Kapitel 17

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KRACH!
Ein dumpfer Aufprall war zu hören, als der hölzerne Teller auf die ebenfalls hölzerne Wand traf.
SCHEPPER! folgte ihm ein Kelch.
BOING! machte auch das Notizbuch auf dem Schreibtisch Bekanntschaft mit der Raumbegrenzungseinheit.
Maerwyn lief in ihrem Zimmer auf und ab und machte ihrer Wut, ihrer Trauer und ihrer Verzweiflung Luft, indem sie alles, was nicht niet- und nagelfest war, durch die Gegend warf. Entsprechend sah der Raum aus. Unter anderen Umständen hätte sie Mitleid mit den Mägden gehabt, die dieses Chaos später würden aufräumen müssen - wahrscheinlich würde sie es, ihres schlechten Gewissens wegen sogar selbst tun - aber heute nicht.
FUMP! blieb die Schreibfeder im Kissen stecken, zugegeben, sie war nicht besonders weit oder besonders gut geflogen.
Das ist alles deine Schuld!
KLIRR! landete das Tintenfässchen auf dem Boden und hinterließ, neben Scherben, einen großen Fleck.
Wenn du nicht darauf bestanden hättest, durch Mittelerde zu ziehen, wäre Théodred noch am Leben!
KRACKS! flog ein kleiner Hocker gegen den Schrank und zerbrach.
Du hattest versprochen, immer für ihn da zu sein und als er dich brauchte, warst du es nicht!
Sie schnappte sich das Kissen und donnerte es mehrmals gegen die Wand.
Wärst du nicht Merry und Pippin suchen gegangen und wärst sofort nach Edoras gekommen, hättest du ihn retten können!
RATSCH! blieb das Kissen an einem Nagel hängen.
Du bist die furchtbarste Schwester aller Zeiten!
RITSCH! zerriss das Kissen und Federn flogen überall hin.
ES IST ALLES DEINE SCHULD!
RUMMS! trat sie gegen den Schreibtisch.
Quietsch, öffnete sich die Tür.
TACK! blieb ein Messer wenige Zentimeter neben Legolas' Gesicht im Türrahmen stecken.
Maerwyn atmete schwer.
"Was willst du?", fragte sie unwirsch.
Der Elb musterte die Unordnung um sie herum. Von der anderen Seite der Tür hatte er sich den Zustand des Zimmers schlimmer vorgestellt.
"Ich habe mir Sorgen gemacht", antwortete er ruhig. "Geht es dir gut?"
Für die Frage hätte er sich im selben Moment treten können.
Maerwyn lachte freudlos.
"Mir geht es großartig", erwiderte sie. "Mein Land ist in Gefahr, mein Vetter ist weg, mein Bruder ist tot und es ist alles meine Schuld."
Aha, daher wehte der Wind.
"Es ist nicht deine Schuld", widersprach Legolas sanft, aber bestimmt. "Hast du den Geist des Königs vergiftet?"
"Nein", gab Maerwyn zu.
"Hast du versucht, dieses Land mit Gewalt an dich zu reißen?"
"Nein..."
"Hast du Éomer verbannt?"
Kopfschütteln.
"Hast du die Waffe geführt, die Théodred die tödliche Wunde zufügte?"
Zögern, dann Kopfschütteln.
"Ganz genau", erklärte Legolas, ziemlich zufrieden mit sich. "Du hast keines dieser Dinge getan, denn du warst nicht hier."
"Das ist der Punkt!", brauste Maerwyn wieder auf. "Ich war nicht hier! Wenn ich hier gewesen wäre, wäre nichts davon geschehen!"
"Das weißt du nicht", entgegnete er. "Saruman hätte sich von dir nicht aufhalten lassen."
"Vater hätte Schlangenzunge niemals vertraut, wenn ich hier gewesen wäre und ihm gesagt hätte, er solle ihn Packen schicken."
"Er ist der König, meinst du wirklich, er hätte auf dich gehört?"
Sie zögerte.
"Zumindest Théodred hätte ich retten können, wäre ich hier gewesen", wechselte sie das Thema.
"Vielleicht", meinte Legolas. "Vielleicht wärst du ebenfalls umgebracht worden. Du kannst nicht wissen, was wäre, wenn. Niemand weiß das."
"Ich will meinen Bruder wiederhaben..."
Maerwyn sank weinend in sich zusammen. Sie kam sich vor wie ein störrisches Kleinkind, das etwas haben wollte, was es nicht haben durfte.
Legolas ließ sich neben ihr nieder und umarmte sie. Er sagte kein Wort. Er hielt sie einfach fest und ließ sie weinen.
Irgendwann schlief Maerwyn ein. Die Erschöpfung von der Heilung, vom Weinen und Dinge durch die Gegend werfen und der Stress der letzten Tage holten endlich zu ihr auf. Und noch immer ließ Legolas sie nicht los. Die ganze Nacht lang saß er auf dem Boden von Maerwyns Zimmer und hielt sie fest, umgeben von Federn, zerstörten Möbelstücken und Tinte.

Am folgenden Tag fand Théodreds Beerdigung statt. Der Prinz lag auf einer Bahre, die von sechs Männern getragen wurde. Man hatte ihm seine Rüstung angelegt und seine Hände um sein Schwert geschlossen.
Théoden und Maerwyn gingen gleich dahinter. Ihnen folgten Gimli, Aragorn, Legolas und Gandalf.
Die Prinzessin war, wie auch Éowyn, in schwarz gekleidet. Ein einfacher Reif, geflochten aus goldenen Drähten, lag um ihr Haupt. Ihre braunen Wellen wehten im Wind. Théodred hatte oft gesagt, sie sähe am hübschesten aus, wenn sie ihre Haare offen trug.
Maerwyn tat ihr Bestes, ihre Tränen zu unterdrücken. Sie wollte ihrem Vater nicht noch mehr Kummer bereiten, indem sie offen weinte. Sie hatte geglaubt, nach der letzten Nacht habe sie keine Tränen mehr. Offensichtlich hatte sie sich getäuscht.
Sie zogen von Meduseld zu den Hügelgräbern, wo auch ihre Vorfahren begraben worden waren.
Die Bewohner Edoras' standen rechts und links neben der Straße und trauerten um den Thronfolger.
Maerwyn wurde mit einem Schlag bewusst, dass die Krone nun an sie fallen würde, wenn Théoden starb: Ein Amt, das sie nie hatte haben wollen; ein Titel, den sie nicht guten Gewissens annehmen konnte.
Während Théodred in seine ewige Ruhestätte gelegt wurde, sang Éowyn in der Muttersprache der Rohirrim. Diese Aufgabe wäre eigentlich Maerwyn zugefallen, als nächste weibliche Verwandte, doch sie hatte sich nicht in der Lage gesehen, ein ganzes Lied zu singen, ohne in Tränen auszubrechen.

Von Maerwyn und Lumiel (Der Herr der Ringe Fan-Fiction)Where stories live. Discover now