Kapitel 16

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"Eine Etappe eurer Reise ist vorüber, eine weitere beginnt", sprach Gandalf, während sie zum Ausgang des Fangorn-Waldes wanderten.
Über seiner weißen Robe trug er nun einen grauen Mantel.
"Wir müssen schnellstens nach Edoras reisen."
"Edoras?", wiederholte Gimli ungläubig. "Das ist keine kurze Distanz."
"Wir hörten von Schwierigkeiten in Rohan", meinte Aragorn. "Es steht schlecht um den König."
Maerwyn senkte den Blick. Hätte sie vielleicht, anstatt weiter nach Merry und Pippin zu suchen, sich aufmachen sollen, um ihren Vater zu sehen?
Legolas griff nach ihrer Hand.
Nein, widersprach sie sich. Er hätte dich nicht erkannt. Wahrscheinlich hätte es nur noch mehr Probleme gegeben, weil Saruman auch seine Finger im Spiel hat.
"Er wird nicht leicht zu kurieren sein", erklärte Gandalf. "Maerwyn, ich werde deine Hilfe brauchen."
"Natürlich", antwortete diese.
"Dann sind wir diesen ganzen Weg umsonst gelaufen?", fragte Gimli. "Lassen wir diese armen Hobbits hier in diesem furchtbaren, dunklen, dumpfigen, baumverseuchten-"
Er brach ab, als er abermals das drohende Grollen der Bäume vernahm.
Sofort änderte er seinen Ton: "Ich meine bezaubernden, sehr bezaubernden...Wald."
Maerwyn kicherte.
"Es war mehr als purer Zufall, der Merry und Pippin nach Fangorn brachte", behauptete Gandalf. "Eine große Macht hat hier viele lange Jahre geschlafen."
Legolas sah sich um.
"Das Kommen von Merry und Pippin wird wie das Fallen kleiner Steine sein, das in dem Gebirge eine Lawine auslöst."
"In einem Punkt hast du dich nicht verändert, alter Freund", meinte Aragorn schmunzelnd.
Gandalf sah ihn an und er fügte hinzu: "Du sprichst immer noch in Rätseln."
Die beiden Männer lachten.
"Eine Sache ist dabei zu geschehen, was seit den Alten Tagen nicht geschehen ist", erklärte der Zauberer. "Die Ents werden erwachen. Und bemerken, dass sie stark sind."
"Stark?", wiederholte Gimli. "Oh, das ist gut."
"Also hört mit dem Piesacken auf, Meister Zwerg", ermahnte Gandalf scharf. "Merry und Pippin sind in Sicherheit. Tatsächlich sind sie sehr viel sicherer als du es bald sein wirst."
"Dieser neue Gandalf ist viel mürrischer als der alte", grummelte Gimli.
Maerwyn schnaubte belustigt.

Sie traten aus dem Dickicht der Bäume hinaus.
Hasufel und Arod, die Pferde, die Éomer ihnen gegeben hatte, standen noch genau dort, wo sie sie zurückgelassen hatten.
Gandalf stieß einen melodischen Pfiff aus. Dann ertönte ein Wiehern und zwei Pferde kamen über die Ebene auf sie zu galoppiert: Ein Schimmel und ein Rappe, der den Pferden der schwarzen Reitern ungemein ähnelte.
"Das sind Mearas", erkannte Legolas. "Es sei denn, meine Augen werden durch einen Zauber getäuscht."
Der Schimmel blieb vor Gandalf stehen, während der Rappe zu Maerwyn kam. Er war gesattelt und gezäumt wie die Pferde der rohirrischen Königsfamilie.
"Schattenfell", stellte der Zauberer den Schimmel vor. "Er ist der Fürst alle Rösser."
Er, wie auch Legolas, Gimli, Aragorn und Maerwyn neigten respektvoll den Kopf.
"Und er war mein Freund in vielen Gefahren", fügte er hinzu.
"Dies", er deutete auf den Rappen, "ist Donnerhuf. Er entschied sich vor einigen Jahren dazu, in den Dienst der Prinzessin Rohans zu treten, sollte sie ihn brauchen. Seine Vorfahren wurden von Orks aus diesen Landen gestohlen. Aus ihnen züchtete man die Schwarzen Pferde der Nazgûl."
Maerwyn lächelte und neigte dankbar ihren Kopf.
Dann kletterten sie auf ihre Pferde und ritten nach Edoras.
Maerwyn liebte das Gefühl, endlich wieder im Sattel zu sitzen und die Zügel in den Händen zu halten. Donnerhufs Galopp war schwungvoll und schnell, er gab ihr ein Gefühl der Freiheit, das sie lange nicht mehr gekannt hatte. Sie fühlte sich in die Zeit zurückversetzt, als sie mit Théodred lange Ritte über die Ebenen Rohans unternommen hatte. Nachdem sie nach Bruchtal gegangen war und dort den Großteil des Jahres verbracht hatte, hatten sie bei jedem ihrer Besuche in Rohan mindestens einen solcher Ritte unternommen. Könnte sie diese Zeiten zurückholen, dann täte sie es.

Am Abend rasteten sie.
Nach dem Essen legte Maerwyn sich sofort zum Schlafen hin. Sie wollte nicht riskieren, dass sie von Gedanken heimgesucht wurde, die ihr jede Hoffnung auf Schlaf nehmen würden.
Das Wissen, dass Gandalf, Merry und Pippin am Leben und - im Falle der Letzteren - in Sicherheit waren, hatte ihr eine große Last von den Schultern genommen. Doch noch immer spukte ihr im Kopf herum, dass sie nicht in dieser Situation wären, wenn sie härter gekämpft hätte, wenn sie nicht zu Boromir gerannt wäre, um ihn zu retten, nur um von ihm abgewiesen zu werden. Wenn sie sofort die Verfolgung aufgenommen hätte, dann wären sie jetzt nicht hier. Und dann war da auch noch ihr Vater...
Jetzt dachte sie doch über genau das nach, worüber sie nicht hatte nachdenken wollen.
"Ich weiß, woran du denkst."
Legolas ließ sich neben ihr nieder.
"Das bezweifle ich", entgegnete sie.
"Maerwyn, ich kenne dich. Das hier bist nicht du. Seit wann hinterfragst du jede einzelne deiner Entscheidungen?"
Maerwyn zuckte mit den Schultern.
"Ich möchte bitte einfach nur schlafen. Könntest du mich allein lassen, bevor ich etwas sage, das ich bereuen werde?"
Sie versuchte wirklich, ihm gegenüber nicht mehr so gemein zu sein.
Legolas wurde nicht schlau aus ihr.
"Ich werde aufhören zu reden, aber erwarte nicht von mir, dass ich von deiner Seite weiche."
Sie sah ihn an. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass dieser Satz mehr bedeutete als nur, dass er sich heute Nacht keinen anderen Schlafplatz suchen würde.
"Tu, was du nicht lassen kannst", sagte sie, bevor sie sich umdrehte und die Augen schloss.

Von Maerwyn und Lumiel (Der Herr der Ringe Fan-Fiction)Where stories live. Discover now