen oder Einwürfen.
Ein anderer Gesprächsmittelpunkt war Chen. Chen der seine Zeit am liebsten in Casinos verbrachte, obwohl er minderjährig war. Das schien mir am Anfang schon Beweis genug, dass auch dieses Gerücht erlogen war, doch immerhin hatte auch ich es dieses Wochenende ins Black Pearl geschafft, also löste mein Argument sich in Wohlgefallen auf.
Baekhyun war ziemlich gut mit Chen befreundet, von ihm erhielt ich also die Information das Chens Mutter erfolgreiche Buchautorin war und sein Vater als Filmproduzent arbeitete. Auf diese Art hatten sich beide auch kennengelernt. Als das Buch von Chens Mutter verfilmt werden sollte, hatte sich Chens Vater in sie verliebt und so weiter. Später dann, hatten sie einen Film aus ihrer Liebesgeschichte gedreht (wie hätte es auch anders kommen sollen wenn eine Autorin und ein Produzent zusammen kommen?) diese endete übrigens, so Baekhyun, mit Chens Geburt. Baekhyun hatte erzählt es sei die Herzzerreißendste Liebesgeschichte gewesen die er je gesehen hatte und Chen das süßeste Baby überhaupt. Kurz darauf war er in lautes Gelächter ausgebrochen mit den Worten: „Im Film ist natürlich alles immer viel schöner." Chen hatte daraufhin den weiten Weg von seinem Platz bis dorthin wo Baekhyun und ich uns gerade unterhalten hatten (ca. sieben Meter) gemacht und ordentlich mit der flachen Hand über Baekhyuns Haupt geschlagen.
„Chen selbst nimmt jedoch kein Buch zur Hand, er geht nicht einmal gerne ins Kino", hatte Baekhyun daraufhin vertraulich weitergegeben immer auf der Hut das Chen auch ja außer Hörweite war. Und ab da begann das Mysterium wohl. Die Schüler der Seongon flochten Geschichten um Chen herum - wie die Casino Story - und erzählten er treibe sich Nachts immer irgendwo herum, weshalb er in der Schule immerzu mit dem Kopf auf der Tischplatte schlafend vorzufinden war (oder Baekhyun hauend, das variierte von Tag zu Tag).
Meine Informationen über Chanyeol erhielt ich von Sehun. Was man dem zahnreichen Grinsen des größeren Jungen nicht ansehen konnte, war das er offensichtlich sehr intelligent war. Fast so sehr wie Suho wenn man den Gerüchten glauben wollte – und ja das wollte man. Sehun hatte erzählt, Chanyeols Familie war in der IT-Branche tätig und besaßen eine seit wenigen Jahren florierende Firma. Ein entfernter Onkel hatte vor ein paar Jahren eine sehr simple aber geniale Idee gehabt. Wenn man mit der Maus über den Bildschirm wanderte werden Pixel berührt und Firmen konnten sich bestimmte Pixel kaufen und in diesen ihre Werbung eingeben. Somit reichte es aus mit der Maus über eine Seite zu fahren und schon erschien die Werbung der Firma die dafür gezahlt hatte. Genial und einfach. Und natürlich Milliarden Wert. Chanyeol selbst sollte übrigens auch sehr gut mit Computern umgehen können.
Weil Baekhyun mir über Chen erzählt hatte, kam Chen zwei Tage später auf mich zu. Im Gepäck Baekhyuns Lebensgeschichte.
Ich hatte erwartet Baekhyuns Eltern wären Künstler oder Freigeister, aber Chen informierte mich darüber, dass Baekhyuns Eltern beide im Rechtswesen tätig waren. Sprich seine Mutter war Richterin, sein Vater Rechtsanwalt. Beide arbeiteten für hohe Tiere wie Firmenchefs die sich zum dritten Mal scheiden ließen, oder Politiker die einen Skandal wegen betrunkenem Fahren kaschieren wollten. Chen verriet mir zudem, dass Baekhyun Zuhause ein völlig anderer Mensch, als in der Schule war. Er verhielt sich daheim wie ein Angeklagter beim Verhör, immerzu höflich und sehr viel ruhiger als in der Schule. Das konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen.
Ohne je danach gefragt zu haben, erhielt ich also die Informationen meiner meisten Mitschüler. Auch die Hintergründe der Mädchen unterschieden sich nicht großartig von den anderen (bis auf Kris' und Chens) auch sie hatten geniale Eltern, schienen jedoch mehr darauf zu achten eine reine Weste zu besitzen.
Die einzige Person die mir noch immer ein Rätsel war, war Oh Sehun. Und das war definitiv ironisch, bedachte man das er der erste war, der sich mir vorgestellt hatte und mit dem ich am meisten zu tun hatte. Aber anders als bei den anderen, schien niemand über Sehun zu sprechen. Die Information kam nicht von alleine zu mir, ich müsste sie mir schon irgendwie selbst holen, aber bisher wagte ich es nicht danach zu fragen. Ich wusste zumindest dass er in der Nähe lebte und seine Eltern Geschäftlich viel unterwegs waren.
Das erschreckende war, das dieses Spiel nicht nur in eine Richtung funktionierte. Sie funktionierte auch in die andere. Über mich kursierten ebenfalls schon viele Gerüchte – wie hätte es auch anders sein können, ich war ja komplett neu und somit frisches Gesprächsthema. Was man von mir wusste, war dass ich aus einer brüchigen Schule und einem ‚Zweite-Klasse-Leben' kam. Mit der Erfindung meines Vaters gelang uns der große Durchbruch von null auf hundert sozusagen und so abwertend diese Gerüchte auch klangen, sie entsprachen der Wahrheit. Als mir einleuchtete, dass ich aus diesem Grund oft in den Gängen belächelt oder sogar gemieden wurde, setzte sich ein ungutes Gefühl in meine Magengrube. Die anderen Schüler sahen in mir noch immer den Jungen aus einer anderen Klasse und es war ihnen deutlich anzusehen dass sie mich nicht zu einem der ihren dazu zählten.
Umso neugieriger machte es mich, warum gerade Sehun sich nicht im Geringsten um die gleichen Dinge scherte.
An vorderster Front des Klassenzimmers stand noch immer Minseok und hielt ein Kreidestück in der Hand, während er in die Runde sah und auf eine Antwort wartete. Ich war die letzten Minuten völlig abgedriftet und hatte nicht die geringste Ahnung worum es ging. Bevor Minseok irgendeine arme Seele aufforderte seine Frage zu beantworten, hob Suho den Arm und befreite uns anderen aus dieser unangenehmen Lage. Minseok nickte zufrieden, fragte ob es, nun da die Antwort gegeben wurde, verständlicher war und runzelte die Stirn als er unser simultanes Ja zu hören bekam.
„Das machen wir nächste Woche lieber noch einmal." Er lächelte. „Keine Sorge." Er trat langsam von der Tafel fort und ordnete seine Sachen auf seinem Pult zusammen.
„Keine Weisheit zum Schluss heute?", fragte ein Mädchen mit echter Verwunderung in der Stimme.
Minseok hielt kurz inne, ein schiefes Lächeln auf den Lippen. „Mir hat jemand mal gesagt dass ich aufhören soll ihn mit meinen Sprüchen zu nerven und stattdessen Safttrinken mit Sokrates, einem griechischen Philosophen der vier Jahrhunderte vor Christus gelebt hat, gehen soll." Er hielt inne und blickte nachdenklich nach oben. „Jetzt wo ich so darüber nachdenke, es könnte sein er hat mir doch zugehört und mir damit diskret zu verstehen gegeben dass ich ein für alle Mal verschwinden soll?"
Da war er wieder. Minseok der mit einem einzigen Kommentar die Aufmerksamkeit seiner Schüler fesselte. Wahrscheinlich war er aus diesem Grund ein so guter Lehrer. „Wieso das?", hackte also sogleich jemand nach.
„Kennt ihr die Geschichte des Sokrates?"
Ich schüttelte den Kopf und war froh dass andere es mir gleich taten. „Sokrates war ein großer Denker und seine Ideen passten den Hohen Tieren seiner Zeit überhaupt nicht in den Kram. Seiner Ideen wegen bezeichneten sie ihn als Verbrecher und es wurde abgestimmt ob er hingerichtet werden sollte. Mit einer knappen Mehrheit entschied man sich dafür. Und jetzt der Clou: Er musste einen Becher giftigen Beerensaft trinken, den er in Anwesenheit seiner engsten Freunde schließlich auch tatsächlich zu sich nahm. Auf diese Weise hat Sokrates das zeitliche gesegnet."
„Da hat jemand wirklich etwas gegen sie", warf Baekhyun ein und die Klasse lachte leise.
„Sieht so aus" mit verschränkten Armen lehnte sich Minseok gegen das Lehrerpult. „Ich hab wohl ein wenig mit meinen Sprüchen übertrieben."
„Zumindest wurden sie stielvoll zum Teufel geschickt", grinste Chen.
Minseok musste daraufhin ebenfalls lachen. „Gut dann ist das die Weisheit für heute." Auf seine Worte hin, klingelte es um das Ende der Stunde zu verkünden.
„Ob es etwas gibt was Minseok nicht weiß?"
„Unwahrscheinlich", antwortete Sehun auf die Frage die ich mehr oder weniger an mich selbst gerichtet hatte. „Übrigens, hast du Lust heute Abend zu mir zu kommen?"
„Wieso?"
„Einfach so", erwiderte Sehun als wäre es das selbstverständlichste überhaupt.
„Mh, klar."
„Gut." Danach weihte Sehun auch Baekhyun und Chanyeol in sein Vorhaben ein und lud sogar Chen ein sich uns anzuschließen. Chanyeol lehnte mit einer entschuldigenden, etwas besorgten Miene ab, doch Sehun schien dies nicht weiter zu stören. Chen und Baekhyun waren dabei.
Ein paar Minuten nachdem es schließlich zum Ende der Pause geklingelt hatte, trudelte Luhan ins Klassenzimmer. In seinen Händen ein Stapel Papier. Bei dieser Sicht begannen alle gleichzeitig aufzustöhnen.
„Das kann nicht Ihr ernst sein!"
„Jetzt schon?"
„Wer die Hausaufgaben gemacht hat, wird keine Probleme haben den Test auszufüllen, keine Sorge. Ihr habt eine halbe Stunde Zeit, was euch locker reichen wird."
Sehun warf mir von der Seite einen verwirrten Blick zu und auch Chanyeol und Baekhyun drehten sich nach mir um. „Du musst die Spielregeln nicht ganz verstanden haben", flüsterte er.
Ich erwiderte nichts und sah dabei zu wie Luhan begann jedem ein Blatt Papier umgedreht auf den Tisch zu legen. „Wenn alle eins haben, dürft ihr es umdrehen und anfangen." Zuletzt legte er auch mir und Sehun ein Blatt vor, ein triumphierendes Lächeln umspielte seine Lippen, als er dem blonden in die Augen sah. „Okay, ihr könnt anfangen."
Blätter wurden herumgedreht und Luhan ging zurück nach vorne, um sich ans Pult zu setzen. Nach einer Weile drehte auch Sehun sein Blatt herum.
Die erste Minute verging in Schweigen, dann sah man wie die ersten Köpfe sich verwirrt hoben und umsahen. Als die ersten Schüler zu lachen begannen runzelte Luhan verwirrt die Stirn.
„Was ist los?"
„Ist das ein Scherz Sir?", fragte ein Mädchen und lachte in ihre Hand.
„Nein? Das ist ein Test. Mit Punkten und Zensur."
„Aha." Noch mehr Gelächter.
Luhan ging zu dem Mädchen und hob ihren Test auf. Er überflog die Fragen und fuhr Feuerrot an. Er zerknüllte das Blatt in seiner Hand und sein Blick schoss nach oben und bohrte sich direkt in den von Sehun. „Ist das komisch?"
Sehun lächelte Luhan unschuldig entgegen und das muss wohl alle Sicherheitskabel in Luhans Kopf gesprengt haben. „Komm mit."
„Wohin?"
„Stell keine Fragen und - Komm. Mit. Bevor ich dich hier heraus schleife."
Sehun stand also wie gebeten auf. „Was haben Sie vor?"
„Hör auf so unschuldig zu tun, ich weiß dass das auf deinem Mist gewachsen ist!"
„Ich weiß nicht wovon Sie reden."
„Ach?" Luhans Finger verkrampften sich in dem Papier als er es wieder auffaltete. „Frage Eins: Die Chinesische Bezeichnung für die Ming-Dynastie lautet wie:... Die Antwort die in Computer Buchstaben darauf vermerkt ist und die ICH dort nicht aufgedruckt habe lautet: ‚Irgend so ein Ching Chang Chong Zeug?'"
Sehun musste ein Lachen als Husten kaschieren, was Luhan nur noch wütender machte. „Frage Zwei: Was sind eine der größten Errungenschaften die während der Ming-Dynastie erreicht wurden und das Leben der Menschen signifikant verändert hat: ‚ORIGAMI?!' Luhan warf den manipulierten Test zu Boden.
„Was lässt Sie denken dass ich etwas damit zu tun habe?", fragte Sehun, die personifizierte Ruhe selbst.
„Origami kommt aus Japan", antwortete Luhan und das nicht zum ersten Mal, dann nahm er einen tiefen Atemzug. „Wir gehen jetzt zur Verwaltung und checken die Kameras." Um seine Augen zuckte es. „Danach können wir weiterreden."
Kameras. Das Wort hallte in meinem Kopf nach. Kameras. Ich hatte überhaupt nicht daran gedacht, dass im Lehrerzimmer, im verdammten Schulgebäude KAMERAS zu finden waren. Oh Gott!
Mein Herz begann wie verrückt zu schlagen, so laut das ich es in meinen Ohren dröhnen hörte.
Sehun umrundete seinen Tisch und ging Luhan voraus aus dem Klassenzimmer. Im Hinausgehen sammelte Luhan notdürftig ein paar der Tests ein, dann waren er und Sehun verschwunden und mein Herz setze völlig aus. Ich war absolut erledigt.
„Wie kommt es das mein Test normal ist?", fragte Suho mit gerunzelter Stirn. „Ich hab keine Antworten bei mir vermerkt."
Wäre ich nicht so neben mir, dann hätte ich Suho vielleicht mitgeteilt, dass ich den obersten Test im Originalzustand belassen hatte, damit Luhan nichts bemerken würde, doch im Moment hatte ich andere Sorgen.
„Lass uns hinterher gehen", schlug Baekhyun vor und ich schluckte schwer bevor ich ihm und Chanyeol aus dem Klassenzimmer folgte. „Ich hab die Kameras völlig vergessen, verdammt", fluchte Baekhyun während wir durch die Flure rasten.
„Und ich erst." Wäre es möglich Luhan irgendwie daran zu hindern sich die Videoaufnahmen anzusehen?
Alle Hoffnung entwich als wir schlitternd vor dem Sekretariat zu stehen kamen. Durch die geöffnete Türe sah ich Luhan sich über einen Computer beugen, die Schulleiterin neben ihm auf der einen Seite, Sehun auf der anderen.
Während Luhan etwas eintippte, sich wahrscheinlich ins System einloggte oder ähnliches, hatte Sehun unser Auftauchen bemerkt. Er grinste mir breit zu.
Es das doch eine Falle gewesen, dachte ich fassungslos. Und das seine Art mir zu zeigen, dass ich das Spiel verloren hatte. Meine Gedanken überschlugen sich, ich fühlte mich verraten und gedemütigt und konnte nicht glauben dass ich auf so etwas Dämliches hineingefallen war.
„Das sind die Aufnahmen für Samstagabend und-..." Luhan brach ab. Die Schulleiterin warf ihm ein Stirnrunzeln zu. „D-das ist nicht Sehun, dass...ich meine..."
„Ich weiß nicht worauf ich wütender sein soll, dass Sie mich wegen so etwas an einer Telefonkonferenz behindert haben, oder das Sie Ihre Arbeit offensichtlich nicht für voll nehmen."
„A-aber das...ich...es wurde manipuliert, ich meine..." Luhan war völlig unfähig einen ordentlichen Satz über die Lippen zu bringen.
„Was ist los?", fragte eine neue Stimme und ich zuckte leicht zusammen, als ich mich umdrehte und Minseok vor mir fand. Wir machten ihm Platz und er stellte sich neben Sehun um ebenfalls auf den Bildschirm zu sehen. „Was?"
„Ich weiß nicht was das dort zu suchen hat, wie das dorthin gekommen ist, ich..."
„Sie sollten lernen Ihre Klasse besser unter Kontrolle zu halten Luhan", sagte die Schulleiterin eiskalt und erhob sich von ihrem Sitz. „Habt ihr keinen Unterricht?", wandte sie an uns, als sie ihr Büro verließ ohne auf eine Antwort unsererseits zu warten. Sobald sie weg war, stellten auch wir drei uns zu Minseok um zu sehen was die Kameras aufgenommen hatten. Das Datum das am rechten Rand in Rot geschrieben war, zeigte eindeutig den letzten Samstagabend an. Doch was der Film tatsächlich zeigte hatte nicht die Spur mit der Nacht und Nebel Aktion zu tun die ich hier vor zwei Tagen abgeliefert hatte. Stattdessen war helllichter Tag und die Kamera fokussiert auf eine einzige Gestalt im Lehrerzimmer. Man erkannte gut den blonden Kopf von Luhan der mit dem Gesicht voraus auf irgendwelchen Dokumenten lag und völlig ausgeknockt war. Hätte das Band auch einen Ton gehabt, dann hätte man ihn mit Sicherheit laut Schnarchen hören.
Minseok neben uns seufzte. Er hatte einen der Testbögen aus Luhans steifen Fingern befreit und das Dokument überflogen.
Luhan wirbelte zu Sehun herum und packte seinen Schüler grob am Hemdkragen. „Soll das lustig sein Oh Sehun?!"
„Luhan!" Minseok trat schnell dazwischen und riss Luhan von Sehun fort. „Hast du den Verstand verloren?"
„Ob ICH den Verstand verloren habe? ER hat meinen Test manipuliert, so wie ER auch an den Kameras gespielt hat! Also wieso bin ICH derjenige der den Verstand verloren hat?!"
„Es gibt keine Beweise das Sehun dafür verantwortlich ist."
„Ich bitte dich!"
„Außerdem" Ich beobachtete wie Minseoks Finger sich in Luhans Schultern bohrten. „Hast du kein Recht jemals Handgreiflich gegenüber deinen Schülern zu werden." Minseoks Blick bohrte sich in den von Luhan, bis dessen Schultern schließlich nach unten sackten.
„Fuck!" Fluchend stürmte Luhan aus dem Raum, ohne uns anderen auch nur noch einen Blick zuzuwerfen.
Nach einer Weile der Stille schloss Minseok schließlich den Ordner der die Aufnahmen der Überwachungskameras verwaltete. Dann wandte er sich Sehun zu. „Entschuldige, ist alles in Ordnung bei dir?" Sehun nickte. „Wenn du rechtliche Schritte gegen Luhan einleiten willst dann-..."
„Das wird nicht nötig sein." Damit drehte sich Sehun um und verließ ebenfalls den Raum.
Minseok blickte uns anderen mit einem müden Ausdruck in den Augen entgegen. „Wie kommt man nur auf solche Ideen?", fragte er ohne uns direkt zu adressieren, ohne es jedoch auch auszuschließen. Wir gaben natürlich keine Antwort.
Bevor auch Minseok den Raum verließ, drehte er sich noch einmal zu uns um. „Ihr solltet Luhans Unterricht nicht auf die leichte Schulter nehmen. So einige wichtige Dinge sind uns aus China überliefert. Eine Chinesische Weisheit zum Beispiel besagt: Das Gesicht eines Menschen erkennt man im Licht", sein Blick bohrte sich in meine Augen. „Seinen Charakter hingegen, erst im Dunkeln."
Und während Minseok ging, dachte ich an die Dunkelheit des letzten Samstagabends und was sie aus mir gemacht hatte.

Ich hatte ein schlechtes Gewissen das mich von innen aufzufressen drohte. Luhans Blick und die Worte der Schulleiterin hallte in meinen Ohren nach. Geplant war, dass es ein harmloser Streich werden würde, letztlich war es jedoch in eine absolute Demütigung für Luhan eskaliert. Mir tat Leid was ich getan hatte und, hätte ich nicht Bangen vor den Konsequenzen, ich hätte mich am Liebesten bei Luhan entschuldigt.
Baekhyun, Chanyeol und ich traten zurück ins Klassenzimmer, wo uns so einige neugierige Gesichter begegneten. Von Sehun oder Luhan war nichts zu sehen.
„Und? Steckt tatsächlich Sehun dahinter?", fragte jemand.
„Natürlich! Wer sonst?", schnaubte Tao und verdrehte die Augen.
Baekhyuns Gesicht spaltete ein großes Lächeln. „Tatsächlich", setzte er an und warf einen Arm um meine Schultern. „Ist es Jongins Einfall gewesen." Ich gefror in Baekhyuns Griff, bereit für die missbilligenden Blicke und die scharfen Kommentare - doch sie setzten aus. Stattdessen begannen Schüler zu lachen, Leute klopften mir auf den Rücken, Chen legte sogar kurz die Arme um mich.
„Das war ein 1A Streich Jongin!"
„Scheint so als wärst du doch nicht so fehl am Platz."
Ein Mädchen lachte und beäugte mich mit einem Ausdruck den ich zuvor noch nie bei ihr gesehen hatte. Interesse. „Doch nicht so Zweite-Klasse was?"
Das schlechte Gewissen verpuffte als wäre es nie dort gewesen. Ich spürte plötzlich einen Funken Stolz in meiner Brust entflammen und ich schwellte in der Anerkennung, die die anderen mir bisher verweigert hatten.   

DiamantenstaubWhere stories live. Discover now