Der ist so niedlich! - Teil 4

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Wie an jedem Sonntag war auch heute die Kirche von Rehna wieder einmal bis auf den letzten Platz gefüllt. Wie immer waren Karl und Otto spät dran und mussten sich mit einem Stehplatz ganz hinten an der Tür begnügen. Ihnen war das nur recht. Hier hinten konnten sie den Pastor kaum noch hören und er konnte nicht hören, wenn sie sich leise unterhielten.

„Wollen wir heute wieder ein Huhn mitnehmen?", fragte Otto leise, aber Karl schüttelte den Kopf.

„Wenn wir an jedem Sonntag ein Huhn klauen, dann fällt das irgendwann auf. Man wird uns erwischen und was dann los ist, kannst du dir vorstellen. Dann stehen wir am Pranger!"

Otto nickte zustimmend, faltete die Hände, senkte den Kopf und tat, als würde er zusammen mit allen anderen das Gebet sprechen.

„Denkst du wirklich, dass die Mädchen heute wieder zur Lehmgrube kommen werden?"

Karl hatte ebenfalls die Hände gefaltet und den Kopf gesenkt.

„Wir werden es herausfinden."

Die beiden grinsten sich an und konnten es kaum erwarten. Als der Pastor endlich hinausging und jeden Gläubigen mit einem Handschlag verabschiedete, waren sie die ersten, die ihm die Hand gaben. Es hatte auch Vorteile, wenn man als letzter kam. Man fand dann zwar keinen Sitzplatz mehr, konnte aber als erster wieder verschwinden.

Gleich nach dem Mittag hatten sie sich auf den Weg gemacht und sie waren so schnell gegangen, dass sie viel zu früh an der Lehmgrube ankamen. Von den Mädchen war noch nichts zu sehen und so langweilten sie sich nach einer Weile. Otto hatte wie immer sein Messer dabei und vertrieb sich die Zeit damit, es so gegen die Bäume zu werfen, dass es in der Rinde stecken blieb.

Karl versuchte ein wenig in seinem Buch zu lesen, aber Otto war einfach zu aufgedreht. Er lief ständig herum, schaute über die Abbruchkante in die Ferne und konnte es nicht ertragen, dass die Mädchen sie so lange warten ließen. Irgendwann hatte Karl genug von seiner Unruhe.

„Wenn du weiter so herumrennst, werden die Mädchen dich noch aus der Entfernung sehen und gar nicht erst hier herkommen. Setz dich und lies mir vor! Dann bist du beschäftigt. Das Buch heißt »Tom Sawyer« und es stammt von Mark Twain."

Hätte Karl ihm den Titel nicht gesagt, dann hätte Otto den Namen des Helden ganz bestimmt falsch ausgesprochen. Doch nach dem er ihn einmal gehört hatte, war er auch kein Problem mehr für ihn. Schnell fand er sich in die Geschichte hinein und als Tom eine Ratte an einer Schnur umherschleuderte, war er fasziniert von der Geschichte. Er konnte sich in den Helden hinein versetzen und wenn Karl ihn in diesem Moment nicht angestoßen hätte, dann hätte er die Ankunft der Mädchen wohl verpasst.

Sofort fiel das Buch zur Seite, Otto warf sich auf den Bauch und wollte genau wie beim letzten Mal durch die Grashalme hindurch schauen. Aber Karl überlegte einen Moment. Plötzlich grinste er und schaute in die Ferne zu den näher kommenden Mädchen.

„Noch sind sie weit genug entfernt. Wenn wir außen herum nach unten rennen, dann können wir uns unten, hinter den Büschen verstecken. Von dort aus können wir sie aus nächster Nähe sehen."

„Aber dort unten werden sie uns entdecken! Wo willst du dich denn dort verstecken?"

„Wir legen uns hinter den Büschen ganz flach auf den Boden ins hohe Gras. Es wird funktionieren! Vertrau mir!"

Schnell entschlossen erhob sich Otto und folgte seinem Freund auf dem langen Weg um den steilen Hang herum. In hohem Tempo rannten sie durch die Büsche, sprangen über Wurzeln und Steine hinweg. Noch lange vor den Mädchen kamen sie unten an und versteckten sich.

Aus der Ferne hörten sie Wortfetzen und Lachen. Die Mädchen kamen näher und den beiden Jungs schlugen die Herzen wie wild. Ganz flach drückten sie sich an den Boden und hofften darauf, dass die Büsche und das Gras sie gut genug verdeckten.

Das Geheimnis der weiblichen LustWhere stories live. Discover now