Kapitel 26

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Lumiel öffnete die Augen und sah...gar nichts. Es war schwarz. Über ihr war es schwarz, links und rechts von ihr war es schwarz.
Sie stand auf. Der Boden war hart, aber auch er war schwarz. Sie blickte sich um. Vor ihr war es schwarz, hinter ihr war es schwarz. Sie drehte sich einmal um sich selbst. Immer noch schwarz, also wirklich schwarz. Als schaue sie auf ein schwarzes Gemälde, nur war dieses Gemälde unter ihr, über ihr, vor ihr, hinter ihr, links neben ihr und rechts neben ihr. Es war überall. Überall schwarz.
"H-hallo?!", rief sie zögernd.
Wieso war ihre Stimme so laut? Oder war es die Stille, die auf ihren Ruf folgte, die laut war?
"Legolas?!"
Kaum hatte sie den Namen ausgesprochen, hätte sie sich treten können. Wieso hatte sie zuerst nach Legolas gerufen? Das dürfte sie ihm niemals erzählen, das würde nur sein Ego füttern und seinen Heldenkomplex noch größer werden lassen.
"Aragorn?!"
Schon besser. Er war ihr bester Freund. Äußerst legitim, ihn als einer der Ersten zu rufen.
"Gandalf?!"
Jap, ein Zauberer wäre jetzt nicht schlecht.
"Gimli?!"
Ein Zwerg in der Dunkelheit wäre auch nicht schlecht. In den Minen war es im Allgemeinen dunkel. Andererseits war es um sie nicht wirklich dunkel, es war nur schwarz.
Apropos schwarz. Sie schaute an sich herunter.
Sie selbst konnte sie gut erkennen. Sie trug ein einfaches, dunkelgrünes Kleid mit eng anliegenden Ärmeln, darüber ein schwarzes Oberkleid, dessen schwarze Trompetenärmel über den Ellbogen festgebunden waren. 
Sie fasste nach ihren Haaren. Sie waren zu einem festen Zopf geflochten, der an ihrem Hinterkopf festgesteckt worden war.
Sie überlegte. Auch, wenn sie sich nicht sehen konnte, das Bild, das in ihrem Kopf von ihr entstand, hatte sie schon einmal irgendwo gesehen.
"Vater?!"
Rief sie nach Théoden, ihrem Ziehvater, oder Thorin, ihrem leiblichen Vater? Egal, wer es war, sie wollte, dass einer von beiden kam und sie hier rausholte.
"Mutter?!"
Man kann es ja mal versuchen...
Sie machte einige Schritte nach vorne. Keine Veränderungen in ihrer Umgebung. Auch, als sie in alle anderen Richtungen ging, veränderte sich nichts: Um sie herum blieb es schwarz und ihre Kleidung und Frisur blieben dieselben.
Sie spürte, wie sich ihre Atmung beschleunigte. 
Das konnte doch nicht sein, dass sie hier vollkommen allein war und, dass niemand kam, um sie zu retten!
Moment, was dachte sie da? Sie war eine Prinzessin, eine Kämpferin! War das nicht das, worauf sie immer wieder bestand? Hatte sie nicht jedem Mann in ihrem Leben mindestens ein Mal gesagt, sie brauche keinen Beschützer?! Sie brauchte niemanden, um sie zu retten! Sie konnte sich selbst retten! Nur wie?
Waffe. Sie brauchte eine Waffe.
Sie griff an ihre Hüfte, wo normalerweise ihre Dolche an einem Gürtel hingen.
Nichts.
Gut, nicht in Panik geraten. Sie hatte ja noch zwei Schwert auf ihrem Rücken.
Fehlanzeige.
Etwas beunruhigend, aber es gab noch die Armschienen Nairas mit den kleinen Messern.
Oder auch nicht.
Nicht gut, gar nicht gut. Oh, die Dolche an ihren Oberschenkeln!
Auch nicht da.
Ruhig atmen, eine letzte Möglichkeit gab es noch. Die Dolche in ihren Stiefeln.
Ja...nein.
Jetzt war Panik angebracht.
Lumiel vergrub ihre Finger in ihren Haaren und drehte sich um sich selbst, während sie schwer atmete.
"Nein nein nein nein nein nein nein, das darf nicht wahr sein, das darf nicht passieren..."
Sie zwang sich, ruhig zu atmen, zumindest versuchte sie es.
"In Ordnung, atme...atme...atme...atme...alles ist gut...alles ist gut...du bist ganz allein in einem schwarzen Nichts und-", sie unterbrach sich. "Nein, nein, nein, dir geht es gut, atme...atme...atme...du bist unverletzt und ohne Waffen, in einem Kleid, das du noch nie zuvor gesehen hast, weder in deinem Schrank noch an einer deiner weiblichen Freunde-"
"Nein, nein, atme...atme...atme...atme...dir geht es gut...dir geht es gut...keine Verletzungen...dir geht es gut...das ist definitiv nicht das Kleid, in dem ich mich schlafen gelegt habe...jemand hat mir die Waffen abgenommen, mich in ein Kleid gesteckt, das mir nicht gehört und mir eine andere Frisur gemacht-"
"Nein...nein...nein...atme...atme...atme...atme. Dir geht es gut...dir geht es gut...du bist unverletzt-", sie unterbrach sich wieder, als ihr ein furchtbarer Gedanke in den Kopf kam: "Jemand hat mich in Unterwäsche gesehen!"
"Oh Himmel...Oh Valar...Oh Vorfahren...Oh Götter...Oh Valar...Oh Himmel...das darf nicht wahr sein...Oh Himmel...Oh Valar...Oh Götter...Oh Vorfahren...Oh Valar...Oh-"
"Maerwyn..."
Lumiel fuhr herum. Ihre Augen weiteten sich. Vor ihr stand, vollkommen gesund und unversehrt, freundlich lächelnd, so wie sie ihn kannte-
"Théodred..."
Und dann folg sie ihrem Bruder um den Hals und er fing sie und drückte sie an sich, so wie er es immer getan hatte.
Doch dann löste sie sich abrupt von ihm.
"Du bist tot", stellte sie fest. "Du bist tot und...du bist tot. Du kannst nicht hier sein, du bist tot."
Théodred nickte langsam.
"So ist es wohl", bestätigte er sanft.
Lumiel fror ein.
"Heißt das, ich bin auch tot?"
Der Prinz wiegte den Kopf hin und her.
"Ja und nein", meinte er dann. "Nicht wirklich..."
"Was soll das heißen? Und seit wann gibst du so undeutliche Antworten?"
Théodred schien einen Moment zu erstarren, doch er fing sich schnell wieder.
"Das kommt darauf an, wie du dich entscheidest", erklärte er. "Ob du hierbleibst oder zurück gehst."
Lumiel schnaubte.
"Natürlich gehe ich wieder zurück. Hast du geglaubt, ich bleibe hier? In diesem dunklen, einsamen, schwarzen Dings?"
"Es muss nicht dunkel, einsam und schwarz sein", entgegnete er. "Wenn du es lässt."
"Schon wieder mit diesen nichtssagenden Antworten, die keine Antworten sind", beschwerte sich die Prinzessin. "Nicht hilfreich, liebster Bruder, überhaupt nicht hilfreich. Der Tod hat dich verändert, ganz eindeutig. Das Leben stand dir besser."
Wieder einmal erstarrte er und dieses Mal bemerkte Lumiel es.
"Geht es dir gut?", fragte sie und drückte eine Hand gegen seine Stirn. "Fieber hast du nicht, aber du siehst ganz blass aus."
Théodred schlug ihre Hand weg. Sein Gesicht verzog sich vor Wut und Abscheu.
"Lass das!", zischte er. "Es geht mir gut."
Lumiel wich zurück.
"Entschuldige."
Théodred machte einen Schritt auf sie zu, die Wut war aus seinem Gesicht verschwunden, doch in seinen Augen sah Lumiel noch immer etwas, das ihr nicht gefiel.
"Mir geht es gut. Ich mag es nur nicht, wenn du dich meinetwegen sorgst."
"Das ist meine Aufgabe", gab sie zurück, während sie ihn unauffällig von oben bis unten musterte. "Ich bin deine Schwester... Wir sind Geschwister... Es ist unsere Aufgabe, uns um einander Sorgen zu machen..."
Für den Bruchteil einer Sekunde verzog sich sein Gesicht wieder, doch es war so schnell verschwunden, wie es gekommen war. Trotzdem hatte Lumiel es gesehen.
Zu viele Dinge passten nicht zusammen und sie konnte sich nicht erklären wieso.
Äußerlich war er wie sonst auch, als er noch lebte, doch innerlich schien sich etwas verändert zu haben.
Vergiss die Unauffälligkeit!
Wenn Théodred wirklich Théodred war, würde er wissen, wie er zu reagieren hatte, wenn sie mit der Tür ins Haus fiel. Sie hatte ihn vor seinem Tod eine lange Zeit nicht gesehen, doch sie weigerte sich zu glauben, dass er seine Art, mit ihr umzugehen, geändert hatte.
Sie machte eine Runde um ihn herum und begutachtete ihn dabei ganz genau. Er blieb ruhig stehen und wandte nur seinen Kopf, um ihr zuzusehen.
Dann führte sie ihr eigenes Gesicht ganz nah an das seine heran. Fast berührten sich ihre Nasen. Eine große Veränderung fiel ihr plötzlich auf: Théodred hatte ihre Größe.
"Irgendwas stimmt nicht mit dir", befand sie. "Du bist komisch."
"Und nervös", fügte sie hinzu, als er wieder erstarrte.
"Ich bin wie immer", widersprach er.
Ein Fehler.
Lumiel machte mehrere Schritte von ihm weg.
"Lass mich aufzählen, was mich zu meiner Schlussfolgerung bringt, die ich am Ende aufzeigen werde", verkündete sie.
Théodred schien nervös.
"Erstens, du gibst keine klaren Antworten."
"Zweitens, jedes Mal, wenn ich auf etwas hinweise, das sich an dir verändert hat, erstarrst du, anstatt mir zu erklären, warum du dich verändert hast."
Mit jedem Satz entfernte sie sich einen weiteren Schritt.
"Drittens, du hast meine Hand weggeschlagen, als ich kontrollieren wollte, ob du Fieber hast, obwohl du es sonst immer einfach ertragen hast."
"Viertens, du hast mich angeschrien. Egal, wie dumm meine Aktionen waren, du hast nie deine Stimme erhoben, weil du wusstest, dass ich zurück schreie und Vater uns Zimmerarrest gegeben hätte, wenn wir gestritten hätten."
Ihr Gegenüber schwitzte.
"Lumiel-", versuchte er sie von ihrem Kriegspfad abzubringen, doch sie unterbrach ihn.
"Fünftens, als ich sagte, wir seien Geschwister, hast du mich mit Hass und Abscheu angesehen. Nicht ein Mal habe ich dir einen Grund dafür gegeben. Entweder weißt du etwas, das ich nicht weiß oder...das sage ich dir gleich."
Sie blieb stehen.
"Sechstens", fuhr sie fort, "du bist nervöser als an dem Tag, an dem wir Vater baten, deine Verlobung aufzulösen und ihm den Grund für diese Bitte nannten."
Sie atmete tief durch.
"Siebtens, du sagst nie, du seist wie immer, wenn ich sage, dass du dich komisch verhältst. Du fragst immer, wieso ich so denke."
Ihr Blick verdunkelte sich.
"Achtens, du warst immer eineinhalb Köpfe größer als ich."
Aus ihren Augen sprühten Misstrauen, Wut und Enttäuschung.
"Und neuntens", listete sie ihren letzten Grund auf, "kannst du nicht gewusst haben, dass mein Name nicht Maerwyn, sondern Lumiel ist."
Die Augen des Mannes weiteten sich.
Lumiel kam wieder auf ihn zu.
"Neun Fehler", fasste sie ruhig zusammen, obwohl sie sich alles andere als ruhig fühlte. 
Sie wollte schreien, ihn schlagen, kämpfen, fluchen, doch sie hielt sich zurück.
"Du hast neun Fehler gemacht und mich so davon überzeugt, dass du nicht mein Bruder bist. Ich frage dich also ein Mal, nur ein einziges Mal und wenn du mir nicht die Wahrheit sagst, dann verspreche ich dir, dass du es bereuen wirst: Wer bist du?"
Vor ihren Augen verschwand Théodred, löste sich Puff! in Luft auf.
Lumiel sah sich um, doch bevor sie einen klaren Gedanken - à la Was zum Teufel?! - fassen konnte, ertönte ein Lachen. Ein fruchtbares, grausames Lachen, das ihr einen Schauer den Rücken hinunter jagte.
"Ha ha, sehr witzig", meinte sie trocken, um ihre aufsteigende Angst zu überspielen. "Wer bist du, wo bist du und vor allem was willst du?"
Das Lachen wurde lauter. Es kam von überall um sie herum.
"Bist du langsam fertig?"
Lumiel betrachtete ihre Fingernägel.
"Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit."
"Ohhh", machte eine tiefe, zischende Stimme. "Aber das hast du. Weißt du, Zeit ist hier unwichtig."
"Sieh an, es spricht", erfrechte sich die Prinzessin. "Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Wenn du jetzt also so freundlich wärst, mir deinen Namen zu verraten, damit ich weiß, wen ich für meine missliche Lage verantwortlich zu machen habe, wäre ich dir sehr verbunden."
"Was wirklich? So einfach? Na, wenn es sonst nichts ist...", die Stimme machte eine dramatische Pause, die Lumiel nutzte, um sie über Redewendungen aufzuklären.
"Ich bin dir also nicht wirklich verbunden", schloss sie.
Die Stimme - oder ihr Besitzer - schien zu schmollen, denn einen Moment lang sagte sie gar nichts.
"Weißt du", fuhr Lumiel fort. "Wenn du mir Angst machen willst, dann solltest du nicht schmollen, sondern mir deinen Namen verraten, was du von mir willst und mir ein wenig drohen, sonst bist du nämlich überhaupt nicht furchteinflößend und ich werde nur genervt. Außerdem könntest du dich gut und gerne mal zeigen, denn ich habe mit dir noch ein Hühnchen zu rupfen was das sich-als-mein-Bruder-ausgeben angeht."
Wieder lachte die Stimme.
"Du willst einen Namen?"
"In der Tat, das habe ich schon zwei Mal gesagt."
"Unterbrich mich nicht!", donnerte es von überall um sie herum.
Lumiel sah sich scheinbar unbeeindruckt um. 
Sie hatte keinen Fluchtweg, keine Möglichkeit dem Wesen, zu dem die Stimme gehörte, zu entkommen, wenn es überall um sie herum war. Und Waffen hatte sie auch nicht.
"Nenne mich", es folgte eine Kunstpause, "Annatar."
Lumiel unterdrückte ihr Schaudern und tarnte ihr Unbehagen aufgrund des Namens mit einem sarkastischen Kommentar: "Annatar? Wirklich? Herr der Geschenke? Der Name, den die Elben Sauron gaben, als sie ihm noch vertrauten?"
Stille, dann ein beleidigtes Grummeln: "Ich hätte nicht gedacht, dass du dich so gut auskennst."
"Tja, na ja, was will man machen, wenn man Geschichtsunterricht von Elben bekommt?"
Lumiel wurde wieder sicherer, doch das ungute Gefühl blieb.
Niemand, der um die Geschichte Mittelerdes wusste - was der Besitzer dieser Stimme offensichtlich tat - würde sich freiwillig einen Namen geben, mit dem die größte Katastrophe, seit Morgoth, tituliert worden war. Zudem gab es keinen ersichtlichen Grund, warum sich diese Persönlichkeit Herr der Geschenke nennen sollte. Gäbe es einen solchen - der nicht Sauron war - dann hätte sie von ihm gehört. Damit gab es nur noch zwei Möglichkeiten: Erstens, diese Person war ziemlich dumm, nicht zu vergessen größenwahnsinnig oder, zweitens, sie war tatsächlich Sauron, was nicht viel besser war.
Mit Größenwahnsinnigen konnte sie umgehen, mit Sauron hingegen...
"Genug!", zischte die Stimme. "Lumiel Schattentochter, endlich lernen wir einander kennen."
"Danke, ich weiß, was mein Name bedeutet", konterte die Prinzessin. "So viel Sindarin kann ich auch noch. Und was das Kennenlernen angeht... Nun, es ist schwer, jemanden kennenzulernen, wenn man nur die Stimme hört. Offensichtlich siehst du mich, denn an meiner Stimme kannst du mich nicht erkannt haben. Nun würde ich dich doch auch ganz gern mal sehen. Ich wüsste gern, ob du genauso gutaussehend bist, wie deine Stimme verrät."
Eine größenwahnsinnige Person wäre darauf hereingefallen und hätte sich gezeigt. Sie hätte sich geschmeichelt gefühlt, dass Lumiel sie sehen wollte, doch auch nach mehreren Minuten des Wartens regte sich nichts und so musste sie feststellen, dass sie sich gerade tatsächlich mit Sauron höchstpersönlich einen Schlagabtausch geliefert hatte. Ungünstig. Vor allem für ihre Sicherheit.
Doch sie konnte nicht zulassen, dass ihr Feind glaubte, er habe nun die Oberhand, also setzte sie nach: "Wolltest du etwas von mir oder sollte das nur ein nettes Pläuschchen werden? Nenn mich misstrauisch, aber niemand versucht eine andere Person mit ihrem toten Bruder zu ködern, einfach weil sie es kann."
Die Stimme kicherte boshaft.
"Ich wusste, dass du schlau bist. Es war schlau, dich auszusuchen statt einer deine Verwandten... Zugegeben, deine Mutter wäre nützlicher gewesen, doch sie hat ihre Seite gewählt, wie auch deine Geschwister, für die ich ohnehin keine Verwendung gehabt hätte-"
"Hör auf dich selbst zu loben und komm zum Punkt. Was. Willst. Du. Von. Mir."
"Immer mit der Ruhe", entgegnete die Stimme. "Ich werde dir schon sagen, was ich will."
Lumiel verdrehte die Augen.
"Ich habe keine Zeit für elendlange Geschichten. Ich will hier raus und zurück zu meinen Freunden. Also sag mir, was du willst, damit ich von hier verschwinden kann."
Boshaftes Lachen war die Antwort.
"Ohne meine Erlaubnis kommst du hier nicht weg."
Na, das wollen wir doch mal sehen.
In Lumiel war der Kampfgeist erwacht. Und er war wütend.
"Aber ich will mal nicht so sein. Wir werden noch viele Gelegenheiten haben, uns zu unterhalten, wenn du mir gibst, was ich will."
"Du meinst, falls ich dir gebe, was du willst", widersprach sie.
"Oh, ich habe vollstes Vertrauen in dich. Du wirst schon tun, was ich von dir möchte."
Lumiel seufzte genervt.
"Das werden wir nicht erfahren, wenn du mir nicht sagst, was du willst."
"Ich will", begann die Stimme, "dass du dich auf die Seite schlägst, die gewinnen wird."
"Danke, da bin ich schon."
"Bist du nicht."
"Bin ich doch."
"Bist du nicht."
"Bin ich doch."
"Bist du nicht."
"Bin ich doch."
So ging das eine Weile hin und her bis-
"Bin ich nicht", legte Lumiel die Stimme herein.
"Bist du doch", fiel sie ihrem Trick zum Opfer.
Lumiel triumphierte. Die Stimme war genervt.
"Genug!", fauchte sie, doch Lumiel hatte keine Angst mehr.
Wenn die Stimme irgendeine Macht in dieser Nichts-Welt hätte, hätte sie sie schon benutzt.
"Ich will, dass du auf meine Seite kommst!"
Aha, also hatte sie tatsächlich mit Sauron gesprochen. Aber bevor Lumiel sich wirklich sicher sein konnte, musste sie noch einen Test machen.
"Und warum?", fragte sie. "Was könnte ich zu deiner Sache beitragen?"
"Ist das nicht offensichtlich?", die Stimme klang gelangweilt und genervt. "Du hast heilende Kräfte."
Lumiel widersprach: "Auch Elben können heilen. Vielleicht nicht so effektiv wie ich, aber sie können es. Außerdem...", sie machte eine Pause. "Wenn du wirklich Annatar bist, dann sind dir deine Truppen herzlich egal."
Sie hatte absichtlich den Namen benutzt, den er ihr genannt hatte. So konnte er sich nicht gegen die Ansprache wehren.
"Es muss also noch einen Grund geben, warum du mich willst. Du sagtest, du wolltest meine Mutter, doch sie hat ihre Seite gewählt. Was haben meine Mutter und ich, das Elben nicht haben."
"Ihr seid Drachen!", keifte die Stimme. "Von Alters her haben die Drachen erst auf der Seite meines Meisters und dann auf der meinen gestanden! Mit dir können wir das große Geschlecht der Drachen wieder aufleben lassen!"
Jap, eindeutig Sauron.
"Ich verzichte immer noch", erklärte Lumiel entschieden.
"Aber willst du keine Rache?!"
"Wofür?"
Sauron schien aus dem Konzept gebracht: "Wie meinst du das, wofür?"
"Wofür eben?", wiederholte Lumiel schulterzuckend. "Natürlich will ich Rache. Rache für meine Entführung, Rache für Boromir, Rache für die Entführung Merrys und Pippins, Rache für den Tod meines Bruders, Rache für die Toten in Helms Klamm. Glaub mir, es gibt eine Menge Dinge, für die ich Rache will, aber die kann ich nur von der Seite Mittelerdes aus nehmen. Für all diese Dinge sind Sauron und Saruman verantwortlich und dummerweise kannst du mir keinen von beiden geben, habe ich recht?"
Stille, dann-
"Doch, doch das kann ich."
"Ach wirklich?", Lumiel tat überrascht. "Welche faszinierende Wendung, erzähl mir mehr... Saruman ist tot, Sauron ein flammendes Auge auf einem Turm, das nur zerstört werden kann, wenn sein kleines Schmuckstückt zerstört wird. Also sag mir, Annatar, Herr der Geschenke, wie willst du, eine Stimme im Nichts, dafür sorgen, dass ich sie töten kann?"
Stille.
Lumiel verdrehte die Augen.
"Weißt du was, ich habe genug. Lass mich sofort hier raus, wo auch immer hier ist. Ich habe besseres zu tun, als mich mit einem Mistkerl wie dir darüber zu streiten, ob ich auf der richtigen Seite stehe und auf welcher Seite ich Rache nehmen kann und auf welcher nicht."
Sauron lachte erneut.
"Ich habe doch gesagt, dass du ohne meine Erlaubnis hier nicht wegkommst."
"Ich hoffe du weißt, wie scheißegal mir das ist."
"Wie sprichst du mit mir?!"
"So wie ich es für richtig halte."
Sauron brauste auf: "Ich habe zu viel Zeit und Ressourcen investiert, um dich in meine Gewalt zu bekommen! Ich habe sogar deinen Geist durchforstet, um herauszufinden, in welcher Gestalt du am aufnahmefähigsten wärst und wem du am ehesten vertrauen würdest! Glaube mir, Lumiel Schattentochter, das war kein Spaziergang."
"Ach nein, wirklich?"
Lumiel war nicht beeindruckt.
"Und trotzdem habe ich deine traurige Entschuldigung für ein Bild meines Bruders nach wenigen Minuten, in denen du dir neun Fehler geleistet hast, entlarvt. Wenn du schon den Geist einer Person durchsuchen musst, dann tu es wenigstens gründlich!"
"Was hätte ich denn tun sollen!", keifte Sauron. "Du warst schon am Aufwachen, als ich zu deinem Bruder kam! Alles vorher waren widerwertige Gefühle der Liebe und der Freundschaft, vor allem für den Elbenprinzen! Wenigstens habe ich das Kleid und die Frisur gefunden!"
Warte...was?!
Sauron schimpfte weiter, doch alles, was Lumiel denken konnte, war: Sauron hat mich in Unterwäsche gesehen!

Von Maerwyn und Lumiel (Der Herr der Ringe Fan-Fiction)Where stories live. Discover now