Jaspis

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Ein ungutes Gefühl setzte sich in meinen Magen und machte es sich dort bequem. Fast so wie die Gäste die gerade über meine Türschwelle geschritten waren.
Ich hatte fast vergessen, dass ich Chanyeol, Baekhyun und Sehun noch kaum kannte und die wenige Zeit die wir bislang miteinander verbracht hatten, war ausschließlich auf die Schule begrenzt gewesen. Ich hätte nicht geahnt das Schule und Privatleben drei Menschen so unglaublich verändern konnten.
Es fing bereits an, als ich die drei hereingebeten hatte. Baekhyun hatte mich mit großen, erstaunten Augen angeblickt und (beinahe) unmerklich die Nase gerümpft. Ich verstand, dass ich einen Fehler gemacht hatte, als ich verblüfft aufnahm wie aufgeputzt die drei waren. Baekhyun hatte silberfarbene Ohrringe im Ohr, die glitzerten als unsere Flurlampe auf ihn herabstrahlte. Außerdem trug er schwarze Hosen, ein dunkelgraues Shirt und eine Lederjacke. Ganz anders als der Flanell-Pullover den er in der Schule trug.
Bei Chanyeol, mit dem ich von den dreien bisher noch am wenigsten Kontakt hatte, verlief es kaum anders. Seine endloslangen Gliedmaßen waren in enger Kleidung verpackt und sein braunes Haar mit dem unverkennbaren rot stich war nach oben frisiert. Selbst seine abstehenden Ohren fielen kaum noch aus dem Rahmen, stattdessen bemerkte ich zum ersten Mal das der Riese große braune Augen hatte und ein Lächeln das mehr Zähne zeigte als ich wahrscheinlich besaß.
Sehun schlenderte als letzter über die Türschwelle. Seine Augen verrieten mir nichts, als er eintrat. Sie waren völlig neutral, ganz anders als Baekhyun der mein Aussehen im Stillen offensichtlich kritisiert hatte. Sehun war dem Trend von schwarzen Hosen gefolgt und trug zudem ein schwarzes Shirt mit V-Ausschnitt, was scharfe Schlüsselbeinknochen entblößte. Mehr Haut als ich je in der Schule zu Gesicht bekommen hatte. Sein aschblondes Haar war ebenfalls aus dem Gesicht frisiert.
Ich fragte mich wirklich was ich in meinem Leben verpasst hatte. Die drei setzten sich ins Wohnzimmer und ich hatte Mühe meine Beine zu zwingen zu ihnen aufzuschließen. Selbstkritisch zu sein war keine Sache über die ich mir jemals Gedanken gemacht hätte, ich war der festen Überzeugung das ich gut war, so wie ich eben war, doch mich beschlich das ungute Gefühl das mir dies in dieser Situation nicht sonderlich viel brachte.
Das bestätigten mir Baekhyuns folgende Worte: „Tut mir Leid wenn wir dich überrascht haben, wir warten so lange bis du fertig bist."
„Ja mh danke", brachte ich mühsam heraus und schritt rücklings aus dem Wohnzimmer.
„Soll ich ihm helfen?", hörte ich Baekhyun leise fragen, als ich einen Fuß auf die Treppe gesetzt hatte. Ich legte einen Zahn zu.
Ich seufzte als ich vor dem Spiegel stand und auf meine verwaschene Jeans und das weite weiße Top blickte. Ich war mir sicher es sah nicht schlecht aus, sonst hätte ich die Sachen nicht angezogen, aber jetzt da ich wusste was die anderen eher erwarteten fielen meine Klamotten irgendwie aus dem Bild.
Ich kramte eine dunkelblaue enge Jeans hervor und dazu ein schwarzes Button Up Shirt bei dem ich die obersten Knöpfe geöffnet ließ. Mein schwarzes Haar zerzauste ich nach Lust und Laune und hielt kurz inne um mein neues Erscheinen zu begutachten. Definitiv verändert. Wahrscheinlich sogar besser.
Als ich erneut unten angekommen war, zippte Sehun gerade durch die Fernsehkanäle, blickte jedoch auf, als ich ins Wohnzimmer trat. Seine Lippen spalteten sich zu einem triumphierenden Grinsen.
„Können wir gehen Baek?", richtete er gut gelaunt an den Jungen neben ihm und der nickte nachdem sein Blick einmal über mich geschweift war.
„Klar."
Sehun schaltete den Fernseher aus und klopfte mir auf den Rücken. „Hast du jemals darüber nachgedacht dir die Haare zu färben Jongin?"
Jetzt da er es ansprach, schwarz war tatsächlich kaum an der Seongon vertreten. Nicht einmal die Lehrer trugen ihre natürliche Haarfarbe. Nicht einmal Minseok. Plötzlich fühlte ich mich ein wenig aus dem Konzept gebracht.
„Kastanie würde dir bestimmt stehen", warf Baekhyun ein. „Vielleicht sogar was helleres." Er grinste breit und machte einen blöden Witz über den wir anderen viel zu stark lachen mussten. Kurz darauf schlug die Haustüre hinter mir zu und wir traten in die Nacht hinaus.

Downtown Seoul am späten Samstagabend war ein Biest mit farbigen Schuppen und einem wild pulsierenden Herzen. Die Stadt erstrahlte in jeder erdenklichen Farbe, kein Fleck der nicht erleuchtet, der nicht belebt war. Die letzten Geschäftsmänner mit ihren Aktentaschen unter dem Arm schleppten sich durch die Straßen, zu erschöpft und ausgelaugt um das Wunder Seoul wirklich erfassen zu können. Abgesehen von ihnen, traf man vor allem junge Menschen, wie wir drei es waren, an. Junge Leute die zu zweit oder in Gruppen durch die Straßen schlenderten, in Cafés am Straßenrand plauderten, oder eine Kleinigkeit bei den allzeit präsenten Straßenverkäufern aßen.
Es war laut und von irgendwelchen Ecken tönte immer wieder Musik und Gelächter. Wir schlossen uns dem Strom von jungen Menschen an, ehe Sehun an meinem Arm zog, um mich in eine neue Richtung zu navigieren.
„Wir sind fast da", sagte er und beugte sich ganz nah zu mir heran, so dass ich ihn auch wirklich verstehen konnte.
Was für ein Ziel wir überhaupt hatten war mir eigentlich unklar, bis wir vor einem großen, dunklen Gebäude ankamen, dass von mehreren Männern in Schwarz flankiert war. Es war das ‚Black Pearl' stellte ich erstaunt fest. Der wohl berühmteste Club in Seoul und zudem mit fester Gästeliste, auf die man schon Monate zuvor seinen Namen schreiben musste, um überhaupt hineinzukommen. Außerdem brauchte man natürlich noch das nötige Kleingeld um es auf die heißbegehrte Liste zu schaffen.
„Was machen wir hier?", fragte ich also und hielt Sehun am Arm fest, um ihn am weiter gehen zu hindern. Nicht nur das wir gewiss nicht auf der Gästeliste standen, wir waren auch noch Schüler – Minderjährige – uns fehlte der nötige Status um überhaupt in die Nähe des Clubs zu kommen.
„Keine Sorge Jongin", beschwichtigte Sehun und zog mich weiter. Baekhyun und Chanyeol waren schon fast bei den Türstehern angelangt – die Menschenschlange die sie dabei passierten völlig ignorierend.
Ich musste ziemlich blöd dreingeschaut haben, als die Männer in schwarz Baekhyun und Chanyeol nur ein kleines Nicken geschenkt hatten, bevor sie zur Seite traten.
„Das – aber..."
„Vitamin B Jongin – Vitamin Beziehungen."
Und auch wir beide wurden einfach hindurch gewunken. „Seid ihr öfter hier?"
„Oft genug", rief Sehun, denn erst einmal durch die Türen getreten, grüßte uns direkt der Bass und ohrenbetäubende Musik. Es fühlte sich an, als würde der Sound durch mein Blut pulsieren und meine Zellen in Aufruhr bringen.
Mit sicherem Griff zog Sehun mich zur Bar, wo Baekhyun und Chanyeol schon mit dem Barkeeper redeten. Keine Minute später und wir hatten unsere ersten Tequila Shots vor uns stehen.
„Wir sind drüben!", schrie Baekhyun und deutete mit der Hand nach hinten, wo ein Tisch und ein paar Sofas drum herum standen.
Der Barkeeper nickte nur, und suchte mit den Augen nach einem Kellner, den er zu sich bestellte. Baekhyun indes, nahm das kleine Tablett mit den Shots, Salz und Zitrone von der Bar und führte uns in die Richtung in die er eben noch gezeigt hatte.
Wir setzten uns so hin, dass der Glastisch zwischen Baekhyun und Chanyeol, die sich eine Couch teilten und Sehun und mir (die die andere einnahmen) stand. Das Tablett wurde darauf gelegt und die Gläser schnell verteilt.
„Auf Jongin!", verkündete Sehun und hob sein Glas an.
„Auf Jongin", stimmten die anderen lachend ein bevor ich widersprechen konnte und beobachtete kurz in welcher Reihenfolge sie Tequila, Salz und Zitrone einnahmen, bevor ich es ihnen gleich tat.
Jetzt verstand ich auch weshalb Baekhyun dem Barkeeper gesagt hatte, wo wir saßen, denn sofort darauf erschien ein Kellner mit einem neuen Tablett Shots, diese Mal irgendetwas farbiges, und nahm die gebrauchten Gläser mit sich. Und das würde noch eine ganze Weile so weitergehen.
„Also Jongin, wie gefällt es dir an der Seongon?", fragte Baekhyun und lehnte sich leicht nach vorne. Seine Augen hatten sich verändert, seine Pupillen nahmen beinahe die ganze Iris ein.
„Gut", antwortete ich grinsend. „Seongon ist eine schöne Schule und die Lehrer unterrichten besser, als jeder Lehrer den ich an der Yokseng jemals hatte."
„Du warst zuvor also an der Yokseng? Was für ein upgrade", grinste Baekhyun. „Das war die Schule mit dem Graffiti an der Wand, richtig?"
Ich nickte, ein wenig stolz das es wohl auch in diesen Kreisen Thema gewesen war. „Ja. Das ist aber auch das einzige womit sich die Schule rühmen kann."
„Wie traurig", antwortete Baekhyun ohne die Spur von Emotionen zu zeigen und kippte den nächsten Shot hinunter. Nach der nächsten Runde, landeten wir schließlich auf der Tanzfläche und der Rest des Abends verklang im berauschenden Beat des Basses.
„Ich verstehe jetzt wieso der Club so angesagt ist", lachte ich, sobald wir wieder an der frischen Luft waren. „Der DJ hat es wirklich drauf."
„Gerüchte besagen dass der Club Kris' Familie gehört." Sehun grinste und hielt mich am Arm fest, als ich ein wenig zur Seite schwankte.
„Mafia-Kris?"
Baekhyun und Sehun lachten laut los über meinen verdutzten Einwurf.
„Es gibt keine Gerüchte an der Seongon", murmelte Chanyeol währenddessen etwas leiser und mit deutlich glasigen Augen. Jetzt da wir draußen waren, spürte ich (und wahrscheinlich nicht als einziger) zum ersten Mal das volle Ausmaß des Alkohols den ich wild gemixt in mich hineingekippt hatte.
„Und was jetzt?" Baekhyun sah Sehun erwartungsvoll an.
„Jetzt", Sehuns Arm legte sich um meinen Hals und zog mich näher. „Jetzt werden wir etwas Illegales tun."
Chanyeol verzog das Gesicht und brach eine Sekunde darauf in wildes Gelächter aus. „Oh das wird die Hölle."
„Was?"
„Wir möchten dich ordentlich an der Seongon begrüßen Jongin, doch dafür musst du erst ein kleines Spiel gewinnen."
„Ein Spiel?"
„Ja genau, aber keine Sorge es wird ganz einfach."
„Und wozu gibt es so ein...Spiel?"
„Weil das meine Spielregeln sind", antwortete Sehun grinsend. „Also? Willst du die Herausforderung annehmen?"
Der Alkohol ließ ein Nein nicht zu.

Vor den Löwen die das Schultor flankierten kamen mir zum ersten Mal berechtigte Zweifel auf. Vor allem als Sehun und die anderen stehen blieben, anstelle weiterzugehen.
„Hier?!", fragte ich. „Ihr wollt dass ich in die Schule einbreche?"
„Schnell erraten", grinste Sehun.
„Ist das nicht etwas übertrieben?" Baekhyun brach in Gelächter aus und Chanyeol musste ihm eine Hand über den Mund stülpen, damit man uns nicht entdecken würde.
„Umso ausgefallener umso mehr Spaß werden wir haben." Sehun legte den Kopf leicht schräg, ein verschlagener Ausdruck auf dem Gesicht. „Hast du schiss Jongin?"
Was von meinem gesunden Menschenverstand noch nicht vom Alkohol betäubt war, schrie mir zu auf der Stelle auf dem Absatz kehrt zu machen, doch irgendwie reizte mich Sehun. Er schien sich so sicher, dass ich einen Rückzieher machen würde, dass ich mich nicht traute. Es war kein Spiel verstand ich, es war ein Test. Sehun suchte keine Freunde, er suchte Komplizen und auf diese Art und Weise entschied er ob jemand es wert war. Und ich hatte die Wahl ob ich mich beweisen wollte, oder eben nicht.
„Was genau soll ich tun?"
Baekhyun und Sehun wechselten einen schnellen Blick, Chanyeol stattdessen blickte zur Seite. „Du willst also mitspielen?"
„Na los, erzähl's mir."
Sehuns Grinsen hätte nicht breiter sein können. „Weißt du was Minseok mal zu mir gesagt hat? Wir hassen immer nur die Menschen die uns die Klippe hinunter stürzen, niemals die die uns an den Rand treiben." Ich antwortete nicht und Sehuns Blick bohrte sich in meinen, ehe er sich zur Schule wandte. „Ich weiß wie man die Alarmanlage ausschalten und die Tore öffnen kann. Das einzige was du tun musst, ist dich in das Lehrerzimmer zu schleichen und Luhans Testbögen über die Ming-Dynastie verschwinden zu lassen." Er wartete kurz eine Reaktion meinerseits ab – die niemals kam. „Ganz einfach, nicht?", fragte er also und ich nickte bestätigend.
„Machbar."
„Sehr gut", er wandte sich ab. Ich bemerkte dass ich Sehun ein wenig aus dem Konzept gebracht hatte und ich war höchst zufrieden mit mir selbst.
Sehun kramte sein Handy aus der Tasche und tippte eine Weile auf dem Touchscreen herum, ehe ein leiser Ton zu hören war und die Tore fast lautlos aufschwangen.
„Wo hast du das gelernt?", fragte ich ziemlich erstaunt über diesen Trick.
„Schon vergessen? Vitamin B."
Baekhyun verdrehte die Augen. „Sehun ist der-", doch Sehun hinderte ihn mit einer erhobenen Hand am Weitersprechen. „Später", wandte er an Baekhyun, dann machte er eine Handbewegung wie eine Verbeugung die mich zum Hineingehen drängen sollte. „Die Alarmanlage ist aus und die Türen sind geöffnet, du kannst durchgehen Jongin."
Ich blickte Sehun ein letztes Mal direkt in die Augen. Wenn das ein mieser Streich war und er sowohl Alarmanlage als auch Sicherheitssystem wieder aktivieren würde sobald ich in der Schule war, dann würde ich in große Schwierigkeiten geraten, aber dieses Risiko musste ich wohl in Kauf nehmen. Ich ging durch das Tor.
Am Haupteingang hielt ich für eine Sekunde inne und holte tief Luft. Ich legte die Hand auf das Metall an der Seite und drückte die Türe nach innen auf. Sie gab Problemlos nach und etwas erleichtert entließ ich die Luft die ich unbewusst angehalten hatte.
„Ins Lehrerzimmer", flüsterte ich und holte mein Handy heraus auf dem ich eine Taschenlampen App installiert hatte. Auch in das Lehrerzimmer kam ich Problemlos, von da aus musste ich nur suchen, wo genau Luhans Platz war und wo er diese Tests hingetan hatte, von denen Sehun gesprochen hatte. Ich verbrachte eine gefühlte Ewigkeit damit, Luhans bescheuerten Tisch zu finden und schließlich gelang es mir, als ich eine Hausarbeit von Suho entdeckte, die Luhan mit seinen Initialen unterschrieben hatte. Ich seufzte erleichtert und hätte mich beinahe vor Freude auf den Tisch geworfen, doch stattdessen stützte ich mein Handy gegen eine unaufgeräumte Tasse, damit das Licht über den Tisch schien. Mit beiden Händen kramte ich dann herum und suchte nach irgendwas das nach Textbögen aussah. Ich schob ein paar Hefte und lose Blätter umher, ehe ich auf einen ordentlichen Stapel stieß. Ich zog ihn näher zu mir heran und grinste über beide Ohren, als ich las was auf der vordersten Seite vermerkt war.
Test nr.2 Ming-Dynastie und ihr Wirken – Kl.2 30 min
Ich überflog die Fragen für eine Sekunde und runzelte ein paarmal die Stirn. Überraschungstests waren Erfindungen der Hölle...stellte sich nur die Frage, woher Sehun von Luhans Vorhaben wusste. Ganz sicher hatte unserer Lehrer ihm nichts davon gesagt, viel eher war es wohl Luhans Wut auf Sehun zu verdanken gewesen, dass er den Test überhaupt konzipiert hatte. Ich wollte den Test gerade mitnehmen, als mir eine neue Idee kam.
Ich setzte mich an den Tisch und schlug den Laptop auf. Mit ein ganz klein wenig Glück...ich lachte leise als der Schullaptop tatsächlich kein Passwort hatte. Entweder die Seongon war tatsächlich ein sicherer Ort und die Lehrer erwarteten solche Versuche ihrer Schüler nicht, oder sie waren einfach sehr naiv. Ich ließ meine Knöchel kurz knacken und ging Luhans Dokumentenliste durch. Der Entwurf der Testbögen war in Null Komma nichts gefunden.
Ich schaltete den Drucker ein und machte mich an die Arbeit.

„Das hat ziemlich lange gedauert", begrüßte mich Sehun, als ich ihm am Tor entgegen kam.
„Ich habe Luhans Platz nicht gefunden."
„Und hat alles geklappt?"
Ich zuckte nichtssagend die Achseln. „Wo sind Baekhyun und Chanyeol?"
„Schon bei mir." Er gab erneut etwas in sein Handy ein und das Tor schloss sich von neuem, bevor wieder dieser Ton erklang. Gehörte wohl zum Sicherheitssystem. „Gehen wir, bevor wir den gesamten Spaß noch verpassen."
Das Adrenalin und die Aufregung von eben hatten mich wieder so gut wie nüchtern gemacht, was sich bei Sehun Zuhause schnell wieder ändern sollte.
„Wo sind deine Eltern?", fragte ich Sehun zwischen zwei Shots puren Wodka und Sehun antwortet nur vage etwas über geschäftlich im Ausland und alle weiteren Fragen gingen unter, als Baekhyun mich von der Couch zog um aus dem riesigen Wohnzimmer einen Dancefloor für vier zu errichten. Wir tanzten zu dröhnender Musik die aus Lautsprechern neben dem Flat Screen dröhnte und wir hörten erst auf als unsere Beine nachgaben.
„Das Haus hat eigentlich genug Schlafzimmer", murmelte Baekhyun schläfrig, während er sich in das Sofa kuschelte das er sich mit Chanyeol teilte.
„Zu müde", murmelte ich und spürte wie meine Augen immer wieder zu fielen. Ich lag neben Sehun auf dem Teppich, wo wir irgendwann einfach kollabiert waren. Wir beide hatten das Tanzen am längsten ausgehalten, schafften es nun jedoch noch nicht einmal mehr bis zur nächsten Couch. Dankenswerterweise hatte uns Chanyeol ein paar Kissen ins Gesicht geworfen, die wir uns unter die Köpfe legen konnten.
„Willkommen Jongin", flüsterte Sehun dann plötzlich und ich drehte mein Gesicht überrascht zur Seite. Sehuns Augen waren geschlossen und ich hatte eigentlich angenommen dass er bereits eingeschlafen war. Ich musste unweigerlich grinsen.

Der Sonntag danach war der schlimmste Tag in meinem Leben gewesen. Nachdem ich mich Nachhause geschleppt hatte, verbrachte ich den Morgen auf der Toilette, mit dem Kopf entweder über der Kloschüssel oder an der Wand um meine heiße Stirn zu kühlen. Den Rest des Nachmittags lag ich mit Aspirin zu gedröhnt auf der Wohnzimmer Couch und am Abend war ich endlich wieder mehr oder weniger aufnahmefähig. Das erste was ich tat, war mein Handy wieder aufzuladen (irgendwann zwischen Schuleinbruch und Hausparty hatte es den Geist aufgegeben) und checkte meine Nachrichten. Ich war mehr als Überrascht dass ich über zehn verpasste Anrufe und ebenso viele SMS hatte.
Stirnrunzelnd ging ich sie schnell durch.

Um Mitternacht kam die erste. Von Kyungsoo.

‚Alles in Ordnung Jongin?'

Nur eine halbe Stunde darauf die nächste: ‚Jongin?'

Und von da an immer im halben Stunden Takt: ‚Melde dich bei mir.' Und viele die so ähnlich klangen.

Seine aller letzte hatte er heute Morgen um zehn Uhr gesendet: ‚Jongin verdammt!!'

Ich machte mir erst gar nicht die Mühe alle meine Mailbox Nachrichten Abzuhören, stattdessen tippte ich einfach Kyungsoos Festnetznummer ein. Es klingelte zwei Mal, dann war ein atemloses ‚Jongin?!' am anderen Ende zu hören.
‚Hyung was ist los?'
‚Was los ist??' Kyungsoo's Stimme klang laut und wütend, so ähnlich wie damals wenn er mich fürs Schwänzen mit Ravi angemeckert hatte, mit dem Unterschied das Kyungsoo dann immerzu seufzen und die Achsel zucken würde. In diesem Fall klang es eher als würde er mich gleich anschreien. ‚DU bist derjenige der Spurlos verschwunden ist, der nicht an sein verdammtes Handy rangegangen ist!"
Er schrie tatsächlich. ‚Tut mir leid Hyung, ich war unterwegs und-'
‚Das ist mir egal du Vollidiot!!'
Ich blinzelte mehrfach, seit wann fluchte Kyungsoo? ‚Hyung?'
‚Vergiss es'
‚Warte! Leg nicht auf!' Ich wartete angespannt auf das Freizeichen, doch es setzte vorerst aus. Erleichtert atmete ich aus. ‚Ich war mit Schulfreunden in so einem Club und später noch bei einem von ihnen daheim. Ich hab nicht auf mein Handy geguckt, ehrlich.' Und das entsprach der Wahrheit. Selbst als ich in die Schule eingebrochen war und meine Taschenlampen App aktiviert hatte, waren mir die ganzen Benachrichtigungen nicht aufgefallen.
Kyungsoo am anderen Ende der Leitung schwieg.
‚Hyung? Es tut mir leid. Ehrlich.'
Ich hörte Kyungsoo lange ausatmen und wusste, dass seine Wut fürs erste abgeflaut war.
‚Wenn es dich irgendwie beruhigt', setzte ich also schnell an. ‚Ich hatte einen ziemlich miesen Tag und ich glaube ich werde nie wieder Alkohol trinken.'
‚Geschieht dir Recht.'
Ich lachte und schließlich stimmte auch Kyungsoo leise ein. ‚Macht's dir was aus, wenn ich vorbeikomme?'
Ich blickte etwas überrascht auf die digitale Uhr im Wohnzimmer, die bereits sieben Uhr anzeigte.
‚Klar von mir aus gerne, aber-'
‚Gut, ich bin bald da.'
‚Wie willst du danach Heimkommen, es wird spät sein...'
Kyungsoo antwortete nicht und legte einfach auf.
Ich hatte gerade genug Zeit mich zu duschen und meine Zähne zu putzen, als die Türklingel durch das Haus schrillte. Ich öffnete von Zuhause aus das Tor und wartete bis Kyungsoo die Auffahrt hoch gelaufen war, bevor ich die Haustüre aufschwingen ließ.
„Hey", begrüßte ich ihn und winkte ihn herein. Es war kalt draußen und Kyungsoos Wangen waren ganz rot. „Du bist völlig außer Atem, bist du hergerannt?", spaßte ich, erhielt jedoch keine Antwort. „Willst du was Warmes trinken?"
Kyungsoo bejahte mit einem Kopfnicken, während er Schuhe und Mantel abstreifte. „Wo sind deine Eltern?", fragte er, als er sich auf einen Stuhl vor der Kücheninsel niederließ, die Ellenbogen auf der Tischplatte abgestützt.
„Urlaub", antwortete ich, während ich Wasser aufkochen ließ.
„Warum bist du nicht bei ihnen?"
„Sie sind recht spontan gefahren, ich habe erst davon erfahren, als ich schon andere Pläne hatte." Ich lehnte mich an die Tischplatte und beäugte Kyungsoo neugierig. „Was war gestern los mit dir? Warum die vielen Anrufe?" Kyungsoo wich meinem Blick aus. „War bei dir alles in Ordnung?"
„Lass uns nicht darüber reden."
Kurz war ich sprachlos. „Kyungsoo...ist da irgendwas das ich wissen sollte?"
Er blickte mich lange an, dann schüttelte er den Kopf. „Nein, ich...ich hab mir nur Sorgen um dich gemacht. Du hast dich nicht gemeldet und ich habe zu viel hinein interpretiert. Tut mir Leid."
„Wo warst du dann gestern?"
„Ich? Daheim."
Ein ungutes Gefühl beschlich mich. „Und Vorgestern?"
„Was war Vorgestern?"
„Wir waren bei Ravi. Du bist früher gegangen...wohin bist du gegangen?"
„Nachhause", antwortete Kyungsoo und lächelte. „Mir ist vom Soju ein bisschen übel geworden, aber ich wollte die Stimmung nicht runterziehen. Nichts Ernstes."
Vielleicht wäre dies der Zeitpunkt gewesen, Kyungsoo auf die Sache anzusprechen, ihn zu fragen wieso er mich anlog. Ihn zu fragen wieso er mir am Freitagmorgen gesagt hatte, er hätte keine Schule gehabt, obwohl Ravi und die anderen dies verneint hatten. Und ihn zu fragen, weshalb er behauptete nach Ravi Nachhause gegangen zu sein, obwohl ich nur wenige Stunden später vor seinem Hauseingang gestanden war und die Türklingel Totgedrückt hatte. Ohne das kleinste Zeichen von ihm zu erhalten.
Aber der Moment verging, der Teekocher schaltete sich selbst aus, und kein Ton war über meine Lippen gekommen.
Das erschreckende war, dass nur ein kleiner Teil von mir die Wahrheit hören wollte, der andere, viel größere Teil, lebte gerne in dieser Ungewissheit. Was auch immer Kyungsoo zu verbergen hatte, etwas in mir sträubte sich es zu erfahren. Zu viele Veränderungen hatten sich schon in mein Leben geschlichen, noch eine weitere wollte ich nicht hineinlassen. Vor allem nicht, da sie Kyungsoo betraf.
Und es war einfach die Augen vor seiner Veränderung zu verschließen. Teetassen in der Hand lümmelten wir und auf die Couch und es war so simpel ein belangloses Gespräch aufzubauen. Ich sprach alles aus was mir in den Sinn kam, ohne Einschränkungen oder Hemmungen. Mit Kyungsoo war alles so einfach.
Zeit verging und als ein Uhr nachts war, hob der dunkelhaarige die Arme über den Kopf und streckte sich, bis sein Rücken leicht knackste. „Ich geh dann mal."
„Kommt nicht in Frage, es ist viel zu spät."
Kyungsoo verdrehte die Augen. „Ich komm schon zurecht Jongin. Ich bin älter als du, schon vergessen?"
„Was hat das mit Alter zu tun?"
„Viel", er grinste.
Ich schüttelte entschieden den Kopf. „Du bleibst."
„Morgen ist Schule."
„Und? Wir können früh genug aufstehen, damit du nicht zu spät kommst."
Kyungsoo sah nicht überzeugt aus, machte jedoch auch keine Anstalt aufzustehen und zu gehen. Ich ergriff also die Initiative, zog ihn am Handgelenk mit mir von der Couch und führte ihn die Wendeltreppe nach oben. „Es gibt mehrere Schlafzimmer, du kannst dir eins aussuchen."
„Du musst nicht extra wegen mir ein Bett neu beziehen."
„Was heißt schon ‚extra wegen mir'." Ich warf ihm einen bösen Blick zu. „Ich mach das gern."
Kyungsoo blieb im Flur stehen, er blickte auf seine Füße und schabte den rechten über den Boden. „Kann ich dann deines haben?"
Ich zuckte die Achseln. „Klar. Ich nehme dann das andere, kein Problem."
Er öffnete den Mund ohne dass ein Ton rauskam, also schob ich ihn in mein Zimmer und ins angrenzende Bad. „Unten im Schrank gibt's noch verpackte Zahnbürsten, du kannst das gelbe Handtuch benutzen und ich bring dir gleich ein paar Kleidungstücke."
„Ein Shirt reicht."
„Keine Hose?"
Kyungsoo schüttelte den Kopf. „Ich schlafe lieber ohne."
„Gut." Aus meinem Schrank beförderte ich ein graues oversized Shirt auf dem braune Muster abgedruckt waren und schlüpfte wieder ins Bad, wo Kyungsoo gerade mit Zähneputzen beschäftigt war. Ich stellte mich neben ihn und fing selbst an meine Zähne zu putzen. Als er mich durch den Spiegel ansah, schnitt ich eine Grimasse mit Schaum vor dem Mund und Kyungsoo musste so sehr lachen das er ein wenig von der Zahnpasta verschluckte. Er schlug mir mit der Hand über die Schulter und spülte sich dann den Mund aus.
„Du Kind."
„Immer zur Stelle", grinste ich zurück und ließ ihn wieder alleine.
Als Kyungsoo kurz darauf aus dem Bad kam, hielt ich eines der vielen Kissen auf dem Bett unter dem linken Arm und machte mich daran das Zimmer zu verlassen.
„Hey."
„Hm?"
„Musst du...gehen?"
„Was?"
Kyungsoo sah irgendwie verloren aus in dem grauen Shirt das ihm bis auf die Mitte seiner nackten Oberschenkel reichte. Ich spürte meine Wangen heiß werden.
„Das Haus ist ein wenig...unheimlich weil es so groß ist."
„Sag doch gleich, dass du mit mir schlafen möchtest", erwiderte ich mit einem breiten Grinsen und wechselte den Kurs, in Richtung meines eigenen Bettes. Ich warf das Kissen voraus und streifte dann mein Shirt ab. Schon unter den Decken, klopfte ich auf den Platz neben mir bis Kyungsoo sich ebenfalls hinlegte.
„Jongin?"
„Hm?"
„Ich-" Es war so dunkel das ich nichts erkennen konnte, nicht einmal Kyungsoo der direkte vor mir lag. So ein Glasdach brachte wirklich nichts, wenn man die Sterne nicht sehen konnte. „Gute Nacht."
Etwas in meinem Inneren zog an mir, weil Kyungsoo seinen Satz nicht vollendet hatte, aber wie schon zuvor ignorierte ich das Unbehagen und erwiderte ebenfalls mit einem Gute Nacht.
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Ich habe mir ziemlich viel Zeit gelassen nicht wahr? Tur mir leid, kommt hoffentlich nicht mehr vor :) Schreibt mir was ihr von dem Chapter haltet <3
Liebe Grüße!

DiamantenstaubWo Geschichten leben. Entdecke jetzt