Das Geheimnis der weiblichen Lust

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Hier in Kalifornien erschien Liesel der Himmel viel höher, viel weiter und noch viel blauer als in Charlottenburg. Hier hatte sie sich sofort zu Hause gefühlt, denn San Francisco war eine unglaublich schöne Stadt. Wie eine Perle lag sie in der riesigen Bucht auf einer Halbinsel. Auf lauter Hügeln war die Stadt erbaut und wenn man sie durchqueren wollte, musste man immer wieder rauf und runter laufen.

Ganz oben auf einem solchen Hügel, genau an der Kreuzung der Sacramento Street und der Jones Street hatte Karl vor sieben Monaten ein dreistöckiges Haus gekauft. Mit einem kleinen Lächeln dachte Liesel daran zurück. Dieses Haus war nicht billig, es hatte sie fast ihr gesamtes Vermögen gekostet. Doch es lag in Nob Hill, der besten Adresse der Stadt.

Karl wollte seine Praxis nicht im billigen Hafenviertel eröffnen. Dort würde er sehr viel weniger verdienen als im teuren Nob Hill. Mit diesem Argument hatte er sie damals überzeugt. Wie recht er mit dieser Entscheidung hatte, zeigte sich nur wenige Tage später, als der neue Behandlungsstuhl geliefert wurde und sie ihre Praxis eröffneten.

Genau wie die Dame aus New York es ihnen damals im Zug prophezeit hatte, hier in Kalifornien hatte niemand ein Problem damit, wie Karl seine Patientinnen behandelte. Ob nackt oder nicht, das interessierte hier niemanden und so hatte auch Liesel schnell ihre Angst verloren. Ihre Praxis war ebenso gut etabliert, wie daheim in Charlottenburg und ihr Wartezimmer war jetzt ebenso voll.

Eine Behandlung kostete vier Dollar und die  Frauen zahlten diesen unglaublich hohen Preis gern. Denn von einer so eindrucksvollen Behandlung wie von diesem deutschen Spezialisten hatte noch keine Frau jemals gehört. Dieser Mann war jeden Cent wert!

Doch heute war Sonntag und die Praxis war geschlossen. Wie an jedem Sonntag saß Karl in der Badewanne und ließ sich Zeit. Bis vor ein paar Wochen hatten sie sonst immer zusammen gebadet, aber seit Liesel schwanger war, wurde der Platz in der Wanne immer weniger. Deshalb hatte sie vor ihm gebadet und war bereits fertig.

Geduldig wartete sie nebenan in ihrem Schlafzimmer in der obersten Etage auf ihn. Von hier aus hatte sie einen herrlichen Ausblick auf ihre Stadt. Aus dem einen Fenster sah sie das Goldene Tor, wie die Einheimischen den Ausgang der Bucht zum Pazifik nannten. Aus dem anderen Fenster konnte sie bis nach Oakland sehen. Regelmäßig brachten Fähren die Leute auf die eine oder andere Seite.

Diese Stadt lebte und atmete. Sie war erfüllt von den Geräuschen des emsigen Treibens auf den Straßen. Pferdekutschen machten einen Höllenlärm, wenn sie über das Kopfsteinpflaster donnerten, während die neuen Cable Cars fast geräuschlos die steilen Hügel hinaufkletterten. In den wenigen Monaten, seit sie hier ankamen, war San Francisco zu ihrer Stadt geworden. Hier waren sie genau am richtigen Ort. Hier standen ihnen alle Möglichkeiten offen. 

Mit einem Lächeln strich sie sich über ihren runden Bauch. Jetzt würde es ganz sicher nicht mehr lange dauern. Sie fieberte der Geburt ihres ersten Kindes entgegen, doch noch war es nicht so weit. Heute wollten sie gemeinsam den freien Sonntag genießen.

Noch immer sang Karl in der Badewanne und während sie auf ihn wartete, fiel ihr Blick auf das Bild an der Wand. Sie hatte es eingerahmt und dort hingehängt, denn es zeigte die Gesichter ihrer Freundinnen Gloria, Johanna und Ilona. Karl war froh gewesen, dass ihr Gesicht nicht auf diesem Bild zu sehen war, doch als sie ihm erzählte, dass sie das Arschgesicht in der Mitte war, hatte er Tränen gelacht und sich den Bauch gehalten.

Immer wieder musste sie lachen, wenn sie dieses Bild betrachtete. Wie gern dachte sie an diese Zeit zurück. Endlich stieg Karl aus der Wanne und sie rubbelte ihn mit einem großen Handtuch trocken. Dabei fiel sein Blick auf ein Paket, welches ganz offensichtlich von Otto stammte. So sahen alle seine Pakete aus. Liesel hatte es noch nicht geöffnet. Mit einem Lächeln schnappte er sich die Schere und zerschnitt die Schnur.

Das Geheimnis der weiblichen LustWhere stories live. Discover now