Kapitel 24

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Lumiel starrte Aragorns Rücken an, während sie durch den Fangorn-Wald ritten. 
Als sie diesen Wald das letzte Mal gesehen hatte, hatte er einige hundert Uruk-Hai verschlungen. Sie war nicht unbedingt scharf darauf ihr Schicksal zu teilen.
Ein Ast knackte unter Donnerhufs Huf und ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Hoffentlich war das kein Verwandter eines dieser Bäume gewesen...
Im Wald war es still. Alles, was man hörte, waren die Hufe der Pferde, die dumpf auf dem Waldboden aufkamen.
Hier und da knarrte ein Baum. 
Lumiel wollte nach Hause. Oder zumindest aus diesem Wald heraus.
Ihr Wunsch wurde ihr bald gewährt, denn sie erreichten das Ende des Weges, auf dem Gandalf sie nach Isengart führte.
Sie waren kaum aus dem Dickicht des Waldes herausgeritten, da drang freudiges Gelächter an ihre Ohren.
Lumiel zog die Augenbrauen zusammen. Irgendwo hatte sie dieses Lachen schon einmal gehört.
Dann sah sie, zu wem es gehörte, und ein breites Lächeln erschien auf ihren Lippen: Merry stand, eine Pfeife in der Hand, schwankend auf den Ruinen einer Mauer und Pippin saß vor ihm, in einer Hand eine Pfeife, in der anderen einen Krug aus Metall.
Ganz offensichtlich war keiner von beiden mehr besonders nüchtern, vor allem Merrys Schwanken nach zu urteilen. 
"Willkommen, meine Herren und meine Dame!", verkündete Merry feierlich. "In Isengart!"
Er wies mit einer ausladenden Handbewegung auf das Bild der absoluten Verwüstung hinter sich, wobei er noch mehr ins Wanken geriet.
Gandalf sah alles andere als erfreut aus, die beiden Hobbits zu sehen, ganz im Gegensatz zu Aragorn, Lumiel, Legolas und Gimli.
Éomer, Théoden und Gamling, die ebenfalls Teil der Abordnung waren, schauten recht verständnislos.
"Ihr jungen Nichtsnutze!", schimpfte Gimli, um seine Erleichterung über ihr - offensichtliches - Wohlbefinden zu überdecken.
Pippin hob, breit lächelnd, seine Pfeife zum Gruß.
Aragorn grinste.
"Auf eine lustige Jagd habt ihr uns geschickt und jetzt finden wir euch-", dem Zwerg fehlten die Worte, "-schmausend und...und...und Pfeife rauchend!"
Lumiel kicherte.
"Wir sitzen", erklärte Pippin mit vollem Mund, während Merry an seiner Pfeife zog, "auf einem Feld des Sieges, uns einiger wohlverdienter Annehmlichkeiten erfreuend."
Merry grinste zufrieden, während er den Rauch durch den Mund entweichen ließ und weiterkaute.
"Das Pökelfleisch ist ausgesprochen delikat", fügte Pippin hinzu und schaute den Zwerg vielsagend an.
Lumiel prustete los.
"Pökelfleisch?", fragte Gimli, der Aussicht auf gutes Essen durchaus nicht abgeneigt.
Gandalf seufzte genervt.
"Hobbits", grummelte er vor sich hin.
Merry erklärte: "Wir unterstehen dem Befehl von Baumbart! Er hat die Verwaltung Isengarts übernommen."
"Was ist ein Baumbart?", flüsterte Lumiel Legolas zu, der mit Arod und Gimli neben ihr aufgetaucht war, als sie der Hobbits wegen angehalten hatte. "Und warum kann es die Verwaltung von etwas übernehmen."

Isengart bot einen jämmerlichen Anblick. Überall lagen Geröll und Trümmer herum und über alles hatten sich Wassermassen ergossen, die den Pferden bis zu den Knien standen, als sie hindurch ritten. 
Pippin hatte hinter Aragorn auf Brego Platz gefunden, Merry saß bei Éomer auf Feuerfuß. Angeblich ziemte es sich nicht, wenn ein Mann, sei er auch noch so klein, hinter einer Frau saß, wenn es nicht zwingend notwendig war. Ausnahmsweise hatte Lumiel sich nicht gewehrt, als Théoden seine Vorbehalte geäußert hatte. Sie hatte nicht das Bedürfnis gehabt, auf einen besoffenen und bekifften Hobbit aufpassen zu müssen, wenn sie viel lieber Saruman beschimpfte.
Als sie auf Orthanc zuritten, der sich über das Chaos an seinem Fuß erhob, wurden sie von einem wandelnden Baum - einem Ent - begrüßt, der einen Bart besaß: "Junger Meister Gandalf."
"Jung?", rutschte es Lumiel ungläubig heraus. "Wenn Gandalf jung ist, was bin dann ich? Er hat dreihundert Menschenleben auf dem Buckel. Ich habe erst zwanzig Jahre von einem hinter mir?!"
Legolas hustete, um sein Lachen zu verstecken.
Gandalf schaute genervt.
Éomer war amüsiert und Théoden war zum ersten Mal in seinem Leben froh, dass Lumiel nicht seine leibliche Tochter war. Trotzdem wäre er liebend gern im Boden versunken.
"Ich bin...froh, dass Ihr gekommen seid", fuhr der Ent, den Lumiel für Baumbart hielt - zum einen wegen des Bartes, zum anderen, weil er schien, als habe er das Sagen - fort, ohne sich um ihren Kommentar zu kümmern.
"Holz und Wasser, Stock und Stein kann ich beherrschen, aber hier gilt es, mit einem Zauberer fertig zu werden, eingesperrt in seinem Turm."
"Feigling", schnaubte Lumiel verächtlich.
"Zeig dich", verlangte auch Aragorn, wenn auch im Flüsterton.
Gandalf warnte die beiden: "Seid vorsichtig. Sogar in der Niederlage ist Saruman gefährlich."
"Dann holen wir uns einfach seinen Kopf, dann haben wir endlich Ruhe", befand Gimli, ewig der Pragmatiker.
Lumiel horchte auf.
"Darf ich? Darf ich? Darf ich?", bettelte sie und hopste im Sattel aufgeregt auf und ab.
"Nein", widersprach der Zauberer entschieden. "Wir brauchen ihn lebendig."
"Aber tun wir das wirklich?", fragte die Prinzessin und tauschte einen vielsagenden Blick mit Éomer.
"Maerwyn...", wies Théoden sie zurecht.
Lumiel schmollte.
"Wir müssen ihn zum Reden bringen", dachte Gandalf laut.
"Ich habe eine Idee", meldete Lumiel sich wieder, ohne sich um die warnenden und besorgten Blicke der anderen zu kümmern. "Nein, wirklich, es ist eine gute Idee. Ich gehe rein, halte ihm ein Messer an die Kehle und sage ihm, wenn er nicht sterben will, soll er mit dir reden."
"Maerwyn, vielleicht ist es an der Zeit, dass du still bist", empfahl Legolas.
Lumiel streckte ihm die Zunge heraus, doch bevor sie antworten konnte, kam von hoch über ihnen eine Stimme. Sie war sanft und ruhig und genau das war es, was Lumiel übel aufstieß, sie misstrauisch machte.
Sie hatte gehört, dass Saruman gut mit Worten umgehen konnte und die Leute mit seiner Sprache allein in seinen Bann ziehen konnte. Als er also nun ihren Ziehvater ansprach, griff ihre Hand automatisch zum Messer in ihrer Armschiene.
"Ihr habt viele Kriege gekämpft und viele Männer erschlagen, Théoden, König..."
Über ihnen, auf der Spitze Orthancs erschien der Weiße Zauberer.
"...und habt hinterher Frieden geschlossen."
Lumiel war nicht dumm genug, ihre Gedanken auszusprechen, aber sie waren nicht freundlich, ganz im Gegenteil. Trotzdem hatte sie, als Prinzessin - vor allem als Prinzessin eines anderen Volkes - nicht das Recht, sich in eine Konversation einzumischen, die ein König führte. Auch dann nicht, wenn dieser König sie wie seine Tochter behandelte und ihr sicher verziehen hätte.
"Könnten wir nicht zusammen beratschlagen, wie wir das einst taten, mein alter Freund."
Wenn der Schicksalsberg einfriert, vielleicht, kommentierte Lumiel in Gedanken. Aber vorher lege ich dort ein Feuer, damit das Eis bricht und wenn das Feuer auch einfriert, versuche ich es wieder. Und wieder und wieder und wieder. So lange, bis das Eis von selbst taut. Und dann, tja, dann musst du wohl bis zum nächsten Mal warten. Und dann wiederhole ich die Aktion.
Saruman stützte sich auf seinen Stab, als wäre er ein alter Mann. Lumiel hatte keinerlei Mitleid mit ihm.
"Können wir nicht Frieden haben, Ihr und ich?"
Fast hätte sie losgeprustet. Dieses große Stück Abschaum, das sich auf der Spitze seines Turms versteckte wie ein Feigling, hatte veranlasst, dass die Westfold zerstört wurde; hatte die Orks geschickt, die Théodred die tödliche Wunde zugefügt hatten; hatte Wargreiter gegen unschuldige Frauen und Kinder geschickt und zahlreiche Soldaten Rohans durch sie - die Wargreiter - getötet; hatte zehntausend Uruk-Hai nach Helms Klamm geschickt, die rohirrische sowie elbische Krieger getötet hatten und ein Loch in den Klammwall gesprengt hatten und jetzt, wo er in der Klemme saß, jetzt wollte er Frieden haben.
Sie sah Théoden an. Sie konnte ihm nicht ansehen, was in seinem Gehirn vorging, denn seine Miene hatte sich verhärtet.
"Wir werden Frieden haben", erklärte er, ohne den Zauberer anzusehen.
Lumiel öffnete den Mund, um ihm zu widersprechen. Sicher konnte er das nicht ernst meinen. Diese...Person hatte Théodred und so viele andere Leben auf dem Gewissen. Mit so jemandem konnte er keinen Frieden wollen, niemals!
Auch Aragorn hatte den Blick zum König gewandt, doch bevor einer von beiden etwas sagen konnte, machte die Ausdruckslosigkeit unbändiger Wut Platz.
"Wir werden Frieden haben", wiederholte er, seine Augen sprühten vor Hass und Abscheu, als er zu Saruman aufblickte. "Wenn man Euch gerichtet hat für die Feuersbrünste in der Westfold und die Kinder, die tot dort liegen! Wir werden Frieden haben, wenn die Leben der Soldaten, deren Körper zerhackt wurden, als sie tot vor den Toren der Hornburg lagen, gerächt sind; wenn Ihr an einem Galgen baumelt, zum Vergnügen Eurer eigenen Krähen, werden wir Frieden haben."
"Nicht zu vergessen, wenn Ihr Eure gerechte Strafe für die Herbeiführung des Todes des Thronfolgers erhalten habt", fügte Lumiel hinzu.
"Ich konnte nicht widerstehen", erklärte sie auf den strafenden Blick Aragorns hin mit einem Schulterzucken. "Ich hatte das Gefühl, er müsse auch erwähnt werden."
Saruman war nicht amüsiert.
"Galgen und Krähen!", spuckte er aus. "Du Tropf!"
"Was willst du, Gandalf Graurock?", wandte er sich an den anderen Zauberer.
Faszinierend, wie schnell er das Thema wechselte, sobald das Gespräch nicht so lief wie er es sich vorgestellt hatte...
 "Lass mich raten. Den Schlüssel von Orthanc? Oder vielleicht die Schlüssel zu Barad-dûr selbst?"
"Ich sage es ja nur ungern", zischte Lumiel Gandalf zu. "Aber wenn wir die Schüssel zu Saurons Turm hätten, würde uns das einiges erleichtern."
Sie bekam keine Reaktion.
"Zusammen mit den Kronen der sieben Könige und den Stäben der fünf Zauberer?!", keifte Saruman.
"Also dafür haben wir wirklich keine Verwendung", kommentierte Lumiel.
"Dein Verrat hat schon viele Leben gekostet", rügte Gandalf den anderen, ohne auf die Prinzessin zu achten. "Tausende mehr sind jetzt in Gefahr. Doch du kannst sie retten, Saruman. Du warst tief im Rat des Feindes."
"Dann seid ihr für Auskünfte gekommen?", fragte Saruman hämisch grinsend. "Ich habe welche für euch."
Er holte eine Kugel aus seinem Umhang hervor, aus der ein bedrohliches Fauchen klang.
"Etwas wuchert im Herzen Mittelerdes", meinte er. "Etwas, das du übersehen hast... Aber das Große Auge hat es gesehen. Selbst jetzt baut er seinen Vorteil aus."
Gandalf ließ Schattenfell einige Schritte nach vorn machen, während Saruman noch immer vor sich hin lamentierte: "Sein Angriff wird bald kommen. Ihr werdet alle sterben. Aber das weißt du, nicht wahr, Gandalf. Du kannst nicht glauben, dass dieser Waldläufer jemals auf dem Thron Gondors sitzen wird? Dieser Verbannte, aus dem Schatten Gekrochene wird niemals zum König gekrönt."
Aragorn sah ihn mit zusammengekniffenen Augen trotzig an.
Lumiel knirschte mit den Zähnen. Bis-
"Und das Mädchen...", Saruman schnaubte verächtlich und Lumiel wurde hellhörig. "Heilende Kräfte sind schön und gut, doch mehr als das wird sie nie sein. Sie ist nicht ihre Mutter. Und trotzdem wird der Dunkle sie auf seine Seite ziehen, denn welche Verwendung hast du schon für sie? In einem Kampf nützt sie dir nichts und trotzdem lässt du sie für dich kämpfen."
Konnte dies der Grund sein aus dem Galadriel ihr gesagt hatte, wer ihre Eltern waren? Damit sie es nicht von Saruman erfahren musste?
Bevor sie es weiter hinterfragen konnte, quasselte der Zauberer weiter: "Gandalf zögert nicht, jene zu opfern, die ihm am nächsten sind. Jene, die er vorgibt zu lieben."
Lumiel und Gimli tauschten einen Blick.
"Sag mir, welche Worte des Trosts hast du dem Halbling gegeben, bevor du ihn in sein Verderben schicktest?"
Gandalf seufzte.
Lumiel fauchte, als sei sie eine Katze.
"Der Weg, auf den du ihn schicktest, kann nur in den Tod führen."
"Ich habe genug gehört!", befand Gimli. "Erschießt ihn. Ein Pfeil direkt ins Maul."
Lumiel und Legolas waren nur zu gern bereit, ihm diesen Wunsch zu erfüllen.
Mit einem äußerst selbstzufriedenen Grinsen pflückte die Prinzessin ihren Bogen und einen Pfeil von ihrem Rücken. Legolas war langsamer, aber es nützte nichts: Gandalf hielt sie beide auf.
"Nein!", befahl er. "Komm herunter, Saruman! Und dein Leben wird verschont."
Sarumans Dankbarkeit ließ zu wünschen übrig.
"Spar dir dein Mitleid und deine Gnade!", keifte er. "Ich habe keine Verwendung dafür!"
Mit seinem Stab feuerte er einen Feuerball auf Gandalf.
Die Pferde wieherten und tänzelten unruhig. Ihre Reiter wandten die Blicke ab, zu hell war das Feuer.
Die Flammen verzogen sich. Gandalf und Schattenfell waren vollkommen unverändert - vielleicht etwas genervter als vorher.
Saruman guckte dumm. Er guckte noch dümmer, als sein Stab, auf Gandalfs Geheiß hin, zerbrach.
Gut, vielleicht guckte er auch weniger dumm als wütend.
Hinter dem Zauberer, der nunmehr machtlos war, tauchte eine gebeugte, in schwarz gekleidete Gestalt auf.
"Schlangenzunge...", knurrte Lumiel.
Sie hatte ihren Bogen noch nicht weggesteckt und nicht übel Lust, dem Mann einen Pfeil zwischen die Augen zu jagen.
"Gríma!"
Théodens Ruf zog ihre Aufmerksamkeit auf den König. Er konnte doch nicht wirklich im Sinn haben, was sie glaubte, dass er im Sinn hatte!
Seine nächsten Worte bestätigten ihre Gedanken: "Du musst ihm nicht folgen! Du warst nicht immer, wie du jetzt bist!"
Ach, Vergebung ist unser Ziel. Wieso?! Wenn du ihn kanntest bevor er Sarumans Handlanger wurde, dann ist er ein Verräter und gehört wegen Landesverrat, ja sogar Hochverrat, und versuchtem Königsmord angeklagt!
"Du warst einst ein Mann Rohans!"
"Die einen sagen so, die anderen so...", murmelte Lumiel vor sich hin und fokussierte ihre Augen auf Donnerhufs schwarze Mähne.
"Komm herunter!"
"Nein!", widersprach sie heftig und schaute nach oben.
Ihre Augen sprühten Gift.
"Nein, bleib da oben! Do oben bist du viel sicherer als hier unten, denn ich teile die Absicht meines Vaters, dir zu vergeben, nicht! Wenn du hier runterkommst, kann ich nicht mehr für meine Handlungen garantieren!"
Schlangenzunge verneigte sich und machte einige Schritte nach hinten, als wolle er der Aufforderung des Königs tatsächlich Folge leisten.
Lumiel kniff die Augen zusammen.
"Ein Mann Rohans?", wiederholte Saruman verächtlich und Schlangenzunge erhob sich wieder. "Was ist das Haus Rohans als eine strohgedeckte Scheune, wo Straßenräuber im Gestank trinken und ihre Sprösslinge mit den Hunden auf dem Boden herumrollen."
Théoden kochte. Er atmete schwer und hatte die Augenbrauen zusammengezogen, den Mund leicht geöffnet.
Lumiel stand kurz vor dem Explodieren.
"Der Sieg in Helms Klamm gehört nicht dir, Théoden, Pferdemensch", spuckte der Zauberer aus. "Du bist der minderwertige Sohn größerer Erzeuger."
Im nächsten Moment schoss ein Pfeil haarscharf an seinem Ohr vorbei. Einige Strähnen seiner langen, weißen Haare fielen zu Boden. 
Aller Augen lagen auf der Prinzessin - manche, versteckt, stolz, andere erschrocken, teilweise sogar wütend - die noch immer, scheinbar seelenruhig, den Bogen auf Saruman gerichtet hielt.
Sie spannte die Waffe erneut und zielte wenige Zentimeter zur Seite.
"Der Nächste trifft dich zwischen die Augen!", versprach sie.
Sie erwartete eine Strafpredigt, doch sie kam nicht. Stattdessen hieß Théoden Schlangenzunge ein weiteres Mal herunterkommen.
"Befreie dich von ihm", fügte er gezwungen ruhig hinzu.
"Befreien?!", spottete Saruman. "Er wird niemals frei sein!"
"Nein", widersprach Schlangenzunge dem Zauberer zum allerersten Mal in seinem Leben.
Dieser war nicht begeistert und befahl ihm, auf die Knie zu gehen. Als er dies nicht tat, bekam er eine Ohrfeige verpasst, die ihn zu Boden warf.
"Saruman!", appellierte Gandalf erneut. "Du warst im innersten Rat des Feindes! Sag uns, was du weißt!"
"Schicke deine Wächter fort", forderte der andere Zauberer, "dann sage ich dir, wo euer Verderben entschieden wird. Ich werde hier nicht gefangen gehalten werden."
Sie würden niemals erfahren, was Saruman wusste, denn gleich darauf attackierte ihn Schlangenzunge und stieß ihm ein Messer in den Rücken. (Dieser Moment würde später als Die Dolchstoßlegende in Mittelerdes Geschichtsbüchern erwähnt werden.)
Der Zauberer röchelte.
Lumiel und Legolas schossen, ein verzweifelter Versuch, ihm das Leben zu retten, und erwischten Schlangenzunge. Der Mann schrie auf und fiel auf den Rücken, doch für Saruman war es zu spät: Er verlor das Gleichgewicht und stürzte seinen Turm hinunter, machte mehrere Saltos und wurde schließlich, am Fuß des Turms, von einem seiner Räder aufgespießt.
Die Hobbits keuchten auf.
Lumiel schluckte, um sich das Würgen zu verbeißen. Entweder Bild oder Geräusch, aber beides war zu viel. Wieder und wieder wiederholte sich das Geräusch, als die Spitze des Rades den Körper durchbohrte, in ihrem Kopf. Ein Geräusch, das man nicht gern auf Dauerschleife haben wollte. Schlussendlich wandte sie das Gesicht ab.
Auch Théoden schaute entsetzt.
Gandalf behielt einen kühlen Kopf und befahl: "Schickt Kunde an all unsere Verbündeten und in jede Ecke Mittelerde, die noch in Freiheit steht: Der Feind rückt gegen uns vor. Wir müssen wissen, wo er zuschlagen wird."
Ein Knarzen durchbrach die Stille, die sich nach seinen Worten ausgebreitet hatte. 
Lumiel schaute gerade rechtzeitig wieder nach vorne, um zu sehen, wie Sarumans Leiche im Wasser versenkt wurde, als das Rad sich drehte.
Etwas fiel aus seinem Ärmel und platschte ins Wasser.
Baumbart sagte etwas, doch Lumiel war zu sehr damit beschäftigt zu überlegen, wo dieses Etwas, das ausgesehen hatte wie die Kugel, die der Zauberer einige Zeit vorher aus seinem Ärmel geholt hatte, wohl gelandet sein würde.
Es schien ihr, als rufe sie nach ihr. Sie überlegte, ob sie absteigen und sie holen sollte, doch das wurde ihr abgenommen, denn Pippin schien dieselbe Idee gehabt zu haben.
Gandalf nahm sie ihm jedoch wieder ab, bevor er etwas damit tun konnte. 
Aus ihr unerklärlichen Gründen war Lumiel enttäuscht, dass sie sich die Kugel nicht hatte ansehen dürfen.

Der Ritt zurück nach Edoras verlief ohne Zwischenfälle. 
Lumiel spürte die Blicke Legolas' auf sich. Natürlich hatte er bemerkt, dass etwas anders war als sonst. Doch nicht einmal Lumiel selbst konnte erklären, wieso sie sich anders fühlte. Vor der Konfrontation Sarumans, ja, noch bevor er die Kugel zum ersten Mal hervorgeholt hatte, war alles normal gewesen. 
Wieso war nun etwas anders? Erst recht, wo die Kugel jetzt so nah bei ihr war. Wieso fühlte sie, als habe sich etwas in ihr verändert, als müsse sie sich die Kugel einmal genau ansehen?

Von Maerwyn und Lumiel (Der Herr der Ringe Fan-Fiction)Nơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ