Die Studentenbude - Teil 12

581 18 37
                                    

Berlin war der absolute Wahnsinn! Hier tobte das Leben! So wie es ihm der kleine Schuhputzer geraten hatte, saß Karl in der Linie 6 und ließ sich zum Weidendamm fahren. Sein Pferdebus fuhr nicht auf Schienen, sondern wie eine ganz normale Kutsche auf der Straße. Nur passten in diesen Pferdebus noch mehr Leute hinein, als in eine Postkutsche.

Neben ihm unterhielten sich zwei Männer. „Es gibt bereits 40.000 Telefonanschlüsse in Berlin und es werden jeden Tag mehr!", sagte der eine.

Karl überlegte, wen er anrufen könnte, wenn er ein solches Telefon hätte und kam zu dem Schluss, dass sein Telefon wohl stumm bleiben würde, weil er niemanden kannte, der so ein Ding besaß.

Sehr viel lieber wollte er ein Fahrrad erwerben. Diese Dinger waren unglaublich! Noch vor wenigen Jahren saßen die Leute auf riesigen Hochrädern und es kam zu schrecklichen Unfällen. Die heutigen Fahrräder waren klein und handlich. Sie hatten eine Kette und wurden am Hinterrad angetrieben. Wenn jemand nicht mehr in die Pedale treten wollte, dann hielt er sich einfach an einem Pferdebus oder an einer Kutsche fest und wurde mitgezogen.

So ein Rad war unglaublich praktisch! Damit hätte er die Stadt in Nullkommanichts durchquert. Wie viel so ein Ding wohl kostete? Doch zuerst wollte er sich ein Zimmer besorgen.

Interessiert schaute er sich um und entdeckte überall Werbung für Zigarren, Pfeifentabak und Schnupftabak. Bier schien auch sehr beliebt zu sein. Überall prangten die Werbeschilder der Brauereien. Im Theater war er noch nie gewesen. Diesen Spaß wollte er sich irgendwann einmal gönnen. Anscheinend gab es hier sehr viele Theater. Überall sprang ihm die Werbung für die nächste Vorstellung ins Auge.

Dann entdeckte er eine Apotheke und so wie er es erwartet hatte, warb man auch hier in Berlin mit großen Buchstaben für Kokain. Dieses Zeug gab es jetzt überall. Doch die Werbeplakate, die ihm am häufigsten begegneten, waren die für Persil. Dieses Waschmittel benutzte auch seine Mutter. Die Hersteller mussten sich dumm und dämlich daran verdienen. Vielleicht verdienten die über die große Menge sogar noch mehr, als die Apotheken mit ihrem Kokain. Beide verkauften weißes Pulver. Karl lachte leise vor sich hin, als er daran dachte.

Immer wieder drehte er sich nach den wunderschönen Frauen um. Die Mode unterschied sich doch sehr, von dem eher provinziellen Stil in Schwerin oder gar in Rehna. Hier hatten die Frauen Klasse! Sie wussten sich zu bewegen und wie sie ihre Accessoires einzusetzen hatten. Karl liebte diese herrlichen langen Kleider, die stets mit einem Korsett getragen wurden. Die erzeugten bei den Frauen die Form einer Sanduhr.

Über ihren Hüften trugen sie einen ausgestellten Rock, der bis zum Boden reichte. Die Röcke hatten oft eine Schleppe und wurden mit einer Vielzahl von Unterrockschichten getragen, um ihnen eine Fülle und einen gewissen Schwung zu verleihen.

Zur Abdeckung des Dekolletés wurden hin und wieder hochgeschlossene Blusen und Hemden getragen, die am Hals mit einem Kragen versehen waren. Um den Hals wurden Schals oder auch Rüschen getragen, die die Blusen und Hemden akzentuierten. Die Ärmel waren meistens lang und wurden mit Manschetten abgeschlossen.

Als Accessoires trugen die Frauen oft Handschuhe, Hüte und Sonnenschirme.

Wer konnte sich so etwas Schönes wie diese Kleider nur ausdenken? Vollkommen verzaubert stieg Karl aus dem Pferdebus und lief noch ein paar Schritte zur richtigen Hausnummer. Dort begann er zu zweifeln, ob er denn hier richtig wäre. Hatte der kleine Schuhputzer ihn absichtlich in die Irre geführt? Dieses Haus sah nicht so aus, als ob hier arme Studenten leben würden.

Trotz seiner Zweifel drückte er die Klinke herunter und trat ein. Genau so hatte Karl sich das Schweriner Schloss immer von innen vorgestellt. Er war sofort überwältigt von der Schönheit dieses Hauses. Von außen sah es ja schon imposant aus, aber hier drinnen stockte ihm der Atem. In diesem Prachtbau sollte er seine Studentenbude finden?

Das Geheimnis der weiblichen LustOnde histórias criam vida. Descubra agora