Kapitel 21

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Lumiel linste in einen Raum, bevor sie beschloss, dass die Luft rein war. Sie schloss die Tür hinter Legolas und durchquerte das Zimmer, um so weit wie möglich von ihm wegzukommen.
"Du hast es gewusst", warf sie ihm vor.
Ihre Miene zeigte keinerlei Regung und ihre Stimme war kalt.
"Du hast es gewusst und hast nichts gesagt."
Legolas sah betreten zu Boden.
"Weißt du, ich verstehe, dass Théoden nichts gesagt hat, aus Angst, ich käme nicht mehr heim oder ich würde glauben, er wolle mich nicht mehr oder, dass ich Fragen haben könnte, die er nicht beantworten konnte, aber du...", sie atmete einmal tief durch, um sich zu beruhigen. "Welchen Grund hättest du haben können, mir vorzuenthalten, wer ich bin."
"Ich-"
"Und erzähl mich bloß nicht, dass du es mir so oft sagen wolltest, dann aber so viel sich veränderte, dass du es mir nicht sagen wolltest, um mich nicht zu überfordern. Das durfte ich mir schon von Théoden anhören und ich glaube kein Wort davon."
Legolas nahm einen tiefen Atemzug, ehe er es wagte, sie anzusehen.
"Ich hatte weder das Recht noch die Veranlassung, es dir zu sagen. Es musste von deinem Vater kommen."
"Er ist nicht mein Vater!", fauchte Lumiel wütend. "Das ist doch das Problem! Er ist nicht mein Vater und er hat es mir nie gesagt! Und du hast es gewusst und hast auch nie ein Wort darüber verloren! Stattdessen musste ich es von Herrin Galadriel erfahren - einer Fremden! Lieber hätte ich es von meinem besten Freund gehört als von einer Fremden!"
Legolas sah wieder zu Boden und einen Moment lang blieb es still.
"Seit wann?", fragte Lumiel dann. "Seit wann hast du es gewusst?"
Legolas sah vorsichtig zu ihr auf. Schlimmer konnte er es jetzt nicht mehr machen, also konnte er ihr genauso gut die Wahrheit sagen: "Seit wir uns zum ersten Mal getroffen haben..."
Bevor sie explodieren konnte, erklärte er: "Ich habe Elfhild von Rohan einige Male getroffen. Ich sage es dir nur ungern, aber man muss schon viel Fantasie haben, um zwischen dir und ihr Ähnlichkeiten zu sehen. Aber die Ähnlichkeiten zwischen dir und Naira und dir und Thorin sind mir sofort aufgefallen."
"Willst du mich verarschen?", Lumiels Stimme war so schneidend, dass sie einen Berg in zwei teilen könnte, wenn sie es gewollt hätte. "Wir kennen uns seit fünf Jahren und nicht ein Mal hast du etwas gesagt?! Nicht einmal zu meiner Mutter?!"
"Ich war mir zu Anfang noch nicht sicher-"
"Ganz genau", unterbrach sie ihn, "Zu Anfang. Du kannst mir nicht erzählen, dass du dir, bis ich meine Mutter traf, nicht sicher warst, ob ich tatsächlich ihre Tochter bin."
"Ich wollte ihr keine falschen Hoffnungen machen, solltest du doch nicht die sein, für die ich dich hielt", verteidigte sich der Prinz.
"Wann warst du dir sicher?"
Stille.
Sie musste sie füllen, sonst kämen die Gedanken zurück.
"Legolas, ich frage dich nur noch ein einziges Mal: Wann warst du dir sicher?"
"...Als du mir von deinen Kräften erzähltest..."
"Du Mistkröte!"
Legolas wich dem Holzbecher gerade so aus.
"Das ist drei Jahre her!"
Dafür hatte er jetzt wirklich keine Entschuldigung.
"Weiß Mutter es?"
Die Frage überraschte ihn.
"Weiß Mutter, dass du - ihr langjähriger Freund und Vertrauter - seit drei Jahren sicher weißt, dass ich ihre verschollene Tochter Lumiel bin?"
Keine Antwort ist auch eine Antwort.
Lumiel lachte freudlos.
"Wieso?"
Legolas antwortete nicht.
Nein, keine Stille!
"Legolas, ich habe dich gefragt, wieso!"
"Ich weiß es nicht!"
Lumiel blieb still und ließ ihn ausreden - ausnahmsweise.
"Ich weiß nicht, warum ich es ihr nicht gesagt habe. Oder dir, wo wir schon dabei sind. Vielleicht hatte ich Angst, ihr würdet mir nicht glauben. Naira hätte geglaubt, ich wolle ihr Hoffnung machen, nur um sie dann zu enttäuschen. Und ohne Beweise hättest du mir sowieso nicht geglaubt. Ich hatte Angst, Lumiel. Ich wollte euch nicht verlieren."
Lumiel atmete tief ein und dann wieder aus.
"Weißt du", sagte sie, die Augen fest auf den Boden geheftet, "ich habe auch Herrin Galadriel am Anfang nicht geglaubt. Ich hielt es für absolut unmöglich. Doch der Gedanke ging mir immer wieder durch den Kopf und je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr Sinn ergab es. Und dann habe ich Théoden gefragt, der zwar nur bestätigen konnte, dass ich nicht wirklich seine Tochter war, aber wenn das wahr war, wieso sollte der Rest die Unwahrheit sein?"
Sie stockte.
"Und jetzt..."
Sie sah auf, in ihren Augen schimmerten Tränen. Es brach Legolas fast das Herz.
"...Jetzt stehst du hier und sagst mir, dass du es seit Jahren gewusst hast..."
Legolas öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch es kamen keine Worte heraus.
"Weißt du, ich hätte das von jedem anderen erwartet, aber nicht von dir. Von Anfang an hast du mir ausnahmslos gesagt, wenn ich irgendwo falsch lag, wenn ich einen Fehler gemacht habe, wenn ich mich danebenbenommen habe - nicht unbedingt, wenn es dir gegenüber war - aber du hast mir immer gesagt, wenn ich zu weit ging. Du warst immer ehrlich, auch dann, wenn ich es nicht wollte. Doch das eine Mal, das eine verdammte Mal, wenn ich deine Ehrlichkeit gewollt hätte, da hältst du die Klappe und sagst nichts..."
Jetzt weinte sie wirklich.
"Du wusstest, dass ich mich mein Leben lang nirgendwo wirklich zugehörig gefühlt habe! Du wusstest, dass ich nichts mehr wollte als eine Mutter! Und trotzdem hast du nichts gesagt!"
Ein weiteres Mal atmete sie tief durch.
"Du hast mich nie ins Waldlandreich mitgenommen. Du hast immer gesagt, du würdest es mir zeigen, wenn es weniger gefährlich sei. Und wie eine Närrin habe ich dir geglaubt. Jetzt ergibt es alles einen Sinn: Du hattest Angst, dein Vater könne mich erkennen und mir die Wahrheit sagen-"
"Das ist nicht wahr!"
"Erzähl mir nicht, dass es nicht wahr ist! Welchen anderen Grund hättest du haben können?!"
Stille.
Sie musste hier raus, bevor sie noch länger wurde. Sie musste sich beschäftigen und wenn das bedeutete, den Männern zu helfen, sich auf die Schlacht vorzubereiten.
"Wusste ich es doch..."
Lumiel ging an Legolas vorbei zur Tür. Er versuchte nicht, sie aufzuhalten.
Sie hielt inne, als wolle sie noch etwas sagen, doch dann sie schüttelte nur den Kopf und ging, ließ ihn allein mit quälenden Gewissensbissen.

Von Maerwyn und Lumiel (Der Herr der Ringe Fan-Fiction)Where stories live. Discover now