21. Kapitel

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In einem lila Leder-Kleid, natürlich von einem italienischen Designer, mit passenden Plateau High Heels, saß ich im Dunklen des Wagens, auf dem Weg zu einer Feier.
Neben mir meine Mutter, in einem schwarzen, bodenlangen Kleid und natürlich mit einer Sonnenbrille. Diese bedeckte aber nicht ihr ganzes Gesicht, wie letztes Mal.
An der anderen Seite neben mir saßen noch Bella und mein Vater.
Außer dem Geräusch des Motors und dem Tippen auf dem Handy war es absolut still. 

Während der ganzen Fahrt hatte ich kein einziges Wort gesprochen, nur mein Vater und meine Mutter hatten kurz über die Feier gesprochen, wo wir hingingen.
Ein entfernter Verwandter von mir feierte heute seinen Geburtstag und natürlich mussten wir alle zusammen hingehen.
Unsere Macht damit demonstrieren und zeigen, dass unsere Familie in der Lage war, Liberta zu führen. Niemand durfte das infrage stellen. 

Als der Wagen anhielt, wurde sofort die Tür von einem der Bodyguards geöffnet.
Die kühle Luft der Nacht traf auf meine nackten Beine.
Ein letztes Mal atmete ich tief durch, bevor ich als erste ausstieg. Vorsichtig strich ich den weichen, ledernen Stoff meines Kleides glatt.
Dabei sah ich den missbilligten Blick meines Vaters, als er mich von Kopf bis Fuß musterte.
Das Kleid hatte keine Träger, sodass jeder einzelne meine Narben über meinen Schlüsselbeinen bis zu meinen Armen sehen konnte. 

Dazu war es noch kurz, sehr kurz, aber ich liebte es gerade deswegen, weil es mir dieses Gefühl von Freiheit zurückgab.
Nur setzte ich mich damit über die Anordnung meines Vaters hinweg, was mir aber egal war.
Es war der letzte Rest Freiheit, den ich noch hatte - zu tragen, was ich wollte.
Also ließ ich meinen Blick zu Boden gleiten und wartete darauf, dass er mit meiner Mutter an uns vorbeilief. 

Meine Eltern betraten zuerst die große, prächtige, hell erleuchtete Villa, hinter ihnen folgten ich und Bella.
Von der Decke des großen Saales hingen goldene Kronleuchter, während sich um die Tische in dem Raum zahlreiche Gäste in teurer Designerkleidung tummelten.
Doch ich wusste, woher das Geld kam, aus den schmutzigsten Geschäften überhaupt.
Deswegen hasste ich solche Veranstaltungen, weil sie nur eine Fassade waren vor all den schrecklichen Dingen, die es in unserer Welt gab. 

Natürlich musste hier auch jeder seine Macht demonstrieren in Form von Geld, obwohl es am Ende doch mein Vater und der Rest meiner Familie waren, die das Sagen hatten. Das wusste so ziemlich jeder in Italien, sogar die Paura zweifelte diese Macht nicht an.
Deshalb starrte uns so ziemlich jeder hier auch an.
Meinen Eltern folgend erreichten wir Giulio, der an einem der Buffets stand und sich mit zahlreichen anderen Gästen unterhielt.
Menschen, die ich nicht kannte, geschweige denn irgendwo schon einmal gesehen hatte.
Doch sobald er meine Eltern sah, ließ er seine Gäste stehen, kam auf uns zu, mit einem großen, breiten Lächeln. 

Dabei lief es mir kalt über den Rücken, während ich verzweifelt die unterdrückte Angst in mir versuchte zu ignorieren.
Meine Hände verkrampften sich ineinander.
Giulio, sah aus wie immer, gut und mit einem braunen Anzug und der sonnengebräunten Haut, fast so gut, dass ich einen Moment lang nicht glauben konnte, wie brutal er war.
Aber ich wusste es besser, Giulio erledigte die unangenehmen Probleme, und zwar sodass niemand überhaupt erst von dem Problem mitbekam. 

Ein Schauer glitt über meinen Rücken, als das Bild in meinem Kopf auftauchte, wie er den Handlanger Paura ermordete, mit beiden Händen um seinen Hals, vor meinen Augen.
Das war so viele Jahre her und dennoch fühlte es sich überhaupt nicht so an.
Aber es gehörte in unsere Welt, das wusste ich genau und dennoch jagte es mir Angst ein, wie leicht er töten konnte. Ohne mit der Wimper zu zucken, ohne jegliche Reue.
»Ella, belleza«, begrüßte mich Giulio und riss mich damit aus meinem Gedanken, bevor er mich kurz umarmte. 

Ich spürte die Waffen unter seinem Anzug, die scharfen Klingen, die sich an meinen Oberkörper drückten. Seine Finger verharrten mehrere Sekunden lang an meiner Taille.
Doch noch bevor mich die Panik erfassen konnte, ließ er mich wieder los.
Meine Beine zitterten, während ich wieder Gänsehaut bekam und mein Herzschlag sich nur langsam beruhigte.
Ich wollte es zwar nicht wahrhaben, verdrängte es immer, aber wann immer mir Männer so nahe kamen, bekam ich panische Angst. 

Lontano. Bis wir uns wiedersehen.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt