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Maxime

„Was machst du hier?", fragt Jo nun misstrauisch, schaut erst zu mir und dann zu Raven, welcher seine Hand immer noch nicht von meinem Arm genommen hat. „Sie wollte gerade gehen", zischt Raven aggressiv, fasst stärker um meinen nackten Oberarm und zieht mich richtig Ausgang.
Stolpernd versuche ich mich gegen ihn zu stemmen, doch ohne Erfolg.

„Lass mich los", murmle ich so, dass nur Raven hört was ich sage, doch er ignoriert mich. Er ignoriert mich einfach. Ungläubig lache ich auf, schaue noch einmal zu Jo, welche uns mit zusammen gezogenen Augenbrauen hinterher schaut und gerade auf uns zu laufen will, doch ich schüttle schnell den Kopf.
Ich muss jetzt alleine mit Raven reden.

Mit einem Ruck stößt er die Tür aggressiv auf, schubst mich neben sich und lässt die Tür wieder zu fallen. Sofort umhüllt mich die kühle morgen Luft, genau wie die vielen Naturgeräusche. Die Vögel, der Wind, der Fluss.
Seufzend streicht er sich über sein Gesicht, schließt für einen kurzen Moment seine Augen, bevor er mich stumm ansieht. Gänsehaut breitet sich auf meinem Körper aus. Nicht nur wegen seinem Blick auf mir, der mich vollkommen nervös macht, sondern auch wegen der Kälte. Schnell verschränke ich meine Arme vor meiner Brust und sehe ihn nun räuspernd an.

„Sieh mich nicht so an", zischt er wütend, zeigt mit dem Finger auf mich und kommt einen Schritt näher. Mein Blick landet auf seinen Knöcheln, welche immer noch so schrecklich wie gestern aussehen. „Wir wollten sie nicht vergewaltigen." „Es sah aber so aus, Raven!", antworte ich ihn nun aufgebracht und lasse meine Arme fallen. „Sie hatte Angst!", rede ich weiter und ziehe meine Augenbrauen schmerzhaft zusammen. Die Gedanken daran, wie es gewesen sein musste unter Miles zu liegen, Angst zu haben, was als Nächstes passiert. Ich wüsste nicht was ich getan hätte...

„Genau wie du gestern!", brüllt er zurück und kommt mir noch näher. Ich spüre seinen heißen Atem auf meiner Haut. Seine Augen durchbohren mich, mit diesen wunderschönen, hellen, grauen Augen. „Das ist nicht das gleiche." Verwirrt kräuselt er seine Stirn und tritt wieder zurück.

Natürlich will ich, dass sie dafür büßt. Aber nicht so. Nicht so, dass sie Angst hat vergewaltigt zu werden. Nicht so, dass sie verzweifelt vor meinen Knien hockt und sich ihre Seele aus dem Leib weint.
Nicht so.

„Und wo ist Miles? Ist er noch bei ihr? Wo ist er?-" „Was juckt es dich", unterbricht er mich mit bebender Stimme, worauf ich fassungslos meinen Mund schließe. „Wieso hilft er dir überhaupt? Kommt nicht wirklich so rüber, als würde er mich mögen." „Wenn ich Hilfe brauche hilft er mir, wenn er Hilfe braucht, helfe ich ihm." Nun ziehe ich meine Augenbrauen ungläubig hoch, bringe ein leises Lachen hervor und schüttle den Kopf.

„Bist du zu feige deine Sachen selber in die Hand zu nehmen?" Ich sehe, wie sich sein Kiefer gefährlich anspannt, er seine Hände zu Fäusten ballt und er die Luft scharf einatmet. „Wenn man keine Ahnung von dem Leben des anderen hat, sollte man die Fresse halten", zischt er nun, worauf die Wut in mir nur so kocht. Der Drang, ihn die Treppe links neben mir runter zu schubsen, wird von Sekunde zu Sekunde größer. Er hätte es verdient.

„Wieso mischt du dich dann in meins ein?" Keine Antwort. Kein Zucken. Kein Zeichen. Er steht einfach nur vor mir und starrt mich schweigend an. „Du hast meine Frage von eben noch nicht beantwortet", flüstere ich nun, trete so nah wie es geht an ihn heran und sehe zu ihm hoch. Seine Brust berührt meine ganz leicht wenn sie sich hebt. Seine Arme berühren meine ebenfalls. „Wieso hast du mich geküsst?" Wieder keine Antwort, doch spüre ich, wie sein Atem ungleichmäßiger wird. Wie sich seine Brust nun schnelle erhebt und senkt.

„Wieso hast du mich zurück geküsst?" Seine Stimme ist nun ein Hauchen. Leise. Dunkel. Mysteriös. „Du warst am Ende. Ich wollte dir helfen." Automatisch stoppt meine Atmung. Meine Augen weiten sich und ich trete sofort einen Schritt zurück. Einen großen Schritt.

„Was-" Doch sein Lachen unterbricht mich. „Außerdem wollte ich wissen, wie sich deine Lippen anfühlen". Zu schnell, dass ich mich wehren könnte, zieht er mich zu sich, legt seinen Arm um meine Hüfte und lässt seine Lippe über meine Nasenspitze gleiten. Mit angespanntem Kiefer, schaue ich zu ihm hoch, unsicher was ich tun, oder sagen soll.

„Du bist eigentlich wie die restlichen anderen an dieser verdammten Academy", flüstert er, lässt seine Hand langsam über meinen Arsch gleiten und führt die andere zu meinen Lippen. „Doch dass ich dich das erste mal im Zug und nicht in der Academy getroffen habe und du ausgerechnet auf meinem Platz saßt, dein heißes, blaues Top anhattest und die schlimmsten Augenringe hattest, die ich je gesehen habe, nehme ich das als Zeichen, dich ernst zu nehmen."

Ein Grinsen spielt sich nun um seine Lippen, doch scheinen meine wie versteinert. Mein Mund wird von Sekunde zu Sekunde trockener, mein Körper fängt von Augenblick zu Augenblick stärker an zu zittern. „Ich nehm das jetzt mal als Kompliment", hauche ich, lasse meinen Blick zu seinen Lippen schweifen, über die er sich kurz vorher geleckt hat.

Seine Hand streicht von meinen Lippen zu mein Kinn, welches er langsam anhebt. Seine andere führt er vorsichtig zu meiner Taille, doch ehe ich meine Begierde stillen kann, seine Lippen auf meinen zu spüren, höre ich die nächsten Worte, die seinen Mund verlassen. „Du bist viel, viel zu unschuldig Maxime." Dieses tiefe, dunkle Kratzen der Stimme. Ich will nicht lügen. Es ist heiß. Doch ehe ich auf seine frechen Worte antworten kann, höre ich Miles Stimme aus dem Haus dringen.

Zögernd lasse ich von Raven ab und schaue nun auf die Tür, welche sich sofort öffnet und nun
Miles und hinter ihm das Mädchen, gefolgt von Jo heraus tritt.

Ein genervtes seufzen aus Raven's Mund , bevor das Schwarzhaarige Mädchen ein letztes Mal entschuldigend zu mir blickt und an uns vorbei, die Treppe hinuntergeht und über das Gelände rennt. Mit einem breiten Grinsen geht Miles auf Raven zu, legt seinen Arm um seine Schulter und steuert mit ihm nun auch den Rückweg an.

Auf meiner Lippe herum beißend, sehe ich ihnen hinterher, doch Raven dreht sich kein weiteres Mal um. Kein letzter Blick. Kein letztes Wort. Gar nichts.
Anscheinend nimmt er mich doch nicht ernst genug.
„Maxime-" „Kann ich noch für die nächsten Stunden bei dir schlafen? Bitte?" Ich bin mir sicher, dass ich mich sogar ein wenig verzweifelt anhöre, doch als ich Joel's leichtes Lächeln und ein Kopfnicken sehe, laufe ich seufzend auf sie zu.

Langsam drehe ich meinen Kopf noch einmal in die Richtung von Raven und Miles, doch diese sind schon längst um die Ecke verschwunden. Ich habe versagt. Ich wollte Raven gerade wirklich einfach so wieder küssen. War ich nicht eben noch sauer auf ihn? Wollte ich ihn nicht die Treppe runter schubsen? Und im nächsten Augenblick verzaubert er mich mit seinen Wörtern und seinem Aussehen und ich vergesse meinen Hass für ihn. Dafür das er sich in meine Angelegenheiten einmischt, dem Mädchen „Angst machen" wollte und sie sogar zum weinen gebracht hat, wollte ich ihn küssen?
Scheiße wie kann ich nur so tief sinken? Bin ich so abhängig von ihm?

„Ich wolle sowieso noch mit dir reden, als ich gehört habe, was gestern passiert ist", meint sie besorgt, legt ihre Hände auf meine Schultern und schaut mir traurig in die Augen. Doch ich lächle. Ich lächle darüber, dass ich eine Freundin habe. Eine echte Freundin, an dieser beschissenen Academy, welche mir eigentlich meinen größten Traum schenken sollte. Vielleicht kommt das alles noch.

Vielleicht müssen sie mich erst akzeptieren. Vielleicht muss ich einfach kämpfen. Kämpfen, nicht unter zu gehen. Kämpfen ich selber zu bleiben.

 Kämpfen ich selber zu bleiben

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Raven Where stories live. Discover now