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Maxime

„Ich war einfach noch zu müde", meine ich genervt und stemme meine Hände in die Hüfte. „Du hast verschlafen", verbessert er gelassen, verschränkt seine Hände hinter seinem Kopf und atmet entspannt aus. „Ich habe nicht verschlafen!" Mit dem Finger auf ihn zeigend, mache ich es ihm noch deutlicher, doch er lacht nur leise auf, bevor er seine Augen schließt.

„Hör auf zu lügen Nuevo", murmelt er und ist anscheinend so in seiner Traumwelt versunken, dass er vergessen hat, dass er nicht in seinem, sondern im meinem, eben noch frisch bezogenem, Bett liegt.

„Lass das", zische ich aggressiv und versuche ihn erst garnicht aus meinem Bett zu fischen, da er sowieso gegen mich ankämpfen wird. Also fange ich langsam an meine Malsachen zusammen zu packen. „Was denn?", fragt er erneut lachend.
Er macht sich über mich lustig. Das merke ich.
„Hör auf mich Nuevo zu nennen! Ihr alle sollt damit aufhören!", erkläre ich ihm mit lauter Stimme und schmettere das bekleckste Tuch in den Mülleimer, welcher überfüllt unter meinem Schreibtisch steht.

„Was heißt das überhaupt?", frage ich nun neugierig, da er nichts auf meine andere Aussage geantwortet hat, nehme mir meine Pinsel und laufe in mein Badezimmer. „Nuevo heißt neu", äußert er sich nach kurzem Schweigen.
Mit seiner Erklärung wartet er jedoch, bis ich wieder im Zimmer stehe und somit fertig bin Sachen hin und her zu räumen.

„Die Neuen werden immer Nuevo gennant. Manche öfter, manche seltener." „Hör trotzdem auf mich so zu nennen", meine ich herrisch und stelle mich vor meinen Ganzkörperspiegel um mir meinen Zopf zu binden. Gerade bin ich dabei das braune Zopfgummi um meine Haare zu wickeln, da unterbricht mich Raven's schläfrige Stimme, „Ich mag sie lieber im Dutt."

Laut ein und ausatmend binde ich mir dennoch meinen Zopf zu Ende und drehe mich in die Richtung meines Bettes, auf dem Raven nun mit geschlossenen Augen liegt. Ich sehe wie sich seine Brust gleichmäßig hebt, wie er ganz kurz mit seinem Augenlid zuckt, als ihn einer der Sonnenstrahlen trifft und wie seine Arme langsam auf seinem Oberkörper hallt finden.

„Wehe du schläfst jetzt ein!", meine ich lachend und trete gegen sein rechtes Bein, welsches schlapp aus dem Bett hängt. Ein leises Knurren seiner Seits und wieder füllt Schweigen den Raum.
Unwissend was ich nun tuen soll, starre ich ihn einfach an. Wie ein besessenes Mädchen, schaue ich mir all seine leichten Bartstoppel an, seine harten Bauchmuskeln, die man selbst durch das Hemd erkenne kann. Einfach alles an ihm scheint so makellos.

Doch dann fällt mein Blick auf seine verkrustete Unterlippe und sofort verfliegt der Gedanke, dass es so etwas wie perfekte Menschen gibt.
Niemand auf dieser verdammten Welt ist annähernd perfekt. Selbst die größten, berühmtesten Leute haben mindestens eine Sache in ihrem Leben getan, die sie hätten lassen sollen. Niemand ist stolz auf Taten die zulassen, dass dich andere als Monster sehen. Kein Mensch ist stolz auf all seine Entscheidungen. Niemand...

Seufzend lasse ich mich nun neben ihm auf mein Bett nieder und schaue ihn weiterhin regungslos an.
„Kein Wunder, dass du müde bist, wenn du die ganze Nacht damit verbringst andere zu verprügeln, statt zu schlafen."
Ein leises, erschöpftes Lachen kommt aus seiner Kehle, dennoch lässt er seine Augen geschlossen.
„Hat es doll geblutet?" „Macht sich da jemand sorgen?", fragt er grinsend nach und öffnet nun sein linkes Auge um mich betrachten zu können. Doch ich rolle genervt meine Augen.

„Hast du es wenigstens desinfiziert?" Keine Antwort. „Das nehme ich als ein Nein", murmle ich anscheinend eher zu mir selber, da seine Augen aufs Neue geschlossen sind. Mein Blick wandert weiter sein Gesicht hinunter, bis zu seinem Hals, an der wie gestern, seine kleine Schmetterlingskette hängt. Ob er sie wohl geschenkt bekommen hat?

Raven Donde viven las historias. Descúbrelo ahora