Drogen - Teil 3

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In einem winzigen Hinterzimmer der Apotheke saß Karl über seinen Hausaufgaben. Lange konnte er sich damit nicht aufhalten, denn sein Vater brauchte ihn vorn am Tresen. Seit dem sein Bruder Soldat war, musste er nach der Schule hier aushelfen.

Inzwischen machte es ihm sogar ein wenig Spaß die Arzneimittel herzustellen, Salben anzurühren, Medikamente abzuwiegen und sie mit bedächtiger Sorgfalt in winzigen Portionen in Pulvertütchen zu verpacken. Doch es machte ihm keinen Spaß, die ganze Zeit unter der Aufsicht seines Vaters zu stehen.

Allerdings war Karl auch überrascht, denn hier in der Apotheke benahm der Alte sich ganz anders als zu Hause. Hier war er ein nicht ganz so schlimmer Stinkstiefel wie daheim. Mit ruhigen Worten erklärte er ihm, was er zu tun hatte, ohne ihn gleich anzubrüllen. Wenn er einmal etwas nicht verstand oder etwas nicht konnte, dann zeigte sein Vater es ihm erneut und manchmal lächelte er dabei sogar ein wenig.

Trotzdem fühlte Karl sich in seiner Nähe immer äußerst unbehaglich. Jedes Mal, wenn sein Vater etwas aus einer oberen Schublade holte, dann zuckte er zusammen. Stets erwartete er einen vernichtenden Nackenschlag oder zumindest eine Maulschelle.

Wie hatte Kurt es nur so lange mit ihm ausgehalten? Noch gut konnte er sich daran erinnern, wie auch sein großer Bruder sich von Vater bedroht und eingeschüchtert gefühlt hatte. Er konnte in seiner Gegenwart noch nicht einmal richtig sprechen oder den Blickkontakt mit den Kunden aufrecht halten.

Ganz ähnlich erging es jetzt auch Karl. So bald der tollwütige Hund hinter ihm stand, fühlte er sich hilflos und ausgeliefert. Immer war er darauf bedacht, nur keine Fehler zu machen. Ihm wurde richtig warm ums Herz als er daran dachte, dass Kurt irgendwann vom Militär zurückkommen würde und dass er selbst dann aus dieser Hölle erlöst wäre. Auf gar keinen Fall wollte er selbst diese Apotheke übernehmen.

Doch was sollte aus ihm werden, wenn er kein Apotheker wurde? Zum ersten Mal dachte Karl ernsthaft über seine Zukunft nach, doch etwas Gescheites wollte ihm nicht einfallen. Am liebsten wollte er für immer oben auf der steilen Kante der Lehmgrube liegen und nackte Mädchen beobachten. Doch leider konnte er damit kein Geld verdienen.

Mit einem Lächeln dachte er daran zurück und freute sich auf den Sonntag, während er seinem Vater dabei zusah, wie der einen Kunden beriet. Diese Beratung gehörte zur Aufgabe eines jeden Apothekers und Karl musste zugeben, dass sein Vater sehr gut darin war. Geduldig hörte er seinen Kunden zu und oft riet er ihnen zu einem ganz anderen Medikament, als das, was sie sich selbst ausgesucht hatten.

Oft ersetzte er mit seiner Beratung den Gang zum Arzt, denn viele Leute gingen lieber in die Apotheke, denn für die meisten war der Besuch beim Arzt unerschwinglich. Hier in der Apotheke bekamen sie nicht nur eine hervorragende, kostenlose Beratung, sondern auch eine Vielzahl an traditionellen Heil- und Hausmitteln.

Wilhelm Westphal empfahl seinen Kunden gern auch preiswerte Kräutermedizin, Wickel und Kompressen und seine Kunden dankten es ihm. Sie fühlten sich bei ihm gut aufgehoben, denn sie hatten nie den Eindruck, dass dieser Apotheker sie übers Ohr hauen wollte.

Die Beratungen und der anschließende Verkauf eines Medikaments fielen auch Karl nicht schwer. Diese Arbeit machte ihm sogar ein wenig Spaß und sein Vater bemerkte es. Eines Abends lobte er ihn dafür beim Abendbrot vor der gesamten Familie. Karl fiel aus allen Wolken und konnte nicht glauben, was er da hörte.

„Es ist wirklich schade, dass du die Apotheke nicht übernehmen kannst. Aber es wäre Kurt gegenüber nicht gerecht, wenn ich sie dir geben würde. Er ist schließlich der Ältere", meinte sein Vater mit einem aufrichtigen Bedauern in der Stimme.

Schnell biss Karl von seinem Wurstbrot ab, das gab ihm einen Moment zum Nachdenken. Noch immer kauend antwortete er ihm mit einem Lächeln.

„Mach dir deswegen keine Gedanken! Gib die Apotheke ruhig Kurt! Ich will ohnehin nach Berlin, an die Universität. Ich will studieren und Arzt werden."

Das Geheimnis der weiblichen LustWhere stories live. Discover now