Personenschutz

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Als ich meine Augen nach einem wirklich erholsamen Schlaf wieder öffne, liegt Harry nicht mehr neben mir. Schmunzelnd setze ich mich auf die Bettkante und lasse meinen Nacken knacken. Vielleicht hat er doch nicht so eine große Ausdauer, wie er gedacht hat.
Ich stehe auf, schüttele die Bettdecke auf und trete an das Fenster, welches sperrangelweit offen steht. Die warme Luft von draußen strömt ins Zimmer und verspricht einen heißen Tag.
Wie heiß, erblicke ich wenige Sekunden später.

Das ist doch jetzt nicht sein Ernst?

Harry ist im Pool, welchen man von hier oben aus sehr gut sehen kann. Er schwimmt fleißig seine Bahnen - nackt.
Komplett nackt.
So, wie Gott ihn schuf.

Dieser kleine Schlingel. Das macht der doch schon wieder mit voller Absicht.

Ich sehe zu, dass ich ins Badezimmer komme, mich frisch mache und dann in einer kurzen Shorts und einem Tanktop den Weg in den Garten einschlage. Mittlerweile habe ich einige Kleidungsstücke bei Harry drapiert. Die Auswahl an Kleidung, die mir von ihm passt, ist begrenzt, weshalb ich einfach mal einige Klamotten mitgebracht habe.
In der Eingangshalle treffe ich auf Norma, die ich im Vorbeigehen grüße und betrete dann den Garten mit einem angenehmen Flattern im Bauch. Das dumpfe Plätschern von Harry ist zu hören und schon jetzt wird mir die Außentemperatur klar. Heute werden sicherlich über 30 Grad.
Als ich jedoch den Poolrand erreiche, fällt mir etwas anderes ins Auge.
Etwas, was mir überhaupt nicht passt.

"Hast du kein zu Hause?", möchte ich bissig wissen und lasse mich einfach am Beckenrand nieder. Der Schwarzhaarige, welcher auf einer Sonnenliege liegt, eine große Sonnenbrille auf der Nase und ein Notizbuch in der Hand, hält es nicht einmal für nötig aufzuschauen. "Hast du keine Lust, aus meinem Blickfeld zu verschwinden?", brummt er nur und kritzelt einfach weiter in sein dummes Notizbuch. Ich will etwas erwidern, als sich auf einmal kalte Hände auf meine Knie legen und mein Freund prustend auftaucht. 
"Du bist wach", haucht er, der Atem schwer, seine Wimpern voller Wassertropfen. 
Wie wunderschön er einfach ist.
Und dann fällt es mir wieder ein. Sofort verfinstert sich meine Miene.
"Und du bist nackt".
Mein hübscher Lockenkopf kichert und nickt. "Und? Sonst stört dich das doch auch nie", grinst er mir frech entgegen und legt sein Kinn auf meinem Knie ab. Ich schiele zu Zayn, der sich aber nicht wirklich für uns interessiert. "Ja", stimme ich Harry zu und sehe wieder zu ihm. "Sonst sind wir aber auch alleine".

"Halt mal den Ball flach, Dramaqueen. Wenn Harry nackt sein will, dann lass ihn nackt sein. Wenn es dich stört, hau ab", brummt der ungebetene Gast auf einmal und bekommt ein Schnaufen von mir als Antwort. Harry kichert erneut und bekommt prompt meine Aufmerksamkeit. "Mach dir mal keine Gedanken. Ich renne hier oft ohne Kleidung herum. Die sind das alle schon gewohnt." 
Alle?
"Und nur so zur Info", mischt sich Zayn erneut ein und schaut uns noch immer nicht an. "Ich stehe nicht auf Schwänze. Also brauchst du hier nicht so ein Fass aufzumachen".
Mir fehlen wahrlich die Worte.
Kann der Typ nicht einfach nach Hause gehen? Oder in sein ach so tolles Atelier? Muss er mir mit seiner bloßen Anwesenheit den Tag verderben?
Harrys Hände verlassen mich, stattdessen zieht er sich neben mir aus dem Wasser und mir verschlägt es für einen kurzen Moment die Sprache. Wenn im Wörterbuch das Wort sinnlich beschrieben wird, könnte dort locker ein Bild von meinem Freund sein. 

Scheiße, bin ich ein Glückspilz.

Nackt und ohne auf Zayn und meine Sticheleien zu achten geht er an einen kleinen Tisch, schenkt sich eine Tasse Kaffee ein und sieht dann zu mir. Er deutet auf die silberne Thermoskanne und sieht mich fragend an. Ich nicke. Kaffee kann ich jetzt gut gebrauchen. 
Mit beiden Tassen in der Hand lässt er sich neben mich nieder, reicht mir die kunstvoll, bemalte Tasse und haucht mir einen Kuss auf die Lippen. "Hast du gut geschlafen?".
Ich nicke, trinke einen Schluck und versuche zwanghaft meinem Freund in das Gesicht zu schauen. Nicht einfach, wenn er hier so gänzlich ohne Kleidung neben mir sitzt.
"Ich sollte dich wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses festnehmen", flüsterte ich und lasse meinen Blick nun doch über seinen Körper gleiten. Mein Lockenkopf schmunzelt. "Da hätte ich absolut nichts dagegen, Officer".
Wenn Zayn jetzt nur nicht hier wäre.

Das Floppen von Flip-Flops erklingt und als ich mich umdrehe, erscheint eine breit, grinsende May in meinem Blickfeld. 
"Einen wundervollen, guten Morgen, alle zusammen". Freudestrahlend wedelt sie mit ihrem Handtuch und steuert die Liege neben ihrem Freund an. Sie beugt sich zu ihm, küsst ihn und bekommt von ihm ein so liebevolles Lächeln, dass mir beinahe die Augen aus dem Kopf fallen.
Dieser Blick ist so gruselig bei ihm.
Sie zieht ihr Sommerkleid in einer fließenden Bewegung über den Kopf und keine Sekunde später ist sie auch schon im Wasser. Immerhin hat sie einen Bikini an und ist nicht auch noch nackt. 
Bei May kann ich mir das nämlich auch vorstellen. 
Vielleicht werde ich sie heute Abend bei unserer Schicht mal fragen, was ihr Freund für ein Problem mit mir hat. Sie wird es ja wohl wissen. Ob sie es mir sagt, ist allerdings eine andere Sache.

Wir verbringen noch eine Weile am Pool. In der Zwischenzeit hat sich May wieder zu ihrem Freund gelegt. Pitschnass hat sie sich einfach auf ihn gelegt, seine Kleidung durchtränkt und sich dabei köstlich amüsiert. 
Vollkommen verstört, beobachte ich das Geplänkel zwischen dein Beiden. Sie lachen, necken sich und küssen sich immer wieder. Diese Seite von Harrys besten Freund ist mir so fremd, dass ich sie wirklich unheimlich finde. 

Vielleicht ist er ja ein Psychopath?

"So, ich glaube, ich brauche eine Dusche", reißt mich Harry aus meinen Gedanken und erhebt sich. Er riecht an seinem Arm und grinst. "Ich liebe zwar den Duft von Chlor, aber meine Haut findet das fürchterlich". Auffordernd hält er mir seine Hand entgegen, welche ich sofort annehme und mich von ihm auf die Beine ziehen lasse. 
Sofort lande ich in seinen Armen.
"Ich denke, du solltest mich aus Sicherheitsgründen unter die Dusche begleiten. Nicht, dass mir noch etwas passiert".
Grinsend schüttele ich den Kopf. "Was soll dir denn unter der Dusche passieren?".
Empört zieht Harry seine Augenbrauen kraus. "Hallo? Nachher werde ich noch entführt. Und da sich zufällig ein Polizist auf meinem Anwesen befindet, bestehe ich auf Personenschutz."

Der Kunsthändler Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt