Kapitel 6

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Kapitel 6
Es war Zeit, mich fertig zu machen, um zur Vertragsunterzeichnung zu fahren.
Ein flüchtiger Blick in den Spiegel zeigte mir meine leicht geröteten Wangen und meine vollkommen zerzausten Haare von der Rangelei mit Tae.

Ich strich mir nachdenklich über mein Kinn. Es war höchste Zeit, mich zu rasieren. Wer weiß wem ich heute alles begegnen würde ... Da wollte ich den bestmöglichen Eindruck hinterlassen, wenn ich mich das erste Mal seit langer Zeit wieder im Gebäude meiner Agentur blicken ließ.
Das Rasieren war schnell erledigt. Ich hatte zum Glück noch nie den ausgeprägtesten Bartwuchs von uns sieben gehabt. Tae hatte es da deutlich schlimmer getroffen und auch Yoongi hatte ein schweres Los gezogen, bis er sich schließlich vor Jahren dafür entschied, sich einer Laserbehandlung zu unterziehen.

Solch drastische Mittel hatte ich nicht nötig, aber alle paar Tage musste ich meine paar Stoppeln rasieren, es sah sonst einfach unmöglich aus.
Zufrieden mit dem Ergebnis, versuchte ich nun meine Haare mit meiner Bürste wieder in eine zumindest einigermaßen passable Form zu bringen, was gar nicht so einfach war. Leicht frustriert band ich sie schließlich in einen unordentlichen Dutt zusammen. Na bitte. Sah aus wie gewollt, so konnte ich mich sehen lassen. Vielleicht sollte ich sie mir doch mal wieder schneiden lassen...

Nachdem ich auch mit meinem Make-up fertig war, musste ich mir nur noch etwas zum Anziehen aussuchen.
Ich hatte über die Wahl meiner Kleidung, die ich mit nach Korea nahm, lange nachgedacht. Hauptsächlich hatte ich deshalb einfache, aber auch stylische Kleidung eingepackt. Schwarz-weiße Kombination gingen immer. Mir fiel die Wahl auf einen schwarzen Pullover nicht schwer. Er hatte einen vielleicht etwas gewagten Ausschnitt, zeigte aber nichts, was ich nicht zu zeigen bereit war.

Trainingskleidung hatte ich keine eingepackt, mir war in Amerika nie der Gedanke gekommen, dass ich sie brauchen könnte. Vielleicht konnte mir Tae aushelfen.
Ich nahm meine noch recht leere Tasche in die Hand und verließ das Zimmer.
Tae hatte sich in der Zwischenzeit auch fertig gemacht und saß nun am Küchentisch und trank etwas, das wie Kaffee aussah. Es verwunderte mich etwas, schließlich war Tae immer jemand gewesen, der den bitteren Geschmack davon nicht mochte.

„Seit wann trinkst du Kaffee?"

Tae nahm einen letzten Schluck aus seiner Tasse und verzog angewidert das Gesicht.
„Eigentlich gar nicht. Nur, wenn ich zu müde bin, um irgendwas auf die Reihe zu bekommen. Heute Nacht war irgendwie... unruhig."
Ich ersparte mir die Frage, ob sein weniger Schlaf heute Nacht mit mir zusammenhing - ich war mir ziemlich sicher.
Auch wenn ich so gut geschlafen hatte, wie lange nicht mehr, so wusste ich, dass ich mich viel im Schlaf bewegte und Tae war sicher der Leidtragende gewesen. Außerdem war er weit vor mir aufgestanden.

Schnell wechselte ich das Thema. Wenn es um Schlafgewohnheiten ging, so nahmen wir uns beide nichts.
„Ich wollte dich fragen, ob du mir Trainingssachen leihen kannst. Ich hab dummerweise keine eingepackt und nachher hab ich bestimmt ein bisschen Zeit, da dachte ich, dass ich mir mit Training ein wenig die Zeit totschlagen kann."
„Klar, komm mit."
Er stand vom Tisch auf und ging in sein Schlafzimmer. Er führte mich zu seinem komfortablen Kleiderschrank, mit dem ich kurz vorher schon vertraut geworden war und stöberte kurz darin herum.
Schließlich reichte er mir eine schwarze kurze Hose und ein recht weit geschnittenes T-Shirt. Er trug gerne oversized, da war es sicher schwer etwas zu finden, dass mehr meinem Geschmack traf. Dankbar für seine Mühe, nahm ich es ohne Murren entgegen.

„Danke."
„Kein Ding. Können wir los?", fragte er mich nach einem schnellen Blick auf seine Armbanduhr.
Schnell verstaute ich seine Leihgabe in meiner Tasche.
„Ja."

~+~+~+~

Tae ließ mich in der Tiefgarage aussteigen und wir verabschiedeten uns voneinander.

„Danke fürs Fahren. Viel Spaß!", wünschte ich ihm.
„Na mal sehen, die meiste Zeit besteht bestimmt aus Warten. Dir aber viel Erfolg!"
Er hielt mir die Faust hin und ich schlug ein. Dann fuhr er davon.
Um mich zu beruhigen, atmete ich langsam tief ein und aus. Wieso war ich so nervös? Ich hatte nichts zu befürchten. Wenn alles im schlimmsten Fall furchtbar schief laufen würde, dann gab es eben kein Konzert. Der Gedanke daran traf mich und stach in meinem Herzen tief in mir drin. Vielleicht war ich deswegen so ein Nervenbündel. Ich wollte nicht, dass es schief ging.
Nun gut, dann war es jetzt Zeit, den professionellen Jimin herauskramen, den ich so lange nicht hatte hervorholen müssen.

Ich merkte, wie ich mich ein wenig mehr aufrichtete und gleichzeitig eine selbstbewusstere Haltung einnahm. Wirklich gut kannte ich mich in dem neuesten Gebäude von Hybe nicht aus, aber ich wusste, wo der Zugang von der Tiefgarage war.
Zielstrebig ging ich darauf zu, wo ich gleich von einer Mitarbeiterin empfangen wurde. Ich nickte ihr zur Begrüßung zu.

„Guten Tag. Haben Sie einen Termin?"
Etwas ungläubig starrte ich sie an, bis ich meine Fassung wieder fand. Erkannte sie mich wirklich nicht? Ich war zu lange nicht hier gewesen.
„Ich habe einen Termin bei Bang Si-hyuk."
Die Mitarbeiterin musterte mich kurz, noch immer war in ihren Augen kein Erkennen zu sehen.
„Und sie sind...?

Wann war es mir zuletzt passiert, dass man mich nicht erkannt hatte? Und das bei Hybe? Die Dame musste neu hier sein, ziemlich sicher.
Ein etwas belustigendes Grinsen schlich sich auf mein Gesicht.
„Park Jimin." Noch immer sah sie ratlos aus. „BTS?"
Langsam, ganz langsam zeigte sich Erkenntnis in ihren Gesichtszügen. Sie lief puterrot an. „Oh... Ich... Sie kennen sich dann sicher aus." Sie verneigte sich tief vor mir. Als ich an ihr vorbei ging, schenkte ich ihr noch ein Grinsen und einen tiefen Blick in die Augen.
„Danke sehr."

Mit meinem Blick brachte ich sie vollkommen aus der Fassung, die sie sich so mühsam versucht hatte, zu bewahren.
Weniger flirty, schalt ich mich selbst.
Selbstsicherer, als ich mich eigentlich fühlte, ging ich zielstrebig auf die Aufzüge zu und drückte den Knopf, der sie zu mir holen würde. Den Blick der Mitarbeiterin konnte ich förmlich spüren. Ich versuchte, ihn zu ignorieren und tat so, als wäre die Stockwerkanzeige, auf dem sich der Fahrstuhl gerade befand, das Spannendste, was ich je gesehen hatte.
Der Fahrstuhl kam endlich in meinem Stockwerk an und die Türen öffneten sich mit einem „Pling".

Es stiegen eine Frau und zwei Männer aus, die mich auf ihrem Weg in die Tiefgarage interessiert musterten. Unsicher, ob sie mich erkannt hatten oder ob sie einfach an sich an mir interessiert waren, stieg ich in den nun leeren Aufzug.
Als die Türen zugingen, war ich kurz ratlos, in welches Stockwerk ich fahren musste. Langsam kam die Erinnerung wieder und ich drückte den vermeintlich richtigen Knopf. Als ich den leichten Druck in meinem Bauch wahrnahm, der mir zeigte, dass sich der Fahrstuhl aufwärts bewegte, erlaubte ich mir einen kleinen Augenblick der Schwäche und vergrub mein Gesicht in meinen Händen.

Ich wollte das, ermahnte ich mich. Es sollte mir eigentlich nicht so schwerfallen.
Als der Fahrstuhl anhielt und ein Mann einstieg, den ich nicht kannte, nahm ich mich wieder zusammen.
Im richtigen Stockwerk stieg ich aus und erkannte die Etage wieder. Ich musste nur hier kurz den Flur entlang ... Schon stand ich vor der Tür von unserem Geschäftsführer.
Ein letztes Mal atmete ich tief durch und klopfte an.
Seine vertraute Stimme bat mich herein. Ein wenig unsicher blieb an der Tür stehen, die ich, nachdem ich eingetreten war, hinter mir schloss und wartete darauf, dass sich Bang Si-Hyuk zu mir umdrehte. Er war sichtlich beschäftigt und kurz kam mir der Gedanke, dass ich ihn vermutlich störte.
Als er sich schließlich wunderte, wieso sein Besuch so schweigsam war, drehte er sich um und sah mich.

„Hey..."
Unsere Beziehung zueinander ging weit über das übliche distanzierte Verhältnis zwischen Geschäftsführung und Idol hinaus. Wir alle von BTS hatten eine enge Freundschaft mit ihm. Er war wie unser großer Bruder. So wunderte es mich nicht, dass er freudig von seinem Stuhl aufsprang und mich kurz in eine Umarmung schloss.
Es fühlte sich gut an. Die ganze Anspannung und Unsicherheit, die ich zuvor gespürt hatte, verschwand.
Einen Moment musterte er mich.

„Es ist so schön, dich wieder zu sehen."
Ich lächelte ihn an.
„Es fühlt sich für mich an, als würde ich nach Hause kommen."
Er sah mich genauer an, zögerte kurz, als würde er in meinem Gesicht etwas suchen. Vielleicht hatte er es gefunden.
„Also... Dann reden wir Zwei einmal, ja?

Forever Together | JikookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt