Mode und Geld - Teil 20

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Karl war ein wenig genervt. Für Kleidung hatte er noch nie viel Geld ausgegeben und schon gar nicht für Schuhe. Die bekam er noch immer von Otto. Immer wieder schickte der ihm nach einer gewissen Zeit ein neues Paar. Doch jetzt saß er neben Maria in der Kutsche, weil die ihn nicht nur neu einkleiden, sondern ihm auch ein paar »richtige« Schuhe kaufen wollte, wie sie es nannte. Was sollte an Schuhen aus der Fabrik schon anders sein?

Weil es ein schöner Tag war, hatte der Kutscher Wilfried Habermann das Verdeck nach hinten geklappt und so genossen sie die Wärme der Sonne und die Aussicht. Eine leichte Brise wehte ihnen durch die Haare und Karls Stimmung hellte sich immer mehr auf. Vielleicht war es ja doch keine so schlechte Idee, die Praxis mal für einen Tag zu schließen und auf andere Gedanken zu kommen.

Als er aber vor dem Schaufenster des Ladens stand und einen Blick auf die Preisschilder warf, waren seine Bedenken zurück.

„Ich verstehe nicht, warum wir so weit fahren müssen, um dann in diesem teuren Laden einzukaufen. Wir hätten doch auch zu unserem Schneider um die Ecke gehen und dort einen Anzug machen lassen können", maulte er und schaute Maria an.

Sie lächelte überlegen und zog ihn mit sich.

„Jean-Jaques Brelle ist der beste Schneider der Stadt. Du wirst den Unterschied im Schnitt und in der Qualität der Stoffe deutlich sehen."

Karl seufzte und versuchte es noch einmal.

„Warum ist dir diese teure Kleidung so wichtig? Hauptsache, sie ist bequem und erfüllt ihren Zweck."

„Glaub mir! Du wirst diese Sachen lieben!" Sie war unerbittlich und ging voraus.

Dem Personal war Maria gut bekannt, denn sie war schon oft in diesem Haus gewesen und hatte hier bereits ein Vermögen für schöne Kleider ausgegeben.

Freundlich wurde sie von den jungen Damen begrüßt, die ihr sonst bei der Anprobe neuer Kleider halfen und Maria nickte ihnen mit einem Lächeln gnädig zu. Doch heute ging sie an ihnen vorbei. Heute wollte sie mit ihrem Mann in die Herrenabteilung. Dafür hatte sie sich einen Exklusivtermin geben lassen, der nur ganz besonderen Kunden gewährt wurde.

Luis war einer der besten Verkäufer des Hauses und er hatte schon auf Herr und Frau Doktor Westphal gewartet. Er begrüßte die beiden mit einem Lächeln und mit einem kleinen französischen Akzent. Madame hatte ihm schon vorher ein paar ihrer Wünsche per Brief mitgeteilt und so war er gut vorbereitet. Viele herrliche Anzüge hingen allein für diesen einen Kunden auf ihren Bügeln an mehreren Stangen. Allein die Stoffe und Farben waren eine Augenweide und so schmolz Karls Widerstand immer mehr dahin.

Willig ließ Karl sich von einem Fachmann von Kopf bis Fuß vermessen. Der Mann hatte sogar einen Gehilfen, der Karls Maße auf einem Blatt Papier notierte. Kaum waren die Maße genommen, probierte Karl einen Anzug nach dem anderen an. Die allermeisten gefielen ihm, aber als er einen bordeaux roten Anzug mit einer kleinen Abweichung ins Lila anprobierte, lächelte er seine Frau an.

„Den nehme ich und behalte ihn gleich an."

Luis lachte laut, denn er hielt das für einen sehr gelungenen Witz seines Kunden.

„Er weiß es nicht besser", entschuldigte sich Maria bei dem Verkäufer und lächelte ihren Mann an. „Schatz, du kannst dir aussuchen, was immer dir gefällt. Nur mitnehmen kannst du die Sachen noch nicht. Gerade eben hat doch dieser nette Mann deine Maße genommen. Nach diesen Maßen wird deine Kleidung speziell für dich angefertigt und uns dann nach Hause gebracht."

Sie sprach mit ihm, als wäre er drei Jahre alt! Für einen kurzen Moment packte Karl die Wut. Luis hatte seinen Fehler bemerkt. Er sah die Wut in seinem Gesicht und versuchte sofort die Wogen zu glätten. Ein wütender Kunde war ganz sicher kein guter Kunde.

Das Geheimnis der weiblichen LustWhere stories live. Discover now