Kapitel 25

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An dem Abend wurde in der goldenen Halle Meduseld gefeiert.
Lumiel hatte sich in ein weißes Kleid, mit goldenen Stickereien im Brustbereich und über den Ellenbogen stecken lassen. Die Ärmel waren ab dem Ellenbogen an einer Seite offen und ein goldener Gürtel, dessen Band fast bis zum Boden reichte, saß auf ihrer Hüfte.
Ihre langen, gewellten, braunen Haare trug sie offen. Sie trug keinen Schmuck. Heute Nacht waren alle gleich.
Sie und Éomer standen einen Schritt hinter Théoden, als Éowyn sich mit einem Kelch, der mit Wein gefüllt war, näherte, sich verneigte und der König ihr den Kelch abnahm.
Lumiels Blick fand den von Legolas. Sie lächelte ihm kaum merklich zu. Er starrte sie nur an, als sei sie eine mystische Erscheinung.
Éowyn stellte sich einen Schritt hinter Lumiel.
Als Théoden den Kelch erhob, standen die Menschen, die in der Halle versammelt waren von ihren Plätzen auf, ihre Krüge mit Getränken in der Hand.
Der König sprach feierlich: "Heute Nacht gedenken wir derer, die ihr Blut gaben, um dieses Land zu verteidigen. Heil den siegreichen Toten!"
"Heil!", erscholl es mit einer Stimme und man hob die Getränke, um auf die Toten zu trinken, ihnen Respekt zu zollen.

Wenig später war die Halle von Lachen und Stimmengewirr erfüllt. Man aß und trank und unterhielt sich.
Lumiel hatte schon eine ganze Menge Konversationen hinter sich - und hatte von Vätern und Müttern, scheinbar scherzhafte, Angebote zur Hochzeit mit ihren Söhnen bekommen, die sie höflich beantwortet hatte mit, sie werde darüber nachdenken.
Irgendwann war es ihr zu viel geworden: zu viele Menschen, zu viel Lärm, zu viele Heiratsanträge. Doch sie konnte nicht den ganzen Abend an der frischen Luft verbringen. Als Prinzessin dieses Landes gehörte es zum guten Ton, während der Feier anwesend zu sein. Alles andere könnte als Desinteresse an ihrem Volk und den Toten missverstanden werden.
Jetzt schlängelte sie sich, höflich lächelnd, durch die Menschenmenge und suchte ihre Kumpane.
Sie entdeckte Legolas an einer Säule lehnend und das Treiben beobachtend.
"Na du", begrüßte sie ihn, ihr Lächeln nun echt und strahlend.
Legolas erwiderte den Gruß.
"Ich habe dich seit einer ganzen Weile nicht mehr gesehen", fügte er nach einem Moment der Stille amüsiert hinzu.
"Wie denn auch?"
Lumiel kniff die Augen zusammen.
"Abgesehen von Merry, Pippin und Gimli, sind alle größer als ich."
Der Elb unterdrückte ein belustigtes Schnauben und sah lächelnd zu Boden.
"Außerdem wurde ich belagert", ergänzte sie, während sie unglücklich zu ihm aufsah. "Es ist wirklich faszinierend, wie viele mit der heimgekehrten Prinzessin sprechen wollen... Und ihr im Namen ihrer Söhne Heiratsanträge machen..."
Sie schüttelte sich. Legolas sah sie entsetzt an. Sie hielt sein Entsetzen für eine Form der Empörung.
"Ja, nicht wahr? Furchtbar. Und dann darf ich ihnen nicht einmal ehrlich sagen, was ich von der Idee halte."
Sie schüttelte den Kopf, während Legolas erleichtert aufatmete.
"Irgendwann habe ich mich dann nach draußen verzogen, aber als Repräsentantin unserer großartigen Nation kann ich nicht ewig vor der Halle sitzen und hoffen, dass die Feier ganz schnell endet."
"Du magst Feste nicht", stellte Legolas fest.
"Ganz im Gegenteil" widersprach die Prinzessin. "Ich mag sie, solange es einen vernünftigen Grund zum Feiern gibt und mich niemand unnötig anspricht - schon gar nicht mit irgendwelchen Heiratsanträgen."
Legolas war nicht überzeugt: "Wann warst du zum letzten Mal auf einer Feier, die so groß war wie diese?"
"Vor zwei Jahren", kam, ohne zu zögern, die Antwort. "Die Verlobungsfeier meines Bruders. Aber sie war nicht ganz so wie diese. Es waren mehr Adlige da und Repräsentanten der Länder Mittelerdes, die alle sehr viel Wert auf Etikette und gutes Benehmen legen."
Sie überlegte einen Moment, dann fügte sie hinzu: "Nicht, dass es einen großen Unterschied zu heute gemacht hätte: Alle möglichen Würdenträger haben Théoden angesprochen und um meine Hand gebeten. Wenigstens haben sie dieses Mal den Anstand, mich persönlich zu fragen."
Legolas ignorierte den letzten Teil und konzentrierte sich auf den Ersten.
"Théodred war verheiratet?", fragte er. "Wieso warst du nicht auf der Hochzeit?"
Lumiel schüttelte den Kopf.
"Bist du schwerhörig? Ich sagte verlobt, nicht verheiratet. Zu einer Vermählung kam es nie."
Der Elb nickte langsam. Der Prinz musste verstorben sein, bevor es zur Heirat hatte kommen können.
Es war, als könne Lumiel seine Gedanken lesen.
"Falls du meinst, er sei vor seiner Hochzeit gestorben, irrst du dich", meinte sie, scheinbar unbeschwert, während sie über den Tod ihres Ziehbruders sprach. "Ihre Eltern haben die Verlobung lösen lassen, bevor das Jahr zu Ende war."
"Wisst ihr, wieso?"
Legolas war neugierig geworden.
Einen Prinzen zu heiraten war eine unglaubliche Ehre. Welche Familie wollte nicht in eine Königsfamilie einheiraten? Die Stellung, die mit solch einer Heirat kam - und die Angeberechte - waren genug, um alles andere - Verantwortung und Charakter - zu ignorieren.
Lumiel zuckte mit den Schultern.
"Die offizielle Version ist, dass sie nicht damit einverstanden waren, wie Théoden und Théodred mich leben ließen. Sie hatten Sorge, ihre zukünftigen Enkelkinder könnten genauso zum Ungehorsam erzogen und sich selbst überlassen werden. Ich, für meinen Teil, glaube davon kein Wort."
Sie grinste boshaft.
"Ich glaube, es lag daran, dass ich ihr Leben bei Hofe ziemlich ungemütlich gemacht habe und sie es nicht mehr ausgehalten hat."
"Lumiel!"
Legolas war entsetzt.
Lumiel zischte, um ihn zum Schweigen zu bringen. Sie schaute sich um. Falls jemand bemerkt hatte, dass der Elb sie mit einem anderen Namen angesprochen hatte, dann zeigten sie es nicht. Wahrscheinlich hielten sie ihn für einen Spitznamen.
"Ich konnte sie nicht ausstehen", erklärte die Prinzessin ihre Motive. "Und es ist nicht so, als hätte sie nicht dasselbe getan."
Sie schüttelte sich erneut, als sie daran dachte, wie die Verlobte Théodreds sich verhalten hatte.
Sie sah sich um, als sei sie tatsächlich neugierig, was um sie herum geschah. Tatsächlich wollte sie jedoch nur das Thema wechseln oder dem Gespräch ganz entfliehen.
Ihre Rettung kam in Form Éomers, der sie mit einem Bierkrug herüberwinkte.
"Oh, es geht los!", freute sie sich und packte Legolas am Ärmel seiner silbernen Tunika. "Komm, ich will wissen, wie du dich schlägst."
Und damit zog sie ihn hinter sich her.

Von Maerwyn und Lumiel (Der Herr der Ringe Fan-Fiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt