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Maxime

Laut atmend stoße ich ihn von mir, sodass wir entfernter von einander auf dem kühlen Holzboden sitzen. Und während Raven weiterhin versucht durch meine Gesichtszüge zu entschlüsseln wovon ich rede, wische ich mir schniefend die Tränen von meinen Wangen und schaue ihm ernst in die Augen.

„Ich weiß das ihr alles abgesprochen habt", erkläre ich ihm nun mit fester Stimme und stütze mich leicht auf. „Maxime-" „Ich dachte du meinst es ernst. Ich dachte wirklich du hast mit mir gefickt weil du es wolltest", doch anders als ich wollte, werden die Töne, welche aus meinem Mund gleitet, immer leiser und zerbrechlicher. „Aber du wolltest nicht mich. Du wolltest meine Jungfräulichkeit."

Und als hätte ich ihn gerade auf zehn verschiedenen Sprachen schwer beleidigt, zieht er seine Augenbrauen verwirrt zusammen, weitet seine Augen und will mir wieder näher kommen, doch ich halte ihn davon ab. Denn wenn ich jetzt seine Hände an mir spüre und seine Körperwärme mich umhüllt, vergesse ich all das Schlechte über ihn. Und das darf ich nicht. Ich muss ihn so sehen wie er wirklich ist und durch keine rosarote Herzchen-Brille.

„Maxime", fängt er nun ruhig an, „ich habe wirklich keine Ahnung wieso du das sagst und wieso du auch nur ansatzweise denken würdest, dass ich wegen deiner Jungfräulichkeit mit dir geschlafen habe, aber bitte, bitte lass mich dich umarmen." Wieder schüttle ich den Kopf, während meine Hände, gefolgt von meinen Armen, stärker anfangen zu zittern. Er will mich manipulieren.

„Wieso bist du dann einfach verschwunden?" Wieder fängt meine Unterlippe an zu beben, wieder füllen sich meine Augen mit Tränen, der Gedanke, dass er nichts davon ernst gemeint hat, schwirrt erneut durch meinen Kopf und wieder will ich ihn einfach nur aus dem Fenster schmeißen.
„Das war wegen familiären Gründen. Meine Eltern brauchten meine Unterstützung", erklärt er nun leise und wagt es nicht einmal wo anders als in meine Augen zu schauen.

„Du musst mir glauben, Maxime, ich wollte dich küssen weil du mir gefällst", nun kommt er mir wieder näher, kniet sich vor mich und lässt unsere Fingerspitzen sich berühren, worauf ich schwer schluckend beiseite schaue. „Ich bin zu dir ins Zimmer gekommen, weil ich mit dir ein ernsthaftes Gespräch führen wollte. Ich hab dir geholfen, weil du mir irgendwie wichtig bist und ich hab mit dir gevögelt, weil wir es beide verdammt noch mal wollten." Nun ist seine Stimme ein leises Hauchen gegen meine Lippen, als würden leichte Windstöße gegen sie wirbeln, während er langsam seine Hand auf meine legt.

Und während sein sorgender Blick weiterhin über mein Gesicht gleitet, hebe ich meinen Kopf, lasse meine Lippen kurz vor seinen stehen und ziehe meine Hand langsam unter seiner weg.
„Du warst anscheinend nur nicht der einzige, der bei meinem ersten Mal dabei war."

„Was-" „Miles war dort", hauche ich nun, lasse dieses Mal meinen Blick durch sein Gesicht huschen, worauf er sich fragend von meinen Lippen entfernt. „Er hat und zugesehen", flüstere ich weiter, „er hat gesehen wie du mich von vorne und von hinten genommen hast. Wie ich deinen Gürtel in den Mund genommen habe und wie wir beide gekommen sind. Wie wir beide gestöhnt haben. Wie wir uns ausgezogen haben."

Schwer schluckend fasse ich um seine blasse Krawatte, wickle sie zitternd um meinen Finger und lecke mir über meine trockene Unterlippe. „Und jetzt sag nicht du wusstest nicht, dass er dort war." „Ich wusste das nicht", flüstert er sofort zurück, schaut mir verstört in die Augen, während ich die Krawatte nun langsam wieder von meinem Finger gleiten lasse. „Maxime, bitte-" „Shhhh", flüstere ich, halte mir die Tränen zurück, welche wieder ihren Weg über meine Wangen finden wollen und zwinge mir ein schmales Lächeln auf die Lippen.

„Aber es ist meine Schuld. Ich wusste wer du bist, wer deine Freunde sind und was deine Vergangenheit ist. Ich hätte es besser wissen sollen." Und nachdem diese Wörter meine Lippen verlassen haben, spüre ich Raven's pochende Hände um meinen Wangen. „Du weißt gar nichts über meine Vergangenheit, Maxime", murmelt er aggressiv zurück, kommt mir wieder näher, sodass ich seinen lodernden Atem auf meinen Lippen spüre und ich somit zitternd meine Augen schließe.

Glaub ihm nicht. Er lügt. Er sucht Ausreden. Glaub ihm nicht. Glaub ihm nicht. Glaub ihm nicht.

„Scheiße, ich mag dich Maxime. Wieso sollte ich dann so etwas zulassen?" Nun öffne ich meine gläsernen Augen, lasse all die Gefühle zu, welche ich versucht habe abzublocken und spüre wie mir eine der Tränen über die Wange läuft, während mich der Mond in seinen Augen dabei beobachtet.

„Ich red mit Miles. Ich werde dir beweisen, dass ich nichts davon wusste. Bitte. Glaub mir." Schmerz. Verzweiflung. Das sehe ich in seinem Blick. Das höre ich in seiner Stimme. Und genau das zerbricht mein Herz. Stück für Stück. Doch, dass Raven einer der Verantwortlichen für diese Qualen ist. Genau das will und kann ich nicht einsehen.

Doch ehe ich etwas erwidern kann, oder seine Hände von meinen Wangen nehmen kann, wird die Tür ohne zu klopfen aufgerissen. Erschrocken fahre ich herum und erblicke Miles. Miles, wie er unschuldig im Türrahmen steht, meine Tasche in seine Hand hin und her baumeln lässt, bevor er sie mitten in den Raum wirft.

„Die hast du vergessen", meint er ruhig, blickt abwechselnd Raven und mich an, während die Wut erneut durch meinen Körper pumpt. „Verschwinde." Das sind die Wörter die über Raven's Lippen kommen, bevor Miles' Blick von gelassen zu verwirrt wechselt. „Miles", mahnt er, lässt seine Hände von meinen Wangen gleiten und stellt sich nun, genau wie ich, hin.

Doch anders als befohlen, stößt er sich von dem Türrahmen ab, tritt schweigend in den kleinen Raum und schaut und abwechselnd an. „Was hat sie dir erzählt?" Ein ungläubiges Lachen dringt aus meiner Kehle, bevor ich meine Hände in die Hüfte stütze.

Niemand sagt etwas. Niemand wagt es dem anderen in die Augen zu schauen. Doch alle wissen was passiert ist. Vor allem Miles, welcher seelenruhig gegen die Wand gelehnt steht und durch das Fenster hinter uns schaut. Aber als Miles es nun wagt zu Raven zu blicken, ihm anscheinend einen alles sagenden Blick zuwirft und sich nun von der weißen Wand abstützt, Blick Raven zähneknirschend, aber dennoch ruhiger als vorher, zu mir.

„Geh bitte." „Was?" Empört lasse ich meine Hände fallen, schaue ein letztes Mal zu Miles, welcher nun regungslos auf den Boden schaut und schließlich wieder zu Raven, der gerade dabei ist seine Hände zu Fäusten zu ballen. „Geh einfach", wiederholt er sich, schaut schwer atmend zur Decke, bevor er mir wieder in die Augen schaut. „Bitte."

Doch ich sage nichts darauf. Denn die Enttäuschung, wächst und wächst von Augenblick zu Augenblick, desto länger Miles in diesem Zimmer stehen darf. Sie sind Freunde, das ist mir klar, aber lassen Freunde so etwas durchgehen?

Noch einmal schniefe ich, nachdem ich meine Tasche vom Boden aufgehoben habe und will die Tür gerade schließen, da drehe ich mich noch einmal um. „Ihr könnt mich beide mal." Ich lache. „Ja! Ihr könnt mich mal!", schreie ich erneut und fühle die Tränen erneut in meine Augen wandern und schlage die Tür nun zu.

Doch anders als vor ein paar Sekunden, wo ich die Stärke durch meine Adern fließen spüren hab, wandelt es sich nun in Schmerz um. Endloser Schmerz, den ich nicht beschreiben kann. Hoffnung. Hoffnung, dass Raven wirklich nichts davon wusste, ist nun das einzige was mir bleibt. Mehr habe ich nicht. Vertrauen ist das, was jetzt helfen kann. Und das habe ich. Nur vielleicht viel zu früh.

 Nur vielleicht viel zu früh

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Raven Where stories live. Discover now