Love?

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Harry schreibt mir tatsächlich.
Schon während der nächsten Nachtschicht bekomme ich, kurz nachdem im Revier die Meldung eingegangen ist, dass jemand anscheinend ein Gemälde in die Galerie geschmuggelt hat, eine Nachricht von ihm.

Ein simples: Ich vermisse dich.

Nicht auffällig, falls jemand einen Blick auf mein Handy erhaschen könnte und doch auffällig genug, dass ich beruhigt bin und ein wenig entspannter mit Liam zum Tatort fahren kann. 
Und auch meint es Harry mit seiner Geschwindigkeit Ernst. 
Kaum sind wir zurück im Revier, geht eine weitere Meldung ein und kurz darauf vibriert erneut mein Handy.

Dieses Mal ein Herz.

"Hat der jetzt Batterien im Hintern, oder was ist sein Problem?", will Liam motzend wissen, eilt neben mir erneut zum Streifenwagen und rast in das nächste Museum. 
Und weil Harry eben Harry ist, vibriert noch in genau diesem mein Handy ein drittes Mal in dieser Nacht.

Bis später, Love. Ich gehe jetzt schlafen.

Gut, dann ist der nächste Einsatz auch der Letzte für diese Nacht.
Keinen Augenblick später meldet sich May, die uns verkündet, dass wir noch in eine weitere Galerie müssen. Harry ist also weg, bevor es überhaupt jemand gemerkt hat.

Liam motzt und wütet in einer Tour, als wir zurück im Revier sind. Er wartet jede Sekunde auf eine weitere Meldung, doch diese wird zumindest heute nicht mehr kommen.
Ich hingegen bin erschreckend ruhig.
Vermutlich hoffe ich einfach, dass Harry wirklich in wenigen Tagen mit diesem ganzen Mist aufhört. Und irgendetwas tief in mir drinnen, hofft und betet, dass er es wirklich schafft.

Als ich einige Stunden später Harrys Schlafzimmer betrete, liegt er in seinem Bett und schläft. Dieses Mal hat er es nicht geschafft, mich zu begrüßen. Aber das ist okay.
Ich ziehe mich aus und lege mich müde und geschafft neben ihn, ziehe die Bettdecke über mich und kuschele mich an meinen Freund, welcher seufzend seine Arme um mich schlingt und seine Nasenspitze gegen meine Brust drückt.
"Hi", kommt es nuschelnd aus seinem Mund, ehe er sich noch enger an mich drückt und einen Kuss auf meine Brust haucht.
"Schlaf weiter."
Harry brummt, doch im nächsten Moment kann ich die sanften und gleichmäßigen Atemzüge hören und bin mir sicher, dass er schon wieder tief im Land der Träume ist.

Von seinem Wecker bekomme ich nichts mit. Auch nicht, wie er aufsteht und zur Arbeit verschwindet.
Erst gegen Mittag werde ich wieder wach und fühle noch immer diese seltsame Ruhe in mir.
Vielleicht sollte ich da nicht so viel hineininterpretieren. Sicherlich ist diese Ruhe einfach nur Erschöpfung und das Wissen, dass wir unserem Ziel so verdammt nahe sind.
Vermutlich auch die Aussicht, auf schönere Zeiten. 
Abende mit Niall und Liam, Dates...
Vielleicht holt Harry mich dann auch ab und an mal von der Arbeit ab und wir fahren in einen Kurzurlaub.
So wie Niall und Liam manchmal.
Und der Chief kann nichts dagegen sagen, weil Harry ja nicht mehr für uns arbeitet. Wert weiß? Vielleicht schließt sich Harry auch der Golfrunde von Niall und dem Chief an.
Zutrauen würde ich es ihm. Sicherlich kann er golfen. 
Lächelnd schüttele ich meinen Kopf.
Wir sollten erstmal mit einem gemeinsamen Urlaub anfangen. Zeit zu Zweit. Nur wir beide.

Theoretisch könnte ich ja schonmal gucken. 
Ich muss ja nicht buchen, aber man kann sich ja schon mal informieren?
Vielleicht irgendwo am Meer. Ein Bungalow, mit Hängematte und direkten Strandzugang.
Und Wärme.
Ich brauche dringend ein bisschen Sonne.
Vielleicht die Karibik?
Wobei... das wäre dann doch ein bisschen teuer für den Anfang. 
Europa...
Portugal soll schön sein. Oder wir fahren nach Italien.
Grübeln schließe ich meinen Laptop und beschließe, dass ich diese Idee erst mit Harry teilen muss, ehe ich mich auf ein Ziel festlege. Vielleicht mag er Europa auch gar nicht.

"Love?"
Erschrocken zucke ich zusammen, als die Schlafzimmertür aufgeht und mein Lockenkopf mit einem lieblichen Lächeln auf den Lippen vor mir steht.
"Du bist schon zu Hause?"
Er nickt grinsend und krabbelt zu mir auf das Bett. Sein Blick gleitet zum Laptop, doch dann zieht er mich in seine Arme und schmust sich an mich.
"Ich habe eher Feierabend gemacht. Mein Körper wollte schlafen und mein Herz mit dir kuscheln."

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