Bestechung - Teil 10

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Kurt war nicht länger Soldat. Genau wie jeder andere Zivilist gekleidet stand er jetzt vor dem Haus, in dem er aufgewachsen war. Irgendwie erschien es ihm heute sehr viel kleiner als noch vor drei Jahren. Genau wie damals war die Haustür unverschlossen und er betrat es ohne Zögern. Es war niemand hier, das Haus war verlassen und still. Achtlos ging er an den Räumen seiner Eltern vorbei und durchquerte den Flur. Mit langen Schritten rannte er fast durch das Herrenzimmer und stand plötzlich wieder in seinem alten Kinderzimmer.

Hier sah es ganz anders aus als früher. Die Betten der Mädchen fehlten, genau wie der Schrank, den sie sich geteilt hatten.

Sein eigenes Bett stand noch immer an seinem Platz und das Bild hing noch immer an der Wand. Kurt fiel ein Stein vom Herzen.

Plötzlich hörte er Schritte und drehte sich um. Dort stand sein jüngerer Bruder Karl und der grinste ihn an.

„Mein Gott, Karl! Bist du in die Höhe geschossen! Bist du jetzt etwa größer als ich?"

Kurt nahm seinen jüngeren Bruder in die Arme. „Wie geht es dir?"

„Mir geht es hervorragend, Bruder. Aber wie geht es dir?" fragte Karl, während sie sich voneinander lösten.

„Ich bin zurück und das ist die Hauptsache." Ein wenig erleichtert schaute er Karl an.

„Das war bestimmt eine harte Zeit für dich, oder?"

Kurt senkte den Blick. „Eigentlich war es auch schön. Ich vermisse meine Uniform."

„Wirklich? Ich kann mich noch gut daran erinnern, was du am Anfang über das Soldaten Leben gesagt hast."

„Das war, bevor ich die Armee richtig kennen und schätzen gelernt habe. Ich weiß jetzt, dass ich etwas tun muss, dass ich liebe, und das ist das Militär", antwortete Kurt.

Karl schwieg einen Moment und sah ihm fassungslos in die Augen. „Willst du dich wirklich noch einmal bei den Soldaten verpflichten?"

Kurt antwortete nicht. Er konnte dem Blick seines jüngeren Bruders nicht länger standhalten und schaute erneut zu Boden.

„Ich verstehe dich nicht, Kurt. Aber wenn du das wirklich willst, dann respektiere ich deine Entscheidung. Ich hoffe nur, dass du weißt, was du tust."

„Es ist ja noch nichts entschieden. Vielleicht bleibe ich ja auch hier", sagte er ein wenig Kleinlaut.

Karl ging ein Licht auf! Kurt fürchtete sich so sehr vor ihrem Vater, dass er sich lieber wieder bei den Soldaten verpflichtete, als erneut unter seiner Fuchtel zu stehen. Was hatte der Alte seinem Bruder nur angetan, dass der so viel Angst vor ihm hatte?

„Es wäre wirklich besser, wenn du hier bleibst. Lebe dich erst einmal wieder ein. Dann wirst du feststellen, dass sich hier eine Menge verändert hat. Vater ist nicht mehr der gleiche tollwütige Hund, der er einmal war. Er hat mich seit Jahren nicht mehr geschlagen und er wird sich hüten, dich noch einmal anzufassen. Wenn wir zusammenstehen, dann kann nichts passieren."

„Was wird eigentlich aus dir, wenn ich tatsächlich die Apotheke übernehmen sollte? Was wirst du dann tun?" fragte Kurt.

„Mach dir um mich keine Sorgen. Ich will nach Berlin gehen, um zu studieren", antwortete Karl.

Kurt und war überrascht. „Du willst studieren? Was willst du denn werden?"

„Ich will Arzt werden. Aber habe ich dir das nicht geschrieben?"

„Es sind wohl nicht alle Briefe angekommen, denn davon wusste ich nichts. Aber ich freue mich für dich! Ehrlich!"

„Danke, Kurt. Ich freue mich, dass du wieder hier bist und jetzt habe ich eine kleine Überraschung für dich." Karl grinste verschlagen. „Dein Sparbuch befindet sich nicht mehr hinter diesem Bild." Er machte eine kleine Pause und ließ seine Worte wirken. Kurt riss erschrocken die Augen auf. „Es liegt jetzt bei Opa in seiner Bibel." Noch breiter grinste Karl seinen älteren Bruder an.

Das Geheimnis der weiblichen LustWhere stories live. Discover now