10. Kapitel

125 23 47
                                    

Die Schlangen bewegten sich immer wieder, krochen an mir entlang, doch sie taten mir nichts. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, doch ich blieb ruhig und bemühte mich, das leichte Zittern in meinem ganzen Körper zu unterdrücken.
Jedenfalls taten sie mir nichts, noch nicht.
Ich bat, dass es so blieb.

Auf einmal hörte ich, wie die Tür geöffnet wurde, Damiano trat ein. Er sah wie immer absolut perfekt aus, mit den schwarzen Haaren, die ihm ins Gesicht hingen und den zweifarbigen Augen. Aber irgendwie konnte ich mich entscheiden, welche Farbe ich schöner fand, blau oder grün, doch beide zusammen waren einfach unglaublich schön. Doch sein Anblick versetzte mir einen Stich, denn er verletzte mich immer dann, wenn ich es am wenigsten erwartete.

»Ella, komm! Du weißt nicht, was du getan hast ...«, befahl er wütend, dabei klang seine Stimme extrem angespannt.

Was ich getan hatte?
Verwirrt erhob ich mich langsam vom Boden, dabei war mein ganzer Körper angespannt.
»Sie werden dich foltern, nur weil du verdammt nochmal nicht antwortest! Ich weiß nicht, wie viel Zeit dir noch bleibt, aber es wird nicht viel sein, so wie ich meinen Vater kenne.«
Eine Gänsehaut überzog meine Arme, als ich es realisierte, Folter.

Mit einem Mal wurde die Luft aus meinen Lungen gepresst, und jeder Muskel in meinem Körper erstarrte. Damianos Blick, lang auf mir, seine Muskeln waren so fest vor Wut angespannt, dass ich den Kloß in meinem Hals herunterschlucken musste.
Auch wenn ich nicht verstand, warum er aufgebracht war. Es sollte ihm egal sein, schließlich gehörte ich zu seinen Feinden, aber es war ihm nicht egal.

Deshalb war es ein Rätsel für mich, er schien zwei Gesichter zu haben, nur dass ich nicht wusste, welches echt war. Der Gedanke ließ mich innerlich erschrecken, denn niemand zeigte sein echtes Gesicht in dieser Welt. 

Alles war eine Fassade, nur um so lange wie möglich zu überleben.
Folter, ich wollte mir nicht vorstellen, was es bedeutete, nur dass es die Hölle werden würde, war mir bewusst. Aber ich hatte keine Wahl, ich würde alles tun für meine Familie, das Einzige was ich hatte.

Noch ungefähr vier Tage hatte ich hier zu leben, wenn mich mein Zeitgefühl nicht täuschte.
Ich sah zu Damiano auf.
»Es tut mir nicht leid, denn ich würde immer gleich entscheiden. Ich habe schließlich nichts mehr zu verlieren«, erklärte ich ihm flüsternd.
Damiano sah mich schweigend an, während zwischen seinen Augenbrauen eine tiefe Falte entstand.
»Du hast wahrscheinlich nur noch ein bis zwei Stunden, maximal, Ella.«
Damit nahm er meine gefesselten Hände und führte mich vorsichtig aus dem Schlangenraum hinaus.
Wir liefen zurück durch die steinernen Gänge, dabei schwiegen wir beide, nur unsere Schritte waren zu hören.
Schließlich erreichten wir den kleinen Raum, in dem ich die ganze Zeit gefangen gehalten worden war.

Er schloss wieder die Tür auf und folgte mir in den Raum hin ein.
Es war still, nur das Geräusch der zufallenden Tür war zu hören. Damiano ließ meine gefesselten Hände los und drehte mich so zu sich um, dass wir uns wieder in die Augen sahen. Obwohl wir mindestens einen Meter auseinander standen, konnte ich seine Anspannung und Verzweiflung beinahe körperlich spüren.
»Ella, du bist so dumm, so unglaublich dumm! Sie werden dir weh tun, dass du dir wünscht zu sterben, glaub mir. Ist es das wert?«
Ich konnte nicht sagen, dass ich keine Angst vor Folter hatte, aber ich würde mich immer gleich entscheiden.
Loyalität zur Familie.
Es war das Einzige, was ich noch für meine Geschwister tun konnte.

»Würdest du nicht das Gleiche für deine Geschwister tun, wenn du so oder so stirbst?«, fragte ihn leise, dabei klang meine Stimme selbst in meinen Ohren zittrig.
Damiano blickte einen Moment lang zum Boden, bevor er mich wieder mit seinen unergründlich grün blauen  Augen ansah, doch ich hielt seinen Blick stand.
»Vermutlich das Gleiche, aber verdammt nochmal, du weißt nicht, worauf du dich einlässt!«
Ein Kloß stieg in meinem Hals auf.

»Habe ich denn eine Wahl?«
Damiano schwieg, beugte sich stattdessen vor, berührte eine meiner Haarsträhnen, die mir ins Gesicht gefallen war und strich sie hinter mein Ohr. Mit angehalten Atem, sah ich ihn an, wartete darauf, dass seine Fingerspitzen meine Haare losließen.  Stattdessen schlang sich sein Finger vorsichtig um eine meiner zerzausten Locken.
»Manchmal lässt uns das Schicksal keine Wahl.«
Das Schicksal ist ein mieser Verräter, wie John Green bereits in seinem Roman erkannt hatte.

»Glaubst du an Schicksal oder Zufälle?«, fragte ich ihn leise, obwohl ich nicht einmal selber wusste, warum es mich mit einem Mal so brennend interessierte.
Ein kleines Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Dieses Lächeln ließ Schmetterlinge in mir aufsteigen.
»Ich würde sagen, das Schicksal ergibt mehr Sinn als Zufälle, für mich.«
Ich musste auch lächeln, das erste Mal seit Tagen, denn in dem Moment ergab das Schicksal Sinn für mich.

Aber gleichzeitig wurde mir auch wieder klar, in welcher Situation ich mich befand.
Etwas weniger als zwei Stunden hatte ich noch Zeit, Zeit die mich innerlich auffressen würde.
Damiano schien diese Veränderung in mir zu bemerken, denn er strich federleicht über mein Kinn und hob es an, sodass ich ihm in die Augen sehen musste.
»Ella, du musst stark sein.«
Stark sein, loyal zur Familie, das war ich mein ganzes Leben lang gewesen und wohin hatte es mich gebracht?
Hier her, verdammt dazu zu sterben, ohne je gelebt zu haben.

»War es Schicksal, dass ich bei der Treppe gestolpert bin und du mir aufgeholfen hast?«
Damiano strich wieder über eine meiner Haarsträhnen, seine Finger umschlungen, die einzelnen Locken.
»Wenn es Zufall wäre, hätten wir uns wieder gesehen? Würde ich jetzt versuchen, dir zu helfen?«
»Vielleicht verfolgt das Schicksal seinen eigenen Plan«, murmelte ich verbittert. Was für einen Plan?
Damiano zog mich vorsichtig an sich heran, sodass mein Kopf an seiner Schulter lehnte, seinen beruhigenden Herzschlag spüren konnte.

»Du darfst dich niemals brechen lassen, Ella«, raunte er an meinem Scheitel.

Eine Träne stieg in meine Augen, denn ich war nicht stark, ich war gebrochen von meiner eigenen Vergangenheit.

~1001

Ich hoffe es geht euch gut ♥️Wie findet ihr Damiano und Ella zusammen? Was denkt ihr hat Ella gebrochen

Oops! This image does not follow our content guidelines. To continue publishing, please remove it or upload a different image.

Ich hoffe es geht euch gut ♥️
Wie findet ihr Damiano und Ella zusammen? Was denkt ihr hat Ella gebrochen... Ich hoffe es hat euch gefallen : )

„But I don't really care how bad it hurts"

~You broke me first von Tate McRae

PS: Bis Sonntag

Lontano. Bis wir uns wiedersehen.Where stories live. Discover now