1. Kapitel

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Mein letzter Tag als Amanda Mckann.

Nach sieben Jahren hier im Mädcheninternat, würde ich wieder nach Hause gehen müssen, nach Sizilien zu meiner Familie. Genauer gesagt nach Palermo, zurück zu meinem früheren Leben. Da ich die Abschlussprüfung bestanden hatte, mit einer glatten Eins, musste ich zurück nach Hause, denn das war die Abmachung.

Aber meine Familie interessierte dies nicht wirklich, für sie waren die Geschäfte wichtiger, viel wichtiger. Das waren sie schon immer gewesen, denn ohne diese wäre meine Familie nicht das, was sie jetzt war. 

Deshalb hatte mich auch keiner von ihnen in den letzten sieben Jahren hier besucht, ich hatte alle zwei Monate mit ihnen telefoniert, aber nie länger als eine halbe Stunde. 
Ein letztes Mal sah ich mich in meinem Zimmer um. Die weiße Decke war ordentlich zusammengelegt, alles sah so aus, als hätte ich hier nie gelebt. Mein Blick fiel auf den riesigen Spiegel am Schrank, in welchem ich mein Spiegelbild sah. 

Meine langen dunkelblonden Haare waren in einem strengen Dutt im Nacken zusammengebunden, meine blauen Augen umrahmt von einer großen schwarzen Brille, die fast mein ganzes Gesicht verbarg. Dazu trug ich noch meine dunkelblaue Schuluniform mit dem viel zu großen Pulli. 

Glauben konnte ich es noch nicht, es fühlte sich wie ein unrealistischer Traum an. In einer Stunde würde ich das erste Mal zurück in Mailand sein, bei meiner Mutter und Bella. Bei dem Gedanken an Bella stieg ein Kloß in meinem Hals auf. Früher hätte uns Schwestern nichts trennen können, aber seit dem Vorfall und meinen Wechsel auf das Internat, war es so, als wäre unsere Freundschaft zerstört worden.

Meine Mutter konnte mich nicht persönlich abholen, wegen des Auftakts der Mailänder Fashion Week, das wollte sie nicht verpassen, natürlich nicht.

Nach sieben verdammten Jahren, würde ich meine ganze Familie wieder sehen.

Verbittert nahm ich meinen kleinen Koffer und schloss die Zimmertür hinter mir zu. Ich wusste nicht, ob ich zurückwollte, denn meine Familie war sehr kompliziert, zu kompliziert.
Außerdem wusste ich nicht, was ich mit meinem Leben anfangen sollte, denn auf eine Uni zu gehen kam für meine Familie nicht infrage. 

Ich konnte nichts dagegen tun.
Denn die wichtigste Regel bei uns lautete: Loyalität zur Familie, immer, unter allen Umständen.
Diesen Satz hatte ich schon von klein auf gelernt, ich wusste, was geschah, wenn jemand sich nicht daran hielt. Genauso wie ich wusste, dass manche Gedanken tödlich sein konnten. Seit ich denken konnte, befolgte ich diese Regel, die einzige und zugleich gefährlichste Regel unserer Familie. 

Ich ging den Gang entlang zum Ausgang des Internats, niemand war da, denn alle meine Freunde waren schon gestern abgereist. Ich war die Letzte, die noch da war. Ein letztes Mal sah ich mich um, nach den hölzernen Möbeln, an denen der Lack schon absplitterte. Es fühlte sich einfach nur verrückt, nach sieben Jahren musste ich diesen Ort für immer verlassen, alle meine Freunde und mein normales Leben aufgeben.  Ich würde kein normales Leben mehr führen können, das wusste ich genau.  

Aber ich hatte keine Wahl, also wandte ich mich ab und verließ das Internat für immer. Durch den Regen, der in Strömen lief, ging ich auf den schwarzen SUV mit italienischem Kennzeichen zu, der in der Mitte der Straße vor dem Eingang des Internats parkte.
Ich öffnete hastig die hintere Tür und stieg schnell ein.

»Ciao ci vediamo di nuovo, Signora Ella«, begrüßte mich Alessio, der Fahrer, mit einem breiten Lächeln, gut gelaunt wie immer. Hallo, wir sehen uns wieder, Ella.  
Alessio war die einzige Person, die bei meiner Familie angestellt war, aber trotzdem seine Freundlichkeit immer bewahrt hatte.

Deswegen mochte ich ihn auch am meisten. Er war der absolute Gegensatz zu den wortkargen Männern in Schwarz, mit seinen bunten Anzügen und der offenen Art. Über seine Anzüge hätte man wahrscheinlich sogar ein Lookbook führen können, mit seinen auffälligsten Stücken.
»Si Alessio, sono onorata.« Es ist mir eine Ehre. Eine Ehre, die eigentlich gar keine war. 

Der Gedanke ließ mich erstarren, ich durfte so nicht denken, stattdessen sollte ich mich glücklich schätzen. Für die paar Jahre, in denen ich nicht Ella de Parisi sein musste, Tochter des mächtigsten Mannes Europas.

Aber ab jetzt änderte sich das. Meine Identität, als Amanda Mckann zerfiel zu Staub.
Hinter den dunkel getönten Scheiben des Wagens zog ich meine Brille aus, öffnete den Dutt, sodass meine Haare offen hinab fielen. Ich brauchte das jetzt nicht mehr.

Ab jetzt begann mein neues Leben als Ella de Parisi. 

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Lontano. Bis wir uns wiedersehen.Donde viven las historias. Descúbrelo ahora