43. Kapitel

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Unschlüssig stand ich von dem Bett auf und öffnete langsam den großen Kleiderschrank, der die ganze Wand einnahm.

Mein Blick fiel auf die Kleider, die säuberlich gefaltet, aufeinander gestapelt waren, in den kleinen Fächern. Unschlüssig sah ich an mir herunter, das T-Shirt von Damiano reichte mir bis zur Mitte der Oberschenkeln.

Es war nicht richtig mir einfach so Kleidung zu nehmen, aber hatte ich denn eine bessere Option? In dieser Situation wohl kaum.

Also zog ich vorsichtig eine der schwarzen Hosen hervor, eine Männer-Hose natürlich.

Aber ich wusste mir nicht anders zu helfen, schließlich konnte ich das Gebäude schlecht mit einem Hochzeitskleid unbemerkt verlassen. Deshalb zog ich mir die Hose entschlossen über. Sie war mir zwar an den Beinen viel zu lang, das machte mir allerdings nichts aus, da es besser war als nichts. Lieber eine zu große Hose, als ein ramponiertes Hochzeitskleid. 
Also krempelte ich die Hosenbeine nach oben, um zu verhindern, dass ich über den Stoff stolperte.

Eilig zog ich den Reißverschluss hoch und machte die Knöpfe zu, ehe ich mir einfach noch einen übergroßen grauen Pulli überzog.  Sofort umhüllte mich der Geruch von Damiano, der mir einen Stich versetzte. 
Hatte ich das Richtige getan? Es fühlte sich nicht so an, obwohl ich es besser wissen sollte. Immerhin konnte ich jetzt wenigstens rausgehen, ohne dass jemand mich sofort erkennen würde.  Mein Blick fiel auf die Kleidung, die jetzt nicht mehr ordentlich gestapelt war. 

So gut ich konnte, brachte ich die Stapel an Kleidung wieder in Ordnung, bevor ich die Tür des Kleiderschrankes schloss.

»Kann es sein, dass du einen Fetisch für meine Klamotten hast?«

Ich zuckte vor Schreck zusammen, als ich mich umdrehte. Um einen Damiano zu sehen, mit halbnacktem Schweiß überzogenen Oberkörper, lehnte er scheinbar lässig an die Wand. Doch sein Blick lag unentwegt auf mir.  Kurz fragte ich mich, ob er gerade trainiert hatte, aber seine Anwesenheit beendete jeden rationalen Gedanken in meinem Kopf. 

Die Spannung in der Luft, zwischen uns, war beinahe körperlich zu spüren.

»Und du einen Fetisch dafür, mich zu retten und dann zu entführen«, konterte ich, als ich es endlich schaffte meinen Mund zu öffnen.

Damiano stieß sich von dem Türrahmen ab, kam näher, bis zwischen uns nur noch ein Meter Abstand war. Es machte mich dennoch unfassbar nervös. Seine Nähe und die Gefühle, die mit ihr in mir aufwallten. Gefühle, die ich um jeden Preis unterdrücken musste.

»Du hast dich dafür entschieden, es so zu sehen. Ich würde dich immer wieder beschützen.«In seiner Stimme hörte ich die Enttäuschung, darüber, dass ich nicht dieses Risiko eingehen wollte.

Ich hatte mich entschieden, alles hinter mir zu lassen, um uns beiden das zu ersparen, diesen ewigen Kampf, den wir nicht gewinnen konnten, sondern mit dem Tod bezahlen würden.

Selbst wenn das bedeutete unsere Herzen zu brechen und Damiano zu verlieren. Ich wusste, er war die einzige Person, die ich so sehr brauchte und trotzdem loslassen musste.

»Wir können nicht die Regeln brechen, ohne die Konsequenzen dafür zu tragen.«

Damiano, sah mich unentwegt an, sein Blick ließ mich nicht los. Aber die Stille breitete sich zwischen uns aus, in der ich die Verzweiflung fast körperlich spüren konnte.

»Manche Regeln muss man brechen«, gab Damiano zurück, wandte sich aber schon von mir ab, sodass ich keine Chance mehr hatte, etwas zu sagen. Er stand mit dem Rücken zu mir, wartet darauf, dass ich etwas sagte, um uns eine Chance zu geben. Aber ich konnte es nicht, stattdessen schwieg ich. Die Worte blieben unausgesprochen in meinem Kopf. 

»Komm, ich bringe dich hier raus, solange es niemand merken kann.«

Damit öffnete Damiano die Tür, deute mir ihm zu folgen.

Ich wollte ihn fragen, was er damit meinte, doch ich hielt mich lieber zurück, stattdessen fokussierte ich mich auf meine Schritte.

Ich folgte Damiano weiter den Flur entlang. Im Gegensatz zu meiner Entführung, waren die Räume hier in hellen Farben gehalten und wirken zwar immer noch distanziert, aber dennoch nicht so unglaublich kalt und dunkel, wie die anderen Räume.

Aber dieses Mal waren keine Wachposten aufgestellt. Es erleichterte auf jeden Fall, dass wir hier rauskämmen.

Wir stiegen die Treppen hinab und es blieb immer noch gespenstische Stille. Bis Damiano sich zu mir umdrehte und mir deutete, sich gegen die Wand der Treppe zu pressen.

Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als auf einmal die Tür neben der Treppe geöffnet wurde.

Sofort erstarrte ich wieder, als ich aus dem Augenwinkel den Mann sah, der in der Tür stand.

Aber er wechselte nur einen Blick mit Damiano, bevor er weiter lief und in einer Tür verschwand, ohne mich zu bemerken. Niemand durfte, wissen, dass ich schon wieder durch Damianos Hilfe entkommen war. Vor allem nicht sein Vater.

Damiano zog mich an meiner Hand so schnell er konnte weiter, bis ich die unterste Stufe erreicht hatte.

»Du hast zwei Minuten Zeit, in der die Vorderseite des Hauses nicht bewacht ist, du musst dich beeilen. Lauf so schnell du kannst weg von dem Gebäude und zieh die Kapuze später über, zu deiner Sicherheit«, wies Damiano mich flüsternd an, bevor er die Tür öffnete und meine Hand wieder losließ. Ein letztes Mal drehte ich mich zu ihm um.

In seinen Augen stand der gleiche Schmerz, den ich in diesem Moment spürte. Dennoch wandte ich mich von ihm ab und ließ ihn zurück.

Eine Träne rann über meine Wange, als ich über das Gelände auf die Straße rannte, meine Beine trugen mich wie von selbst. Aber ich sah nicht mehr zurück, sondern lief immer weiter, bis ich den Bürgersteig erreichte.

Erst langsam wurden meine Schritte langsamer und meine Atmung wieder langsamer. Ich zog mir die Kapuze tief ins Gesicht, sodass niemand die Tränen in meinen Augen erkennen konnte. 

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"My love for you ist greater than their powers"

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-Nothing Is Lost (You Give Me strength) von The Weekend

Lontano. Bis wir uns wiedersehen.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt