Kapitel 12

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Maerwyn wanderte ziellos durch die langen Gänge Lothlóriens.
Sie war sich ziemlich sicher, dass sie sich verirrt hatte, doch sie konnte sich nicht dazu bringen, sich dafür zu interessieren. Sie hatte zu viel Stoff zum Nachdenken.
Herrin Galadriel hatte ihr, wie auch ihren Gefährten, ein Bad herrichten lassen, zu dem sie sich begeben hatte, sobald sie ihre Habseligkeiten an dem ihnen zugewiesenen Rastplatz untergebracht hatte.
Nachdem sie sich gewaschen hatte, war sie in ein schlichtes, weißes Kleid gesteckt worden, während ihre eigenen Kleider gewaschen wurden. Ihr Haare hatte sie offen gelassen, damit sie sich davon erholen konnten, immer in einen festen Zopf geflochten zu sein. Danach hatte sie sich eigentlich zu der Gemeinschaft zurückbegeben wollen, doch sie war durch die Herrin des Lichts höchstselbst abgefangen worden.
Sie hatten ein sehr ernstes Gespräch geführt. Galadriel hatte ihr erklärt, dass es nicht ihre Schuld war, dass Gandalf tot war und, dass der Zauberer getan hatte, was er konnte, um sicherzustellen, dass sie weiterlebte, um eines Tages nach Hause zurückzukehren.
Nach Hause... Das war ein weiterer Punkt ihrer Konversation gewesen. Maerwyn wusste nicht mehr, was ihr Zuhause war. Man hätte meinen sollen, ihr Gespräch mit der Königin habe ihr ein wenig Klarheit verschafft, stattdessen hatte es sie nur noch mehr verwirrt.
Ihr Leben lang hatte sie sich nie wirklich irgendwo zugehörig gefühlt. Sogar Rohan hatte sich nie wirklich richtig angefühlt, doch es war immer ihr Zuhause gewesen und auch jetzt wünschte sie sich nichts sehnlicher, als dorthin zu gehen, sich von ihrem Bruder umarmen zu lassen und ihrem Vater einige unschöne Wahrheiten zu sagen. Wahrheiten wie-
Sie stolperte über eine Treppenstufe, trat auf den Saum ihres Kleides und wäre gestürzt, hätten sich nicht in dem Moment zwei Arme um ihre Taille gelegt und sie vor dem Fall bewahrt.
"Hier bist du", sagte eine Stimme, die sie nur allzu gut kannte. "Ich dachte schon, du hättest dich in den Anduin geworfen."
Die Prinzessin machte sich von der Person los.
"Ich habe keinen Todeswunsch, Legolas", gab sie zurück.
Ein weiteres Mal erfüllte sie ein Gefühl, dass Wut sehr ähnelte. Und weil sie keine andere Definition für dieses Gefühl kannte, äußerte sie auf genau diese Art.
"Nein, aber einen Selbsterhaltungsinstinkt hast du auch nicht. Dafür jedoch ein sehr schlechtes Gewissen."
Sie sah ihn wütend an.
"Wieso bist du hier?", fragte sie.
"Ich habe dich gesucht."
"Und warum?"
Legolas seufzte.
"Weil die ganze Gemeinschaft versammelt ist und bereit ist, zu schlafen und du als Einzige nicht anwesend warst. Ich habe mir Sorgen gemacht."
Maerwyn schnaubte.
"Die anderen auch", fügte der Elb hinzu.
"Und dann kommst ausgerechnet du, um mich zu suchen? Ich habe dir gesagt, ich brauche keinen Aufpasser. Ich habe zwanzig Winter erlebt. Ich kann sehr wohl auf mich aufpassen."
"Das stelle ich nicht in Frage."
"Wieso bist du dann hier? Früher oder später hätte ich meinen Weg schon zum Lager gefunden."
"Weil Aragorn mich geschickt hat", das war eine Lüge, aber das musste Maerwyn nicht wissen.
Die Wahrheit war, dass Legolas von ihrem Gespräch mit Herrin Galadriel wusste, die Königin hatte es ihm per Gedankenübertragung mitgeteilt und ihn angewiesen, sie zu unterstützen.
Maerwyn grummelte ungehalten, ehe sie dem Prinzen zurück zum Lager folgte. Sie würde zwar sowieso nicht schlafen können, aber versuchen konnte sie es zumindest.

Sie war überrascht, als sie am nächsten Morgen erwachte. Sie hatte es doch tatsächlich geschafft, zu schlafen. Sie hatte sogar sehr gut geschlafen und das hatte ganz bestimmt nichts damit zu tun, dass ein gewisser Elbenprinz zwei Meter von ihr entfernt, ebenfalls friedlich geschlummert hatte.
Nein, es hatte ganz bestimmt daran gelegen, dass es Lothlórien war und sie sich hier sicher fühlte, weil Elben und wachsam und gut bewachte Grenzen und keine Gefahren und so.
Maerwyn ließ sich von einer jungen Elbenfrau zu einem Zimmer geleiten, in dem ihre Rüstung für sie bereitlag. Während sie das Kleid auszog, ihre Rüstung anlegte und ihre Haare flocht, dachte sie über den nächsten Teil der Reise nach.
Sie hatten nun schon so viele Gefahren überstanden und sie hatten noch nicht einmal die Hälfte des Weges nach Mordor geschafft. Wie viele mussten sie noch verlieren, bevor sie dort ankamen? Gandalf war schon tot, wer wäre der Nächste?
Ein weiteres Mal schwor sie sich, ihre Gefährten mit ihrem Leben zu beschützen. Wenn jemand als nächstes sterben müsste, dann würde sie das sein.
Einen Moment lang wanderten ihre Gedanken zu ihrer Familie. Was sie wohl dazu sagen würden, wenn sie wüssten, dass sie sich gerade auf ein neues Himmelfahrtskommando eingelassen hatte. Und dann auch noch eines, das sie selbst ausgeheckt hatte. Aus irgendwelchen Gründen dachte sie auch an Legolas. Ihn würde sie loswerden müssen, wenn sie anstatt eines ihrer Gefährten sterben wollte. Eher würde er selbst sterben, als sie sterben zu lassen, das wusste sie.
Es klopfte an der Tür.
"Herein!", rief sie.
Die junge Elbenfrau trat ein.
"Prinzessin, es ist Zeit", sprach sie.
Maerwyn schaute ein letztes Mal in den Spiegel. 
Es wird dauern, bis ich wieder so sauber bin wie jetzt, dachte sie, dann folgte sie der Frau zu ihren Gefährten.

Von Maerwyn und Lumiel (Der Herr der Ringe Fan-Fiction)Where stories live. Discover now