11. Kapitel

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Sie spielte mit ihren Fingern. "Weißt du... Ach, vergiss es".

Sanft packte ich ihr Kinn mit zwei Fingern und drehte ihr Gesicht zu mir. So musste sie mir jetzt in die Augen schauen. Sie war nervös, sie wusste nicht ob sie mir vertrauen konnte. "Du kannst mir alles sagen, ich werde ganz ruhig sein. Egal was es ist, ok?"

"Versprochen?", fragte sie leise.

Ich musste lachen, sie war wirklich zuckersüß. Wie sie auf meinem Schoß saß, obwohl ich es ihr anmerkte das es ihr unangenehm war, aber sie dennoch ruhig blieb. Ihre funkelnden Augen blickten direkt in meine. "Versprochen", sagte ich.

Sie schaute runter. "Okay... Also, es geht um Michelle...", sagte sie und schaute schnell wieder hoch. Sie erwartete das ich jetzt wütend wurde, aber ich blieb, wie versprochen, ruhig. "Lass sie bitte gehen".

Er nahm meine Hand und küsste sie. "Na gut, wenn du das willst..."

Ich war verwundert. Er wollte sie wirklich auf meinen Wunsch hin, einfach gehen lassen? 'Er verarscht mich nur'. Ich musste nochmal nachfragen. "Das war kein Scherz, ich mein das ernst. Du hast mir den tot von meinem Vater verheimlicht. Tu mir diesen Gefallen".

Er nickte. "Das werde ich".

Ich schaute ihn verwirrt an. "Meinst du das gerade ernst?"

"Ja, das tue ich, aber ich hoffe du bist dir über die Konsequenzen klar", sagte er ruhig. "Denk aber vorher nochmal   darüber nach, Honey. Bevor du dich endgültig entscheidest".

Ich schaute auf den Boden. 'Konsequenzen?' Er musterte mich von der Seite. 'Was für... Oh...' Michelle  würde sofort zur Polizei gehen und James... "Nein, ich will nicht das sie... Dich einsperren". Ich machte eine kurze Pause. "Aber ich will sie auch nicht für immer hier eingesperrt halten".

"Du musst dich entscheiden, schöne. Es gibt keine andere Option, außer dir fällt noch was ein, was ich aber bezweifle", sagte er.

Ich legte meine arme um seinen Hals und drückte ihn an mich. Als ich spürte das mir eine Träne die Wange runter lief, schloss ich meine Augen. Diese Umarmung fühlte sich so gut an, so warm, aber dennoch war ich besorgt. "Ich habe meinen Vater verloren... Ich will dich nicht auch verlieren..." Wer hätte gedacht, das das mal aus meinem Mund kommt. "Gib mir einpaar Tage Zeit um nachzudenken, was wir mit Michelle sonst noch machen können, ok? Sie hat es nicht verdient zu sterben".

Er drückte mich etwas weg, um Abstand zwischen uns zu gewinnen. "Alles was du willst, Honey", sagte er und wischte mir die Tränen weg. "Darf ich dich jetzt endlich trösten?"
Ich nickte und ließ mich von ihm umarmen. Vielleicht konnte er es ja wirklich erträglicher machen?...

Ihre Augen waren schon eine Weile lang zu. Endlich fand sie mal auch ihre Ruhe. Bis sie über den tot ihres Vaters hinwegkam brauchte es noch Zeit, aber das würden wir schon gemeinsam hinkriegen. Vorsichtig drückte ich ihr einen Kuss auf die Stirn und deckte sie zu. Am liebsten würde ich immer bei ihr sein und ihr beim schlafen zu gucken, aber ich hatte noch etwas zu erledigen. Langsam machte ich mich auf den Weg runter ins Wohnzimmer und suchte mein Handy. 'Sechs verpasste Anrufe...' Ich ließ mich auf der Couch nieder und wählte die Nummer. "Wieso rufst du auf meinem privaten Handy an?", fragte ich gereizt. "Na und? Das interessiert mich nicht... Ja... Was? Heute? Ich habe keine Zeit... Na gut dann halt um fünf! Er soll gefälligst pünktlich sein!", sagte ich und legte auf. Genervt rieb ich mir die Schläfen. "Erik!" Ich hatte keine Lust auf Besuch, aber dieses Treffen war wohl doch wichtiger als gedacht. Ich musste mich etwas aus der Geschäftswelt zurück ziehen. Im Moment wollte ich eigentlich nur für meine Frau da sein. Ich schaute mich um. "Erik!", rief ich und wartete kurz ab. Nichts. Seufzend stand ich auf. 'Wo bist du schon wieder alter Mann? '

Mit Händen in den Hosentaschen lief ich durchs Haus und schaute mich um. Noch war es etwas kahl hier, aber das hatte ich extra so gelassen. Chloe sollte  das Haus nach ihren wünschen gestalten und das war bestimmt auch eine gute Ablenkung für sie. Ich spickte in die Küche rein. "Erik?" Langsam machte ich mir Sorgen, wieso gab er keine Antwort? Aus der offenen kellertür, kam mir Mika entgegen. 'Ach deshalb hörst du mich nicht', dachte ich. 'Du fütterst wohl gerade das Miststück...' "Na süße, was macht Onkel Erik solange da unten?", fragte ich und kraulte sie kurz. "Ist Michelle das miststück böse? Ja? Ich kümmer mich darum", sagte ich und lief runter, wo ich ihre grässliche Stimme schon hörte. Hoffentlich hatte ich einen Grund ihr weh zu tun. An der offenen Tür blieb ich stehen und schaute sie an. Michelle schrie den Armen Erik zusammen, doch als sie mich sah, verstummte sie sofort. Er hielt sich komischerweise angestrengt das Knie. 'Warte ab, das wirst du bereuen'. "Mach sie Ärger?", fragte ich und lief zu ihm.

"Was? Nein", sagte er leicht erschrocken und richtete sich sofort auf.

Ich verschränkte meine Arme und schaute sie durchgehend an. "Geh hoch, Erik und nimm Mika mit. Ich gebe Michelle Essen".

Ich wartete bis er die Tür schloss und lief erst dann zu Michelle. "Hast du ihn getreten?", fragte ich und kreiste um sie. Sie schüttelte panisch den Kopf. "Also hast du ihn getreten...", stellte ich fest. Vor ihr blieb ich stehen. "Er ist ein alter Mann und mir sehr wichtig. Er hat dich auch noch in Schutz genommen, dir essen gegeben und das ist dein Dank? Das er sich um dich sorgt?" Ich trat einen Schritt näher an sie heran. "Weißt du was? Ich hätte dich schon vorher töten sollen. Nur wegen Chloe reiße ich dir gerade nicht die Zunge raus!", sagte ich und packte sie am Kiefer, daraufhin wimmerte sie. "Und Wage es nie wieder, Erik zu schlagen, oder anzuschreien! Es wird mir dann nämlich egal sein was Chloe sagt! Und jetzt wirst du gefälligst essen!"...

Langsam öffnete ich meine trockenen Augen und schaute neben mich. James lag nicht mehr neben mir. Wo war er schon wieder? Ich setzte mich auf und rieb mir übers Gesicht. Mein Bauch tat verdammt weh und ich war total durstig. 'Bitte lass es nicht die Schmerzen sein, die ich denke das sie es sind'. Zu meinem Trauer Schmerz, fehlten mir noch meine Tage. Seufzend stand ich auf und lief ins Badezimmer, wo mich eine böse Überraschung erwartete. "James hat bestimmt nichts hier...", sagte ich leise zu mir selbst und schaute in allen Schubladen nach. 'Also bin ich schon seit drei Wochen hier... Kommt mir irgendwie gar nicht so lange vor'. Als Notlösung nahm ich mir einfach Papier und zog mich schwarz an. 'Zum Glück sind sie nicht so stark', dachte ich und machte mich auf den Weg nach unten. Bis in ein Geschäft und zurück, würde ich es schon schaffen. Jetzt musste ich nur noch James finden. Wie sollte ich ihm das sagen? Irgendwie war es mir unangenehm, er würde mich bestimmt damit aufziehen. So war er.

"Endlich wach?", fragte er. Ich drehte mich um und sah ihn aus der Küche kommen. Er war bestimmt bei Michelle gewesen.

"Ja... Wo warst du?", fragte ich. Er drückte mir einen Kuss auf die Stirn. "Bei Erik wollte sie nicht essen, also hab ich das gemacht".

"Aber du hast nicht...", fragte ich zögerlich und hielt inne.

Lächelnd schlang er seine Arme um mich. "Um ehrlich zu sein, sie hat nur eine Ohrfeige kassiert, weil sie mir in den Finger gebissen hat. Aber sonst habe ich sie nicht angerührt. Ich halte mein Wort, Honey".

"Oh, okay... Und, wie geht's deiner Hand?", fragte ich und legte meinen Kopf auf seine Brust.

Er streichelte mir über den Rücken. "Ganz gut. Mach dir keine Sorgen um mich. Hast du gut geschlafen?"

"So, so... Ich brauch Einpaar Sachen, James... Können wir einkaufen gehen?" Er schaute auf seine Uhr. "Ich wollte eh an die frische Luft, wieso nicht? Aber um fünf müssen wir wieder hier sein, ich hab ein Geschäftsessen mit einem wichtigen Kunden. Was brauchst du denn? Vielleicht haben wir es ja auch hier? Dann können wir einfach in den Wald spazieren gehen und müssen uns nicht durch die Mall kämpfen".

"Ich brauch einpaar Kosmetikartikel...", sagte ich zögerlich.  "Was für Kosmetikartikel denn?"

"Einpaar Sachen, James. Fra nicht so viel", sagte ich und entfernte mich von ihm. "Lass uns einfach los". Man! Er wollte auch alles wissen!...

H-B Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt