Kapitel 15

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Maerwyn saß hinter Aragorn auf Hasufel, während Gimli mit Legolas auf Arod ritt. Sie hätte gern selbst die Zügel gehalten, doch der Waldläufer hatte es verboten. Die Gründe hatte er nicht genannt - doch, hatte er, aber sie hatte nicht zugehört.
So galoppierten sie über die Ebene auf eine riesige Rauchwolke zu, die den Ort verriet, an dem Éomer und seine Rohirrim die Uruk-Hai vernichtet und verbrannt hatten; den Ort, an dem sie hofften, Merry und Pippin zu finden.
Als sie ankamen, war das Erste, was sie sahen - neben dem großen Leichenhaufen - die aufgespießten Köpfe der Uruk-Hai. Maerwyn hätte fast schadenfroh gelacht, doch der Gestank, der von den verkohlten Kadavern ausging, hinderte sie daran. Es war eindeutig besser, wenn sie den Mund geschlossen hielt, sonst übergab sie sich vielleicht noch.
Sie kletterten von den Rücken ihrer Pferde und Gimli begann sofort, den Haufen nach Überresten der beiden Hobbits zu durchsuchen. Währenddessen schaute Legolas sich um, Maerwyn inspizierte die Köpfe und Aragorn hatte sich einen Pfeil geschnappt, an dem er herumspielte.
Dann drehte Gimli sich um und Maerwyn rutschte das Herz in die Hose. In der Hand hielt der Zwerg das verkohlte Teil eines Gürtels mit der Scheide eines Dolches. Es gab keinen Zweifel, dass dieser einem der Hobbits gehört hatte.
"Das ist einer von ihren kleinen Gürteln", erklärte Gimli mit Grabesstimme.
"Hiro hyn hidh", flüsterte Legolas mit geschlossenen Augen, den Kopf gesenkt, "ab 'wanath..."
Es ist meine Schuld...
Maerwyn spürte, wie sich ihre Brust zusammenzog. Ihr Atem ging schneller.
Es ist meine Schuld...
Sie fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare und versuchte, sich zu beruhigen.
Meine Schuld, es ist allein meine Schuld...
Ihre Finger verkrampften sich und lösten einige Strähnen in aus ihrem Zopf.
Hände umgriffen ihre Oberarme und schüttelten sie leicht. Sie hörte ihren Namen, als käme er aus weiter Ferne.
"Es ist meine Schuld...", flüsterte sie. "Es ist meine Schuld..."
Legolas wusste nicht, was er tun sollte. Er konnte sie doch nicht ohrfeigen, um sie aus ihrer Panikattacke zu holen.
"Hätte ich etwas härter gekämpft... Wäre ich schneller gewesen..."
Das war's.
Gerade, als er doch zu einer Ohrfeige ausholen wollte - wie auch immer er meinte, an ihre Ohren zu kommen, weil sie ihn unwissentlich mit ihren Unterarmen abblockte, aber Not macht ja bekanntlich erfinderisch - riss Aragorns Schrei Maerwyn aus ihrer Panikattacke.
Mit aufgerissenen Augen sah sie auf und sah den Mann nur noch auf die Knie fallen. Außerdem sah sie einen Helm, der vorher noch nicht 10 Meter von ihnen entfernt gelegen hatte.
"Wir haben sie enttäuscht...", kommentierte Gimli und fing sich prompt einen Todesblick von Legolas ein.
Aragorn hatte indes etwas gefunden.
Er untersuchte den Boden, ehe er sich wieder auf seine Fersen zurückfallen ließ und seinen Fund kundgab: "Ein Hobbit lag hier."
Nach einer kleinen Pause fügte er hinzu: "Hier der andere."
Dann fiel ihm etwas auf.
"Sie sind gekrochen", erkannte er und folgte den Spuren, Legolas, Maerwyn mitziehend, und Gimli auf den Fersen.
"Ihre Hände waren gefesselt..."
Er stand auf, um der Fährte besser nachgehen zu können. Dann hockte er sich wieder auf den Boden und hob ein Seil auf.
"Die Fesseln wurden zerschnitten."
Er lief weiter, die Augen immer auf den Boden gerichtet.
"Sie rannten hier herüber..."
"Sie wurden verfolgt..."
Einige Schritte weiter machte er eine weitere Entdeckung: "Die Spuren führen fort von der Schlacht!"
Vor den Bäumen kam er abrupt zum Stehen.
"In den Fangorn-Wald."
"Fangorn...", wiederholte Gimli. "Welch Wahnsinn trieb sie dort hinein?"
"Oh, ich weiß auch nicht, vielleicht ihr Wille zu überleben?"
Legolas seufzte erleichtert. Wenn Maerwyn wieder mit sarkastischen Antworten um sich werfen konnte, ging es ihr zumindest besser. Er sorgte sich zwar immer noch, aber wenigstens war sie wieder ansprechbar.

Es war natürlich idiotisch zu glauben, dass Aragorn, Legolas, Maerwyn und Gimli sich nicht in den Fangorn-Wald begeben würden, um weiter nach Merry und Pippin zu suchen. Sie wussten schließlich schon, dass sie - die Hobbits - verfolgt worden waren, als sie den Wald betreten hatten und wer wusste schon, welche weiteren Gefahren im Dickicht der Bäume auf sie gewartet hatten.
Gimli war von der Aussicht, von Bäumen umgeben zu sein und kaum Licht zu haben, nicht sonderlich begeistert, aber er wollte nicht zurückgelassen und als Feigling dargestellt werden - was natürlich niemand getan hätte, nicht einmal Maerwyn - und so war er seinen Gefährten gefolgt. Er fand eine komische Flüssigkeit auf einem Blatt, tauchte den Finger hinein und probierte sie, nur um sie wieder auszuspucken.
"Orkblut", erklärte er.
"Ich weiß wirklich nicht, was du erwartet hattest", kommentierte Maerwyn, ehe sie stutzte. "Ich weiß nicht, ob ich es wirklich wissen will, aber woher weißt du, wie Orkblut schmeckt?"
Der Zwerg wollte schon antworten, da besann sie sich eines Besseren. "Vergiss es, ich will es doch nicht wissen."
Und so schloss er seinen Mund wieder.
Sie hüpften über ein kleines Rinnsal, dass sich seinen Weg durch den Wald bahnte und huschten, mehr oder weniger graziös, zwischen den Bäumen hindurch.
Aragorn fand - in seinen Worten - seltsame Spuren.
"Die Luft ist so stickig hier", meckerte Gimli, doch es klang tatsächlich weniger wie eine Beschwerde und mehr wie eine Feststellung.
"Dieser Wald ist alt", erklärte Legolas, "sehr alt... Voller Erinnerungen...und Zorn..."
Es gefiel Maerwyn gar nicht, dass er so beunruhigt klang.
Es war ein Ächzen zu hören, das nur von den Bäumen kommen konnte.
Gimli zog seine Axt.
Als Legolas weitersprach war sein Ton fast panisch: "Die Bäume sprechen miteinander."
Aragorn, Maerwyn und er wandten sich zu dem Zwerg um, der sich, seine Axt vor sich haltend, im Kreis drehte, als erwarte er, von einem Baum angegriffen zu werden.
"Gimli", zischte Maerwyn scharf.
"Senk deine Axt", fügte Aragorn hinzu.
Der Aufforderung kam er dann auch recht beschämt nach.
"Sie haben Gefühle, mein Freund", informierte der Elb sanft. "Die Elben begannen es: die Bäume aufwecken, sie lehren zu sprechen."
"Sprechende Bäume", wiederholte Gimli ungläubig. "Was haben Bäume, um sich darüber zu unterhalten, hm", während er sprach, näherte er sich seinen Begleitern, "außer der Beschaffenheit von Eichhörnchendreck?"

Sie setzten ihren Weg, ohne große Zwischenfälle, fort. Bis-
"Aragorn, Maerwyn, nad no ennas", verkündete Legolas, sich wenig darum kümmernd, dass ein Drittel seiner Begleiter ihn nicht verstand, und bewegte sich schnellen Schrittes an dem Waldläufer und der Prinzessin vorbei, die erst einmal ziemlich doof guckten.
"Man cenich?", fragte Maerwyn flüsternd, als sie zu ihm aufgeholt hatte.
Aragorn schaute dem Elb über die Schulter, als könne er dadurch das sehen, was Legolas sah.
"Der weiße Zauberer nähert sich", erklärte dieser und nickte nach rechts.
"Lasst ihn nicht sprechen", ordnete Aragorn an. "Er wird einen Zauber auf uns legen."
Er zog langsam sein Schwert, Maerwyns Hände wanderten zu den kleinen Messern in ihren Armschienen, Gimli fasste seine Axt fester und Legolas Finger spielten mit der Befiederung seines Pfeils, jederzeit bereit, seinen Bogen zu spannen.
"Wir müssen geschwind sein", ergänzte der Waldläufer.
Mehr musste er nicht sagen, da schossen sie alle herum. Helles, weißes Licht strahlte ihnen entgegen.
Gimli warf seine Axt, Maerwyn ihre Messer, Legolas schoss seinen Pfeil. Doch alles wurden abgewehrt.
Aragorns Schwert begann in seiner Hand zu glühen und er musste es fallen lassen, damit er sich nicht verbrannte.
Dann herrschte Stille.
Mehr als die weiße Robe war von der Person nicht zu sehen, sein Gesicht war im Licht versteckt.
"Ihr folgt den Fußspuren zweier junger Hobbits."
Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.
"Wo sind sie?!", verlangte Maerwyn zu wissen.
"Sie kamen diesen Weg, den Tag vor gestern."
Wie schön vage...
"Sie trafen jemanden, die sie nicht erwartet hatten..."
Und noch mehr vage Antworten. Maerwyn kannte eine Person, die sehr gut darin war, vage Antworten zu geben. Doch leider hatten sie diese Person einem Balrog überlassen müssen.
"Tröstet euch das?"
Eine klare Antwort á la "Sie sind am Leben und in Sicherheit." würde sie mehr trösten, aber scheinbar konnte man nicht alles haben.
"Wer seid Ihr?", wollte Aragorn wissen. "Zeigt Euch!"
Das Licht verlosch und gab das Gesicht des Zauberers frei.
Maerwyns Augen weiteten sich. Erleichterung machte sich in ihr breit. Wenn die Hobbits diese Person getroffen hatten, dann war sie sehr getröstet und absolut davon überzeugt, dass sie in Sicherheit waren.
"Das kann nicht sein", Aragorn war sprachlos.
"Verzeih mir", bat Legolas und kniete nieder. "Ich hielt dich für Saruman."
Gimli senkte seinen Kopf und seine Axt.
Aragorn und Maerwyn konnten nur Starren.
"Ich bin Saruman", antwortete der Mann. "Oder eher, Saruman wie er hätte sein sollen."
"Du fielst", der Waldläufer kämpfte noch immer mit dem Unglauben.
"Durch Feuer...und Wasser", bestätigte der Zauberer.
"Nicht, was er meinte, aber ich akzeptiere es", murmelte Maerwyn vor sich hin.
Und dann begann die Geschichte: "Vom tiefsten Kerker bis zum höchsten Gipfel kämpfte ich mit den Balrog von Morgoth. Bis ich endlich meinen Feind niederwarf und seine Überbleibsel gegen den Berghang schlug. Dunkelheit nahm mich und ich wurde aus Gedanke und Zeit gerissen. Sterne kreisten über den Himmel und jeder Tag war so lang wie ein Lebensalter der Erde. Doch es war nicht das Ende, ich spürte wieder Leben in mir. Ich wurde zurückgeschickt, bis meine Aufgabe erfüllt ist."
"Gandalf", flüsterte Aragorn.
"Gandalf?", wiederholte der Zauberer, als litte er an Amnesie. "Ja... So hat man mich früher genannt."
Aragorn nickte.
"Gandalf, der Graue", fuhr Gandalf fort. "Das war mein Name."
Gimli standen Tränen in den Augen.
"Gandalf", freute er sich.
"Ich bin Gandalf, der Weiße", stellte sich der neue Gandalf vor. "Und ich komme nun zu euch zurück, am Wendepunkt der Gezeiten."

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Hiro hyn hidh ab 'wanath... - Mögen sie Frieden finden nach dem Tod...
Nad no ennas. - Da draußen ist etwas.
Man cenich? - Was siehst du?

Von Maerwyn und Lumiel (Der Herr der Ringe Fan-Fiction)Where stories live. Discover now