Wir werden jeden Punkt auf dieser Liste erfüllen

1.8K 302 40
                                    

Gott sei Dank kann ich am nächsten Tag wirklich nach Hause.
Liam holt mich wie versprochen aus dem Krankenhaus ab und als wir in meiner Wohnung ankommen, stellt er eine große Auflaufform auf meinen Küchentisch. Sofort läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Das Essen im Krankenhaus war einfach ekelhaft. Nialls Lasagne kommt mir in diesem Moment genau richtig.
Wie, als wenn Liam meine Gedanken lesen kann, holt er einen Teller aus meinem Schrank, gibt etwas von der Lasagne hinauf und stellt diesen dann in die Mikrowelle und startet diese.
"Du solltest nicht alleine bleiben".
Ich verdrehe meine Augen und hole eine Flasche Wasser aus meinem Kühlschrank. "Liam, ich bin keine Vier. Ich kann auf mich alleine aufpassen, weißt du?". Mein bester Freund brummt mürrisch, schnappt sich dann meine Flasche und füllt zwei Gläser mit Wasser. "Wegen deiner Gehirnerschütterung, du Depp."
Die Mikrowelle gibt ein Piepsen von sich und mein Magen beginnt zu knurren. Schmunzelnd stellt Liam mir den heißen Teller vor die Nase und gierig schiebe ich mir die erste Gabel in den Mund. Dass ich mir dabei den Gaumen verbrenne und es höllisch heiß ist, versuche ich zu vertuschen - was mir aufgrund meines schmerzenden Stöhnens allerdings nicht gelingt.
"Ich kann hier bleiben. Niall könnte später vorbeikommen und dann-" - "So ein Quatsch."
Ich begutachte die Lasagne auf meiner Gabel und puste einmal, warte dann aber doch lieber noch einen Moment. "Ich brauche keinen Babysitter, Liam. Mir geht es gut. Ich schone mich und in ein paar Tagen bin ich wieder fit." Dass es mir gut geht, ist zwar nicht so ganz richtig, aber das muss Liam nicht wissen. Ich habe immer noch starke Kopfschmerzen und hin und wieder wird mir schwindelig. Aber wenn ich das jetzt meinem besten Freund erzähle, dann nistet er sich hier die nächsten Tage ein und bemuttert mich ohne Ende. Nein, darauf habe ich keine Lust.
"Außerdem kommt mein Freund vorbei."
So. Jetzt kann Liam nicht mehr meckern, dass ich alleine bin. Ich habe zwar keine Ahnung, ob Harry heute vorbeikommt, aber das muss mein bester Freund ebenfalls nicht wissen.
Als ich jedoch zu Liam schaue, den irritierten und leicht geschockten Blick erkenne, fällt es mir wie die Schuppen von den Augen.
Scheiße.
Ich habe Liam ja noch gar nicht gesagt, dass ich nun in festen Händen bin.
"Seit wann hast du einen Freund?", möchte er wissen und ich bemerke nicht nur seine Irritation darüber, sondern auch, dass er gekränkt ist. Ich entscheide mich also für eine kleine Notlüge, damit ich meinem besten Freund jetzt nicht das Herz breche.
"Seit einigen Tagen. Ich wollte es dir gestern eigentlich erzählen, aber dann kam uns ja was dazwischen".
Seit einigen Tagen ist Auslegungssache, oder?
Liam nickt verstehend und schenkt mir dann ein liebevolles Lächeln. Anscheinend ist das für ihn okay und das lässt mich innerlich aufatmen. Schnell schiebe ich mir die Gabel mit der Lasagne in den Mund, denn Liam sieht mich erwartend an und ich habe keine Lust, ihm jetzt alles zu erklären.
"Ist es dieser Typ, mit dem du schon eine ganze Zeit vögelst?".
Kauend nicke ich, schlucke den Bissen herunter und trinke dann einen Schluck. "Ja", gebe ich zu und bemerke, wie sich meine Lippen zu einem Lächeln verziehen. "Irgendwie ist da doch mehr und naja - scheint so, als wenn wir uns vollkaracho ineinander verliebt haben." Mein bester Freund grinst. "Wusste ich es doch. Es war schon auffällig, dass du ihn nicht gleich wieder abgeschoben hast."
Ich würde Harry niemals abschieben.

Wenig später verschwindet Liam dann endlich und ich habe meine Ruhe.
Mein Kopf scheint zu explodieren und nach der Lasagne ist mir schlecht. Das habe ich aber lieber für mich behalten. Liams Fürsorge kann einen schnell erdrücken.
Ich kuschele mich auf mein Sofa ein und als ich auf mein Handy schaue, bemerke ich eine Nachricht von Harry.

Sun: Ich habe in einer guten Stunde Feierabend. Hat mein Lieblingspatient irgendwelche Wünsche?

Schmunzelnd beiße ich mir auf meine Lippe, ehe ich eine Antwort schreibe.

Me: Die habe ich, aber ich fühle mich heute definitiv noch nicht in der Lage diese Wünsche einzufordern. Aber der heiße Krankenpfleger darf sich gerne neben mich legen und mich küssen. Das würde der Heilung ungemein guttun.

Sun: Ich beeile mich.

Und das tut er wirklich.
Keine halbe Stunde später klingelt es an meiner Wohnungstür, wobei ich meine Augen zusammenkneifen muss, da der schrille und viel zu laute Ton meine Ohren klingeln lässt und meine Kopfschmerzen für einen Moment noch verstärkt.
Ich taste mich zur Tür, da ich natürlich voller Vorfreude viel zu schnell aufgesprungen bin und als Belohnung schwarze Punkte vor meinen Augen flimmern. Als ich die Tür dann allerdings erreiche, sind die Punkte verschwunden und der Schwindel ebenfalls.
"Darling".
Harry umarmt mich, als wenn ich eine zerbrechliche Vase wäre. Vorsichtig tasten sich seine Finger an meinen Seiten hinauf und lässt ihn anschließend mein Gesicht umfassen. "Du siehst schrecklich aus." - "Danke." Genau das, was man von seinem Freund hören möchte.
Natürlich ist mir bewusst, dass auf meiner linken Gesichtshälfte ein faustgroßes Hämatom prangt, aber trotzdem.
Der Lockenkopf hingegen schmunzelt. "Eigentlich ist es ziemlich scharf. Du könntest auch ein berüchtigter Mafiaboss sein, der sich einen fiesen Kampf unterzogen hat, um seine große Liebe zu retten." Perplex blinzele ich, ehe ich loslache und meinen Kopf schüttele.

Fehler!

Autsch.

Schnell halte ich still und kneife meine Augen zusammen. Ich merke Harrys besorgten und wachsamen Blick auf mir und als nach wenigen Minuten der Schwindel und das Stechen nachlassen, sehe ich ihm wieder in die Augen.
"Steht da jemand auf Rollenspiele?".
Mein Freund grinst. "Fällt dir das jetzt erst auf?" - "Ich werde es mir merken". Harry zwinkert mir zu, kommt einen Schritt näher. "Ich habe da eine Liste. Ich kann sie dir gerne mal leihen, damit du eine Inspiration hast." Erregt schlucke ich meine Bilder im Kopf herunter. Ich muss mich räuspern, ehe ich meinem Freund antworte. "Wir werden jeden Punkt auf dieser Liste erfüllen".

Gemeinsam gehen wir zurück in mein Wohnzimmer, wobei ich den Lockenkopf skeptisch beobachte. Als wir dann gemeinsam auf dem Sofa sitzen, deute ich auf sein rechtes Bein. "Wieso humpelst du?". Er zieht eine Augenbraue in die Höhe, sieht dann auf sein Bein und dann zurück zu mir. "Halb so wild", erklärt er und verdreht seine Augen. "Ich bin in der Firma über eine Kiste geflogen und bin dabei umgeknickt. Man sollte halt immer hinschauen, wo man langläuft."
Besorgt sehe ich auf sein Bein, doch Harry umfasst mein Gesicht und zieht mich ein wenig enger an sich.
"Alles okay, Darling. Ich bin nur leicht umgeknickt. Du bist hier der Patient, vergessen?".
Seine Finger kribbeln auf meiner Haut und als sein Daumen vorsichtig über meine Oberlippe streicht, schließe ich meine Augen. Ich bin Wachs in seinen Händen.
"Der Patient möchte endlich einen Kuss".
Ich spüre Harrys Atem an meinen Lippen und die Schmetterlinge in meinem Bauch sind zurück.
"Alles was du willst, Love".

Der Kunsthändler Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt