Geht es dir wirklich gut?

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Wie gebannt starre ich auf die Videoaufnahme, bemerke, dass das Gefühl, welches ich seit Wochen schon spüre, immer stärker wird. 
"Fällt dir irgendetwas auf?", möchte Liam wissen und lässt mich zusammenzucken. 
Ich hebe meinen Kopf, sehe ihn an, bekomme aber kein Wort heraus.
"Na, auf den Aufnahmen? Erkennst du irgendetwas?"
Schnell schüttele ich meinen Kopf, räuspere mich und versuche meine schnelle Atmung unter Kontrolle zu bekommen.
"Nein", beginne ich, wende meinen Blick vom Bildschirm ab und straffe meine Schultern.
"Nein, ich dachte, ich hätte etwas erkannt. War aber nur ein Irrtum."
Mein bester Freund nickt und wendet sich dann an den Museumsmitarbeiter. Das Gespräch der beiden blende ich aus.

Das muss ein Irrtum sein.

Theoretisch kann jeder diese Schuhe haben. Er ist ja nicht der einzige Mensch auf dieser Welt, der ausgerechnet diese Schuhe hat. 

Plötzlich kommt mir diese eine bestimmte Geste aus dem anderen Video in den Sinn.
Nein.
Auch das ist reiner Zufall.
Viele Menschen machen diese Geste. Ich sicherlich auch. Bestimmt mache ich sie. 
Ja. 
Das ist alles nur reiner Zufall. 

****

Als meine Schicht endlich zu Ende ist, fahre ich wie gewohnt zu Harry.
Das stechende Gefühl in meinem Bauch ist leider geblieben und die Unsicherheit verschwindet leider auch nicht. 
Immer wieder gehe ich Szenarien durch, rede mir ein, dass jeder diese eine Person sein kann.
Einfach eine wildfremde Person, die zufällig die gleichen Schuhe hat und die selbe Pose einnimmt.

Harry öffnet mir die Tür und begrüßt mich überschwänglich. Gut gelaunt küsst er mich, zieht mich in das Esszimmer, wo Norma bereits ein Frühstück für uns angerichtet hat.
Appetit habe ich nicht. 
"Ist alles okay, Love?"
Harry sieht mich unsicher an, greift über den Tisch nach meiner Hand und haucht mir einen Kuss auf die Fingerknöchel. 
"Ich bin nur müde", lüge ich, wobei das nicht komplett gelogen ist. Die Müdigkeit paar sich mit der nagenden Unsicherheit und ich schaffe es kaum, meinem Freund in die Augen zu sehen. 
Ich sollte nicht an ihm zweifeln. 
Vielleicht sollte ich ihn einfach darauf ansprechen. 
"Es wird Zeit, dass du endlich wieder eine normale Schicht arbeitest. Diese ständige Nachtschicht macht deinen Körper kaputt." Die Besorgnis ist deutlich aus seiner Stimme herauszuhören und unweigerlich breitet sich ein schlechtes Gewissen in mir aus. 
"Sag das unserem Dieb", brumme ich und sehe meinem Lockenkopf in die Augen. Ich suche nach irgendeinem Anzeichen. Ein schlechtes Gewissen, Erkenntnis - irgendwas.
Aber Harrys Blick ist lediglich verständlich uns besorgt. 
Er möchte etwas sagen, als plötzlich die Tür aufgeht und Zayn den Raum betritt. 

Der hat mir gerade noch gefehlt.

Und anscheinend geht es ihm genau so, denn als er mich sieht, stöhnt er genervt auf und verdreht seine Augen. 
"Guten Morgen", begrüßt Harry ihn gutgelaunt und deutet ihm an sich zu setzen, doch der Schwarzhaarige schüttelt Gott sei Dank seinen Kopf. 
Erst da fällt mir seine mit Farben bekleckerte Jeans auf. Und seine Hände, welche ebenfalls voller Farbe sind.
"Ich wollte nur Bescheid geben, dass ich abhaue. Habe total die Zeit vergessen und die ganze Nacht durch gemalt."
Mein Freund nickt und lächelt liebevoll. "Von der Inspiration geküsst, kann man dich eh nicht stoppen."
Zayn grinst, nickt dann und verschwindet ohne ein weiteres Wort. 
Soll mir recht sein.

"Ich muss leider auch los, Darling."
Harry erhebt sich, kommt zu mir herüber und beugt sich zu mir runter. "Bist du nachher noch hier, wenn ich von der Arbeit komme?", möchte er wissen und haucht mir einen zarten Kuss auf die Lippen. 
Das Gefühl in meinem Bauch wird stärker, ein Ziehen geht durch meine Brust.
"Vielleicht", hauche ich kraftlos und kann ihm erneut nicht in die Augen schauen. 
Die Gedanken in meinem Kopf schreien mich an. Spinnen sich immer mehr Szenarien zusammen und machen es mir beinahe unmöglich, an etwas anderes zu denken. 
"Geht es dir wirklich gut?"
Erneut nicke ich, zwinge mir ein Lächeln auf und küsse meinen Freund. "Ich bin wirklich nur müde."

Kaum ist Harry verschwunden, springe ich vom Stuhl auf und eile durch die Eingangshalle. 
Wenn meine Gedanken richtig sind, dann - Gott bewahre. Ich will mir nicht ausmalen, was dann.
Mein Ziel fest vor Augen durchquere ich das Wohnzimmer, bis ich vor der Tür, die zu Zayns Atelier führt, stehen bleibe.
Ich lausche, doch kann aus dem Inneren nichts hören. 
Er wird ja wohl hoffentlich abgehauen sein.

Zögerlich klopfe ich, hoffe auf keine Reaktion, denn ich weiß nicht, was ich ihm sagen soll, falls er mir die Tür öffnet. 
Doch als keine Reaktion kommt, atme ich einmal tief durch, schaue mich noch einmal um und drücke dann die Klinke herunter. Ich muss einfach wissen, was der Typ malt. 

Ob er - ich muss es einfach wissen. 

Kinners,

ich weiß, dieses Kapitel ist sehr kurz, aber für mehr hat es heute leider nicht gereicht.
Ich versuche mich morgen daran, weiter zu schreiben und dann lade ich es euch direkt hoch.
Falls es mir gelingt, werde ich euch über Instagram informieren.
Bis dahin habt einen schönen Sonntag.

All the love, K.

Der Kunsthändler Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt