11. Kapitel

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Meine Augen waren mit einem dicken Schal verbunden, das Einzige, was ich wusste, war, dass Damiano noch in meiner Nähe war.
Mein Herz schlug so schnell, dass ich Angst hatte, Damiano könnte es hören. Ich hasste dieses Gefühl der Dunkelheit und der Hilflosigkeit.

Damiano hielt meine gefesselten Hände hinter meinem Rücken fest und führte mich durch die Gänge, bis wir stehen blieben.
Ich hörte, wie eine Tür geöffnet wurde, worauf er mich weiter entlang führte.
Mein Herz schien immer schneller zu schlagen, während meine Beine zu zittern begannen. Himmel, ich wollte nur noch weg, weg von diesem grausamen Ort.

Aber ich musste stark sein, ich würde das überleben müssen. Egal wie stark der Schmerz sein würde, ich hatte nichts mehr zu verlieren, mein Leben war nur noch eine Frage von Tagen und Stunden. Dieser Gedanke ließ mich zusammen zucken, weil ich nicht sterben wollte. Und doch würde ich am Ende sterben.

»El, atme tief durch und konzentriere dich auf mich«, flüsterte Damiano an meinem Ohr.
Einatmen, ausatmen, langsam.
Damiano ließ meine Hände los und drehte mich stattdessen mit den Händen um meine Taille zu sich herum.
Ich konnte zwar nichts sehen, doch das Gefühl seiner Hände, wie die Wärme durch den Stoff des T-Shirts drang, beruhigte mich und machte mich zugleich unglaublich nervös.
»El, du musst das schlucken, es wird dafür sorgen, dass du es nicht mitbekommen wirst, für die nächsten paar Stunden«, bat Damiano mich mit gesenkter Stimme, dabei zog er mich sanft noch etwas näher an sich.
Was?

Ich glaubte, mich verhört zu haben.
»Warum tust du das für mich?«, fragte ich ihn, denn ich wusste nicht, ob es nicht wieder eine Falle war, um mich für seine Zwecke einsetzen zu können.
Vertraue niemanden.
Deshalb war er ein Rätsel für mich, er war zwar mein Feind, aber trotzdem hatte er diese liebe, fürsorgliche Art mir gegenüber, der ich trotz allem vertraute, obwohl ich es besser hätte wissen müssen. Damiano schien meine Zweifel zu spüren, denn plötzlich schob er fluchend den Schal in meine Haare. Mein Atem stockte sofort beim Anblick seines durchdringen Blickes.

»Ich glaube, du hast das nicht verdient. Dein Vater und seine Handlanger sind schuld, an ihren Händen klebt das Blut, nicht an deinen.«
Bei dem Gedanken an meinen Vater musste ich zusammen zucken, denn es fühlte sich so an, als würde jemand ein Messer in mein Herz stechen und dieses umdrehen. An jeder Hand in dieser Welt klebte Blut, egal ob ich es wahrhaben wollte oder nicht.

Mehrere Augenblicke zögerte ich, denn ich war hin- und hergerissen, aber für mich gab es keinen Ausweg vor den Schmerzen oder vor dem Tod- ich hatte nichts mehr zu verlieren.
»Danke.«
Das war das Einzige, was ich sagen konnte.
»Bedank dich nicht zu früh, Ella, du wirst zwar benommen sein, aber die Wunden bleiben«, erklärte er ernst, dabei konnte ich die Verzweiflung aus seiner Stimme heraushören.
Warum, wusste ich nicht, aber das Bedürfnis, ihm nahe zu sein, überkam mich. Ich trat einen Schritt vor und lehnte mich an ihn, woraufhin er mich sofort noch enger an sich zog. 

Mehrere Augenblicke standen wir so- hielten uns aneinander fest, um nicht in den dunklen Abgrund zu stürzen.
»Ich weiß, aber das ist nicht mehr wichtig.«
Damiano hob seine Hand an meine Lippen. Ich spürte seine warmen Fingerspitzen, die über die Konturen meiner Lippen strichen. Augenblicklich setzte mein Herzschlag aus. Wir starten einander mehre Sekunde an, bevor Damiano die Pille hervorholte und sie sanft an meine Lippen hielt.

»Du wirst es nicht bereuen«, versprach Damiano ohne seinen Blick von mir abzuwenden.
Einen Augenblick zögerte ich noch, schluckte dann aber die Pille an meinen Lippen herunter, sie schmeckte bitter, aber ich wollte lieber nicht wissen, was es genau war. Mein Vater war Capo, ich wusste in etwa, was in der Pille war.
Für mich war es so besser, als die Schmerzen und Demütigung am eigenen Leib spüren zu müssen, obwohl mir klar war, wie gefährlich so etwas werden konnte.

Aber ich würde so oder so sterben, ich glaubte nicht mehr an die Illusion, mein Vater würde bezahlen. Dieser Gedanke versetzte mir einen Stich, denn ich war nicht wichtig genug, sonst hätte er bezahlt. Aber es stand zu viel für ihn auf dem Spiel, denn ohne die Macht der Familie würde er alles verlieren.
»Ella, ich bin immer da,  vergiss das nicht.«
Ich nickte nur, denn ich wusste, dass er mir nicht helfen konnte, obwohl er da war. Es wäre der Tod für ihn, sollte jemand davon erfahren. Sanft zog Damiano den Schall wieder über meine Augen, sodass die Dunkelheit mich wieder um gab.
»Ich habe dein Vertrauen nicht verdient, El«, flüsterte Damiano, beraubte mich dabei seiner Wärme.

»Vertrauen ist das Einzige, was ich noch habe.«
Es war die Wahrheit, denn ich hatte nichts mehr, außer Vertrauen, obwohl ich genau wusste, wie dumm es von mir war.
Damiano nahm sanft wieder meine Hände und führte mich weiter.
»Wenn du Vertrauen kannst, bist du stark, Ella.«

Mit einem Mal stiegen Tränen in meinen Augen auf, denn ich war nicht stark, ganz und gar nicht. Das Einzige, was mich am Leben hielt, waren meine Geschwister.
Ich konnte nur hoffen, dass die Wirkung der Pille so schnell wie möglich eintreten würde.

Wieder öffnete sich eine Tür, durch die mich Damiano weiterführte.
»So sieht man sich wieder Ella de Parisi.«
Domenico, beim Klang seiner Stimme zuckte ich zusammen.
Damiano löste die Fesseln um meine Handgelenke und entfernte sich von mir. Nur, dass ich mich durch meine freien Hände noch verletzlicher fühlte.
Meine Beine schienen keine Kraft mehr zu haben, um zu stehen, sodass ich mich am liebsten setzen wollte.
Doch ich blieb stehen, obwohl ich mit jeder weiteren Sekunde das Gefühl hatte, meine Beine nicht mehr zu spüren.

»Streck deine Hände nach oben«, befahl mir Damiano, seine Stimme war emotionslos, duldete keinen Widerspruch.
Mit letzter Kraft streckte ich meine Arme nach oben.
Jemand band meine Arme über meinem Kopf zusammen.

Ich sollte Angst oder Panik haben, aber durch die Pille fühlte ich nichts, außer die seltsame Benommenheit, die mit jedem weiteren Moment zunahm.
Es fiel mir immer schwerer, mich auf die Geräusche um mich herum zu konzentrieren, da ich immer noch nichts sehen konnte.
»Ella, willst du uns jetzt die Namen deiner Geschwister sagen oder etwas anderes?«, fragte Domenico wieder, außergewöhnlich leise und undeutlich.
Aber ich blieb stumm, ich hatte es mir geschworen, ich würde niemanden verraten.

»Na gut, du hast es so gewollt, Ella.«
Mir wurde schwindelig, die Geräusche um mich herum wurden zu einem unverständlichen Strudel.
Ich spürte, wie an meinen Armen ein leichtes, fast unmerkliches Kribbeln eintrat.
Doch das Gefühl verblasste so schnell, dass ich nicht wusste, was es war.

Alles um mich herum schien immer blasser zu werden, so als würde ich immer weiter weg von meinem Körper sein und jeden Moment die Verbindung zu ihm verlieren.
Bis die Schwärze um mich herum mich zu verschlucken schien.

~1144

Was denkt ihr ist mit Damiano, wird er sein Versprechen halten? Hat Ella einen Fehler gemacht?Tipps gerne in die Kommentare:)

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Was denkt ihr ist mit Damiano, wird er sein Versprechen halten? Hat Ella einen Fehler gemacht?
Tipps gerne in die Kommentare:)

„It all fell down"

~Dynasty von  MIIA

PS: Danke❤️ Ihr wisst nicht wie viel es mir bedeutet, dass ihr weiter lest.

Lontano. Bis wir uns wiedersehen.Where stories live. Discover now