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Maxime

Aggressiv erhebe ich mich nun, während die Tränen nur darauf warten über meine glühenden Wangen zu laufen.
Es ist als würde jemand, wenn über meine Familie geredet wird, mein Herz nehmen und es versucht auseinander zu reißen. Meine Familie ist kaputt. Das weiß ich, doch will ich nicht unnötig daran erinnert werden.
Es ist traurig genug andere, glückliche Elternteile zu sehen, wie sie ihr Kind zusammen an dieser Academy ablassen und vor Freude Tränen weinen.
Es ist nicht fair. Nicht fair, keiner von diesen Jugendlichen zu sein.

„Halt die Klappe", zische ich leise, um das Zittern in meiner Stimme zu verbergen.
„Hast du überhaupt jemanden der sich um dich schert?", lacht sie weiter und erhebt sich ebenfalls.
„Ich meine, du warst deiner Mutter wohl so wenig wert, dass die dich und deinen ach so tollen Vater,  wegen einem Cracksüchtigen verlassen hat."
„Halt die Klappe!", schreie ich nun lauter, während meine Beine es gerade noch so schaffen, mich aufrecht zu halten.

All diese Schmerzen fließen durch meinen Körper, all die Erinnerungen kommen zurück, die ich über die Jahre versucht habe zu vergessen, doch das schlimmste ist, dass sie recht hat. Meine Mutter hat uns wegen einem Drogenabhängigen verlassen, mein Vater ist gestorben.
Das gibt ihr dennoch nicht das Recht so darüber zu sprechen, als wäre meine Familie Abfall.

„Reicht es dir etwa schon, Nuevo? Denn-", setzt sie wieder an und kommt sogar ein paar Schritte in den Kreis, bevor sie von Raven zurückgehalten wird, welcher nun mit bebender Brust hinter ihr steht.
„Es reicht", zischt er aggressiv, fasst das Mädchen am Arm und zieht sie zurück.

Dankbar für seinen Eingriff, atme ich erleichtert aus.
Schniefend schaue ich in die Runde und stelle fest, dass alle Augen auf mir liegen.
Angewidert, herablassend. So schauen sie mich an.
Als wäre ich irgendein zugelaufener Köter, der nicht einmal die geringste Chance hat zu überleben.

Miles, welcher auf der anderen Seite sitzt, schaut mich mit angespannten Kiefer an, genau wie Luca.
Doch keiner von ihnen tut etwas. Es liegt nur eine, nicht zu beschriebene Dunkelheit, in ihren Augen.
Ich meine, was erwarte ich auch? Reiche Kids, die sich für irgendeine Bitch erheben um sie zu verteidigen?

Verzweifelt auflachend, hebe ich meine Tasche auf und fahre mit meinem Finger unter meinem Auge entlang, um die verschmierte Mascara zu entfernen.
„Ich gehe besser", gebe ich gepresst von mir, schaue ein letztes Mal in die wütenden Augen des blonden Mädchens, drehe mich um und öffne die große Holztür.

Und nun kullern mir die Tränen unkontrolliert über meine Wangen, während ich die Treppe hinunterlaufe, mich durch die vielen Menschen quetsche und endlich draußen ankomme.

Ich hätte auf Joel hören sollen.
Ich hätte nicht auf diese sinnlose Party gehen sollen!
Ich hätte in meinem Zimmer bleiben und etwas zeichnen sollen. Mal wieder habe ich die falsche Entscheidung getroffen.
So wie immer.

Verzweifelt lasse ich mich auf die Stufen von Haus sieben fallen, lege mein Gesicht in meine zitternden Hände und weine. Ich weine und weine und weine.
Ich spüre wie die unzähligen Tränen über mein Gesicht laufen und vor mir auf den kalten Steinstufen landen. Es tut weh. Weh, dass so über meine Familie geredet wird. Dass ich für sie so wenig wert bin. Einfach alles tut weh.

Nicht einmal Luca, welcher mich so süß beobachtet hat, hat etwas getan. Naja, er ist eben auch einer von ihnen, wie die Blonde es so schön formuliert hat.
Die Geräusche von Schritten, welche immer näher kommen, bringen mich dennoch dazu schnell aufzublicken, meine Tränen wegzuwischen und den Weg ins Haus anzusteuern, doch seine Stimme hindert mich daran.

„Maxime," „Was willst du", zische ich wütend und starre in Raven's besorgtes Gesicht. „Willst du mich weiter runter machen, so wie es deine dreckige, kleine Freundin gemacht hat?"
„Sie ist nicht meine Freundin", meint er gefühllos und steigt auf die erste Stufe der Treppe. „Denkst du das interessiert mich? Du hast ihnen von meiner Familie erzählt, stimmt's?", frage ich enttäuscht nach, kurz davor wieder in Tränen auszubrechen.
Doch er schüttelt schweigend seinen Kopf, worauf ich verwirrt eine Stufe über ihm stehen bleibe.

Raven Where stories live. Discover now