Kapitel 13

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Die Gemeinschaft hatte die Boote ans Ufer gezogen, gegessen und sich schlafen gelegt.
Maerwyn und Legolas hatten die erste Wache übernommen.
Sie wechselten kein Wort miteinander. Einerseits, um keine unnötige Aufmerksamkeit von irgendwelchen Kreaturen im Unterholz auf sich zu ziehen, andererseits, weil sie einander nichts zu sagen hatten.
Sie saßen Rücken an Rücken. Legolas überwachte den Wald. Maerwyn hatte ihren Kopf an seine Schulter gelegt und blickte auf den Fluss. Nichts entging ihren wachsamen Augen. Nicht einmal Gollum, der ihnen bereits seit Moria folgte und auch auf dem Fluss immer ein Stückchen hinter ihnen blieb. Maerwyn hasste Gollum. Sie hätte ihn gern versenkt, doch ohne Aragorns Erlaubnis würde sie es nicht tun.
Als die Hälfte der Nacht herum war, erhob sich Legolas und weckte Aragorn und Boromir, die bis zum Morgengrauen Wache halten würden.
Maerwyn blieb sitzen, wo sie saß, wünschte ihm lediglich eine gute Nacht.
Aragorn war der Erste der beiden Männer, der sich erhob.
Er setzte sich auf einen Baumstamm und sah die Prinzessin auffordernd an, was sie natürlich nicht sah, denn sie drehte ihm den Rücken zu. Doch sie spürte seinen Blick.
Schließlich stand sie auf und ging zu ihm herüber.
"Befiehl es und ich versenke dieses widerliche Miststück", raunte sie ihm voller Abscheu zu.
Aragorn schüttelte den Kopf.
"Er wird dem Feind verraten, wo wir sind."
"Er will den Ring für sich selbst, nicht für den Feind", widersprach er.
"Trotzdem", hielt Maerwyn dagegen und schaute zurück auf das Wasser. "Er ist ein Leuchtfeuer, dem die Orks folgen werden. Und wenn sie das tun, dann werden sie uns finden."
Der Waldläufer sah sie streng an.
"Und wenn du ihn erschießt oder sonst wie ermordest, wissen sie erst recht, wo wir sind, weil sie wissen werden, wo er den Tod fand und aus welcher Richtung."
Die Prinzessin verzichtete auf eine Antwort, seufzte jedoch ungehalten.
"Du solltest schlafen gehen", empfahl Aragorn.
"Ich brauche keinen Schlaf."
"Maerwyn..."
"Ich kann sowieso nicht schlafen", behauptete sie.
Sie begann, auf und ab zu laufen. Sie wollte nicht einmal daran denken, was passieren könnte, wenn Aragorn sie zu Bett schickte und sie tatsächlich einschlief.
Als habe er ihre Gedanken gelesen, erhob dieser seine Stimme erneut: "Wenn es darum geht, uns zu beschützen, musst du schlafen. Wie willst du uns beschützen, wenn du nicht einmal dich selbst beschützen kannst? Ich kenne dich, Maerwyn, du kannst nicht kämpfen, wenn du nicht genug geschlafen hast."
Er hatte recht, das wusste sie. Es gefiel ihr jedoch ganz und gar nicht.
"Na schön", gab sie schließlich nach.
Gerade als sie an Aragorn vorbeigehen wollte, hielt er sie zurück.
"Leg dich neben Legolas", wies er sie an.
Maerwyn blieb wie angewurzelt stehen.
"Wieso?"
"Weil ich das gesagt habe", antwortete Aragorn scharf.
Die Prinzessin grummelte vor sich hin.
"Du bist nicht wütend auf ihn, Maerwyn, und du hasst ihn auch nicht", erklärte der Waldläufer. "Das Gefühl, das du hast, ist ein ganz anderes. Du bist nur zu stolz und zu trotzig, um es zu sehen."
"Gute Nacht, Aragorn", war alles, was Maerwyn zu ihm sagte, ehe sie sich neben Legolas niederließ.
Sie hörte, wie Aragorn aufstand und sich zu Boromir gesellte, der mittlerweile ebenfalls aufgestanden war und hinter einem Felsen hervorschielte, um auf den Fluss zu schauen.
"Gollum", erklärte er dem Mann. "Er verfolgt uns seit Moria. Ich hatte gehofft, wir würden ihn auf dem Fluss verlieren, aber er ist zu geschickt im Wasser."
Er entfernte sich wieder.
"Und wenn er die Aufmerksamkeit des Feindes auf unseren Verbleib lenkt, wird das die Überfahrt noch gefährlicher machen", sprach Boromir etwa dieselben Bedenken aus, die Maerwyn auch hatte.
"Minas Tirith ist der sicherere Weg", das war kein Gedanke Maerwyns, "das weißt du. Dort können wir uns sammeln und gegen Mordor von einem Ort der Stärke aus schlagen."
Wie dumm sollten seine Vorschläge eigentlich noch werden? Sie waren doch nur zu zehnt losgezogen, um zu verhindern, dass Sauron etwas von ihrem Vorhaben ahnte. Ihn offen anzugreifen, mit Heerscharen an Soldaten, war wirklich das Dümmste, das sie jetzt tun konnten.
"Es gibt keine Stärke in Gondor, die uns helfen könnte", entgegnete Aragorn ruhig.
So weit hatte Maerwyn jetzt nicht gehen wollen. Die Menschen Gondors waren gute Kämpfer. Doch würde Denethor sie wirklich gegen Mordor ziehen lassen? Mit dem Ring? Niemals. Boromir hätte das auch wissen müssen, doch sein eigener Stolz stand ihm im Wege.
"Du hast den Elben so schnell vertraut."
Boromir war eingeschnappt und enttäuscht - und war das ein Hauch von Verzweiflung?
Aragorn antwortete nicht.
"Hast du so wenig Vertrauen in dein eigenes Volk?"
Eindeutig Verständnislosigkeit.
Maerwyn hatte nicht bemerkt, dass sie angefangen hatte, die Gefühle der beiden Männer zu analysieren.
Sie schloss ihre Augen fester, in der Hoffnung, sie möge dadurch einschlafen.
"Ja, da gibt es Schwäche, da gibt es Zerbrechlichkeit, aber es ist auch Mut und Ehre in Menschen zu finden. Aber du willst das nicht sehen."
Zurück zur Verzweiflung, faszinierend.
Schlaf endlich, Maerwyn!
Aragorn drehte sich um, doch Boromir zog ihn zurück.
"Du hast Angst!", fuhr er ihn an.
Wie soll man denn friedlich schlafen, wenn ihr beide euch kabbelt wie kleine Kinder?
Maerwyn war genervt. Nicht nur von den beiden zankenden Männern, auch von ihrer Emotionsanalyse und davon, dass es ihr scheinbar unmöglich war, einzuschlafen.
"Dein ganzes Leben lang hast du in den Schatten gelebt. Du hast Angst vor wem du bist, vor dem, was du bist."
Boromir, lass es gut sein.
Der Meinung war Aragorn auch.
"Ich werde den Ring nicht näher als hundert Meilen vor deine Stadt führen", zischte er und damit war das Gespräch beendet.
Maerwyn schlief wenige Minuten später endlich ein.

Von Maerwyn und Lumiel (Der Herr der Ringe Fan-Fiction)Where stories live. Discover now