Kapitel 14-2

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Adam ließ sich von der Herzogin nicht zweimal bitten. Während Johanna weiter die Weberinnen als übergangsweise Vorarbeiterin unterrichtete und korrigierte, reiste er umher und besorgte ausreichend Seidengarn. Kaum hatten sie die edle Ware im Haus, da begannen sie auch schon, Tücher daraus zu weben. Zunächst richtete Johanna jeden Stuhl noch selbst ein, doch Justina erwies sich als unheimlich lernfähig. Schon bald übernahm sie einige Arbeitsschritte in Eigenregie und steigerte somit ihre Produktivität. Sie würden keine derartigen Massen an edlen Tüchern herstellen, wie sie es an Leinen hatten, aber zumindest einen Vorgeschmack liefern, was die Manufaktur Kloppenburg zu bieten hatte.
Nach einem halben Monat war Justina so weit, dass Johanna ihr die Arbeit überließ, ohne ihr über die Schulter zu schauen. Somit konnten Adam und Johanna sich einen Tag Auszeit nehmen, um endlich ihre Hochzeit, in der Domkirche zu feiern. Trotz des prunkvollen Standorts hielten sie die Zeremonie klein. Der Herzog und seine Gemahlin ließen es sich nicht nehmen, daran teilzuhaben und auch die Grafen von Arling, die ihre Reise durch die Baronien beendet hatten, feierten mit ihnen.
Johanna trug ein weißes Kleid, das einen Mittelweg zwischen Schlichtheit und Eleganz bestritt. Es verfügte über wenige Röcke, einen wallenden Chiffonschleier und eine Schleppe, für die sie nur einen einzigen Helfer beim Tragen benötigte. Der Stoff stammte aus Adams Produktion. Für die Feier stellte die Herzogin ihnen den Ballsaal des Herzogspalasts zur Verfügung. Die Diener vor Ort staunten nicht schlecht, als zum Abend hin die gesamte Belegschaft der Manufaktur in einfachsten Gewändern dort eintraf. Zumindest etwas Gerede würde das Ganze erzeugen. Edelleute, die allein der Lokalität wegen ihre Feier aufsuchten, tanzten zu schwungvoller Musik neben einfachsten Leuten. Zunächst hielten sie gebührenden Abstand zueinander. Als aber der Bräutigam selbst eine seiner Arbeiterinnen an die Hand nahm, war der Bann gebrochen. Für einen Abend standen sie alle auf gleicher Stufe und feierten das Glück des frisch vermählten Paares.
„Ich habe mich nie gebührend entschuldigt, für das, was ich getan habe", sagte Justina, während Adam sie zum langsamen Takt der Musik über die Tanzfläche geleitete.
„Ich denke, du hast deine Schuld über alle Maßen getilgt."
„Es war ein Zufall, dass Johanna und ich uns trafen."
Adam schüttelte lächelnd den Kopf. „Ich meine, mit deinem Einsatz. Du hättest auch einfach gehen können und ich hätte es dir nicht vorgeworfen."
„Aber ich war es doch, der dich hinters Licht führte."
„Denkst du wirklich, dein plötzliches Auftreten in diesem feinen Kleid wäre mir nicht seltsam vorgekommen?"
Justina blinzelte ihn verwirrt an, sodass er fortfuhr: „Du bist mir genauso ins Auge gestochen, wie ich dir. Es war unser beider Schuld."
„Ich wäre gerne deine Frau geworden."
„In einer anderen Welt zu einer anderen Zeit hätten wir wohl geheiratet. Doch in dieser gehört mein Herz bereits Johanna." Er wirbelte sie schwungvoll herum, ehe das Lied zu einem Ende kam.
„Ich werde die Manufaktur verlassen. Auch wenn Johanna und du mir vergeben habt, so fühle ich doch, dass ich ewig zwischen euch stehen werde."
„Das kann ich nicht zulassen."
Sie sah ihn fragend an.
„Johanna besteht darauf, dass du zu unserer neuen Vorarbeiterin wirst. Und hätte sie den Vorschlag nicht eingebracht, dann hätte ich es getan."
„Du musst von Sinnen sein."
„Nein, du bist unsere eifrigste Arbeiterin und auch die fähigste. Ich verstehe deine Bedenken, aber du wirst bald eine neue Liebe finden, die sie zerstreuen wird."
Justina blinzelte die aufkommenden Tränen weg und Adam gab ihr einen Kuss auf die Stirn und ließ sie ziehen. „Ich danke dir."
Johanna kam auf ihn zu, kaum dass er Justina entlassen hatte. „Und? Wie hat sie auf ihre Beförderung reagiert?"
„Sie wird noch eine Weile brauchen, aber ich denke, insgeheim freut sie sich. Und für dich ist es wirklich in Ordnung?"
Sie gab ihm einen langen Kuss. „Ich verstehe voll und ganz, dass sie sich in dich verlieben musste. Es würde mich wundern, wenn nicht deine halbe Belegschaft ein Auge auf dich geworfen hätte."
Adam lachte heiter, wenngleich ihn dieser Gedanke beunruhigte. „Ein Glück, dass wir ihre Hoffnungen heute endgültig zerstreut haben."
Johanna hob die Brauen. „So leicht gibt eine Frau nicht auf. Aber Justina freut sich wirklich für uns, da bin ich mir sicher."
„Nun denn." Er hielt ihr die Hand hin und verneigte sich. „Darf ich um diesen Tanz bitten?"
Sie legte ihre Hand in seine. „Ich bestehe darauf."
Sie feierten bis tief in die Nacht hinein und der Jubel war groß, als Adam am Ende verkündete, dass die Manufaktur morgen geschlossen blieb. Er wollte es nicht provozieren, dass die angetrunkenen Damen ihm Stoffe produzierten, die er höchstens zum Einkleiden von Tieren nutzen könnte.
Sie überließen es dem Dienstpersonal, den Saal zu räumen, und kehrten in ihr Haus zurück, wo sie endlich ganz offiziell ihre Heirat ausleben durften. Bis in die Morgenstunden verbrachten sie damit, über ihre Zukunft zu sinnieren, sich die Flitterwochen auszumalen und nicht zuletzt den Erfolg in zwei Wochen zu prophezeien.

Vierzehn Tage später war es dann so weit. Sie hatten einen pompösen Stand samt Lagerraum gemietet, wo sie ihre Stoffe unterbrachten. Vielerlei Händler kamen und gingen, besahen sich die feinen Tücher und machten zögerliche Angebote. Aisenberg hatte ihnen geraten, ein gutes Angebot abzuwarten. Die wirklich guten Händler trafen später ein, wenn die ersten Häscher ihre Runde gemacht hatten.
Erst dann kamen ernst zu nehmende Angebote, die nicht versuchten, ihnen die Ware unter Wert abspenstig zu machen. Ihre feinen Tücher wurden ihn förmlich aus den Händen gerissen. Der Bedarf danach war groß, die Zeiten waren gut. Von ihren Leintüchern wurden sie immer nur kleinere Mengen los, doch schlussendlich konnten sie mehr als die Hälfte ihrer Ware veräußern. Den Rest beabsichtigte Adam beim Wochenmarkt loszuwerden. Außerdem würde er sich einen Karren besorgen und bei seinen Wollkäufen auch Tücher am Land veräußern, um Kunden zu erreichen, die nicht extra in die Stadt reisten.
Justina und Johanna wuchsen immer mehr zu Freundinnen zusammen. Johanna konnte sich vollends auf sie verlassen. Ihre neue Vorarbeiterin kontrollierte die Werke der anderen Arbeiterinnen und war sich nicht zu schade, auch selbst Hand anzulegen. Johanna tat Selbiges. Sie setzte Webstühle auf, wob Tücher und warb neue Arbeiterinnen. Adam überlegte, bis zum nächsten Frühjahr ein weiteres Gebäude zu kaufen, um ihre Produktion auszuweiten. Sie würden auch an Märkten in anderen Städten teilnehmen und ihren Ruf bis in ferne Ländereien tragen.


Tanz der GefühleWhere stories live. Discover now