Kapitel 13-1

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Der nächste Morgen brachte herrlichen Sonnenschein. Martin aß mit dem Gesinde und tauschte den neusten Tratsch aus. Viel war es nicht, denn in den meisten war er selbst involviert. Er dankte Maria für ihre Treue und bot ihr an, ihm nachzufolgen, sobald er einen eigenen Hausstand mit ansprechendem Einkommen zur Verfügung hatte. In ihren Augen las er eine Mischung aus Freude und Enttäuschung. Vielleicht fühlte sie für ihn ähnlich, wie er für Mina. Sollte dem so sein, dann konnte er die Sache zumindest aus ihrer Perspektive betrachten.
Für ihn war Maria eine Freundin und mehr würde sie niemals sein. Sicher, sie war keine hässliche Frau, er konnte angenehm mit ihr reden, aber sie hatte nie das Feuer in seinem Herzen entfacht. Doch vielleicht verhielt es sich ähnlich wie bei seiner anderen Freundin und irgendwann würden sich seine Gefühle wandeln. Womöglich würden sie früher oder später aus Not oder Liebe Mann und Frau werden. Auch wenn sie unter seinem Stand war, wäre das sicher keine schlechte Lösung. Sie war fleißig und zuverlässig, würde ihm keinen Ärger bereiten. Maria wäre eine gute Wahl für ihn, überließe er diese Entscheidung seinem Kopf.
Nachdem er seine Sachen für den nächsten Tag gepackt hatte, ging er hinaus zu der kleinen Baumgruppe, die er und Mina oft aufgesucht hatten. Er befühlte die raue Rinde der alten Bäume, sog den Dunst des Grüns in sich auf und legte sich auf den mit Geäst und Laub bedeckten Boden. Das raschelnde Blätterdach über ihm beruhigte ihn, ließ ihn sich fast schwerelos fühlen. Er war frei – zumindest für den Moment. Sein Herr hatte ihn freigegeben und er beabsichtigte nicht, auch nur einen Finger mehr für ihn zu krümmen. Womöglich hätte er bleiben können, indem er sich von den Herren ferngehalten hätte. Aus dem Auge aus dem Sinn, doch er hatte es geradezu provoziert, bis Baron Minnesang die Entscheidung fällte.
Ein neuer Lebensabschnitt lag vor ihm. Er war zwar nicht völlig sein eigener Herr, immerhin stand er in der Hierarchie des Regiments weit unten, aber er würde selbst für sich sorgen. Zunächst würde er Obdach bei Justina suchen, die Kosten untereinander teilen und eine kleine Summe ansparen. Danach hoffte er eine Wohnung in ihrer Nähe zu finden. Es würde ihnen guttun, wieder öfters beieinander zu sein.
„Ich fürchtete, du wärst bereits abgereist."
Er hob den Blick und sah in Minas Gesicht. Sie trug ein luftiges Kleid und sah ihn mit unergründlichen Augen an. „Das hätte es dir leichtgemacht, was?"
„Müssen wir im Groll auseinandergehen?"
„Diesen Tag haben wir noch."
„Morgen also?"
Er nickte. „Dann lasse ich all das hinter mir."
„Wer wird mit mir Federball spielen?"
„Mit den Jahren wirst du deinen Gatten schon zu überzeugen wissen."
Sie sah mit geschürzten Lippen zur Seite. „Schenkst du mir ein letztes Spiel?"
Martin hätte ihr am liebsten abgesagt. Er hatte bis zu einem gewissen Grad hiermit schon abgeschlossen. Sich ihr zu öffnen, würde ihn nur schmerzen. Doch sie waren Jahre beste Freunde gewesen und es erschien ihm falsch, im Streit zu gehen. Besser mit einem Lächeln ein gutes Ende finden, als ihre frohen Tage überschattet zu wissen. „Eine letzte Demütigung kann ich dir wohl zugestehen."
„Deine Selbstüberschätzung wird dein Untergang sein."
Sie holten die Schläger und legten los. Minas Arm tat ihr schon bald weh und sie wechselte die Schlaghand. Das brachte ihn stark in Vorteil und er bemühte sich darum, ihr hohe, langsame Bälle zuzuspielen. Sie schlugen den Ball bis zur Mittagszeit hin und her. Je länger das Spiel dauerte, desto weniger ging es um den Sieg des Einzelnen, als vielmehr darum, gemeinsam möglichst viel Spaß zu haben. Schließlich kehrten sie in Schweiß gebadet in den Schatten der Bäume zurück und breiteten sich auf dem Boden aus.
„Fast wie in alten Tagen", sagte sie melancholisch.
„Nur das wir unseren Kindersachen lange entwachsen sind."
„Ich wünschte mir mehr Zeit, um über alles nachzudenken."
„Das ändert meist nichts am Resultat."
Mina nickte nachdenklich. „Mag sein, aber daran, wie ich mich damit fühle."
„Es ist in Ordnung. Wir waren immer Freunde. Es war uns nie bestimmt, einmal zu heiraten."
„Denkst du, das Leben ist nur Bestimmung?"
Martin bettete seinen Kopf in der Hand. „Bis zu einem gewissen Grad. Man kann sich treiben lassen und den Lauf akzeptieren oder sich dagegenstemmen."
„Ich dachte immer, ich würde mein ganzes Leben nach meinem Willen richten. Aber jetzt scheint sich alles für mich zu regeln und ich kann den Lauf der Dinge nicht aufhalten."
„So lange du mit dem Resultat zufrieden bist."
Mina biss sich auf die Unterlippe und drehte sich zu ihm. „Ich weiß es einfach nicht."
Martin seufzte. Es machte ihn mürbe, sie so sprechen zu hören. Für ihn klang es nach einer Aufforderung, sie zu befreien, wenngleich sie sich gegen jeden Versuch gewehrt hatte. Er hatte getan, was in seiner Macht stand und sie hatte ihn abgewiesen. Es war nun an ihr, die Waagschale in die andere Richtung zu kippen. Was war ihre Liebe wert, wenn er sie dazu drängen musste, bitten und betteln um ihre Gunst? Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn und richtete sich auf.
„Du gehst?", fragte Mina.
„Wir wollen doch nicht für noch mehr Aufregung sorgen, indem wir nun ewiglich allein bleiben?"
Sie nickte nachdenklich und ließ sich von ihm aufhelfen.. Schon kurz nach dem Mittagsmahl machte die Zeit für Martin einen kleinen Sprung. Ein Eilbote rief ihn zurück in den Dienst. Das gesamte Regiment wurde eingezogen. Schon in zwei Tagen würden sie marschieren. Martin wusste, was das bedeutete. Der Moment, den jeder Soldat zugleich feierte und fürchtete: Krieg.


Tanz der GefühleWhere stories live. Discover now