Kapitel 29

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Lumiel saß neben Aragorn hinter einem Haus unterhalb Meduseld und stickte.
Sie war nicht zu stolz, um zuzugeben, dass sie Éomer seit ihrem Gespräch vor drei Tagen aus dem Weg ging. Sobald ihr bewusst geworden war, dass der Mann davon gesprochen hatte, dass sie Königin von Rohan werden würde, nicht Königin vom Erebor, hatte sie sich ganz schnell aus dem Staub gemacht, um keine Fragen beantworten zu müssen. Sie hatte sich in ihrem Zimmer eingeschlossen und auf den nächsten Tag gewartet. Sie hatte Théoden nicht zwei Mal am selben Tag überfallen wollen. Sie wollte nicht sagen, dass sie am nächsten Morgen, als sie ihn nach dem Frühstück aufgesucht hatte, erfolgreich gewesen war, um das zu sagen war noch viel zu früh, doch sie hatte ihn nachdenklich gemacht und sie sah das als einen Sieg an.
Danach war ihre einzige Mission gewesen: Geh Éomer aus dem Weg. Du willst keine unangenehmen Fragen beantworten.
Dass er sich die Antworten auch aus anderer Quelle - Théoden - holen konnte, hatte sie dabei gepflegt ignoriert.
Und so hatte sie sich, nachdem sie nicht mehr in ihrem Zimmer hatte sitzen wollen, in die Ställe verzogen. Sie hatte ausreiten wollen, doch hatte es sich schnell anders überlegt - weil Sauron - und hatte sich etwas anderes gesucht. So kam es, dass sie Aragorn auf seinen Aussichtsposten begleitet hatte, von dem aus er nach erleuchteten Leuchtfeuern Ausschau hielt. Im Gegensatz zu ihm konnte sie jedoch nicht still dasitzen und rauchen und in die Ferne schauen und so hatte sie sich ihr Stickzeug geholt und stickte.
Während Aragorn also die Gebirgskette im Auge behielt und an seiner Pfeife zog, hockte sie neben ihm und frönte der Handarbeit.
Sie hatte mit dem Sticken angefangen, nachdem sie in Bruchtal angekommen war. Neben ihren Studien und dem Erlernen der Kampfkunst und der Kontrolle ihrer Fähigkeiten, hatte es - abgesehen von noch mehr lesen - nicht viel gegeben, das sie hätte tun können. Ausreiten hatte sie nur in Begleitung gedurft und die war nicht immer gegeben gewesen. Irgendwann war sie dann dem Heimweh anheimgefallen und da sie bald bemerkt hatte, dass sie nicht malen konnte, hatte sie Arwen gebeten, ihr ein Stück weißen Stoff und grünes und goldenes Garn zu besorgen und ihr das Sticken beizubringen. Sie hatte es nur ausprobieren wollen, doch wie sich herausgestellt hatte, war sie gar nicht mal so schlecht gewesen und mit einer Menge Übung hatte sie auch schnell keine Vorlagen mehr gebraucht. Aus einem Zeitvertreib war eine geliebte Freizeitbeschäftigung geworden. Mittlerweile brauchte sie auch nicht mehr wirklich auf ihre Nadel zu achten. Wenn sie ein Bild vor Augen hatte, hätte sie es auch blind auf ihren Stoff bringen können.
So saß sie neben Aragorn, stickte und schaute nur auf ihre Stickerei, weil die Gebirgskette auf die Dauer nicht sonderlich interessant war. Zugegeben, sie sah nicht einmal auf ihre Stickerei. Sie hielt nur den Kopf gesenkt und starrte ins Nichts, während ihre Finger sich automatisch bewegten.
Sie wurde erst aus ihrem Trott gerissen, als Aragorn plötzlich aufstand. Sie sah auf. Ihre Augen wanderten die Kämme der Berge entlang und dann entdeckte sie es: kleine Flammen vor dem blauen Himmel.
Noch während sie ihr kleines Täschchen mit den Garnen und Nadeln an sich nahm, war Aragorn schon unterwegs Richtung Meduseld. So schnell hatte Lumiel ihn noch nie rennen sehen. Sie konnte nicht einmal annähernd mit ihm mithalten. Einerseits, weil sie nach ihm losgesprintet war, andererseits, weil er viel längere Beine besaß als sie.
Trotzdem schaffte sie es, gleichzeitig mit Aragorn in eine Besprechung des Königs mit seinen Beratern hineinzuplatzen.
"Die Leuchtfeuer von Minas Tirith! Die Leuchtfeuer brennen!", rief der Waldläufer.
"Gondor ruft um Hilfe", fügte Lumiel etwas außer Atem hinzu.
Aller Augen lagen auf ihr und Aragorn, doch Lumiel hatte nur Augen für Théoden. War sie zu ihm durchgedrungen? Würde er sich gegen seine ausgedachte Fehde und für die Schlacht in Minas Tirith entscheiden?
Und als hätte er ihre Gedanken gelesen, sah der König seiner Ziehtochter fest in die Augen und verkündete: "Und Rohan wird antworten."
Lumiel atmete erleichtert auf. Gedanklich hatte sie sich schon auf einen weiteren Streit vorbereitet.
"Versammelt die Rohirrim!", befahl er. 
Seine Berater, in voller Rüstung, verschwanden, um den Befehl auszuführen und auch Éomer, der am Rand gestanden hatte, senkte kurz den Kopf, ehe er mit Lumiel und seiner Schwester einen Blick tauschte und von dannen zog.
Lumiel verlor ebenfalls keine Zeit und verzog sich, um sich für die kommende Schlacht vorzubereiten.

Von Maerwyn und Lumiel (Der Herr der Ringe Fan-Fiction)Where stories live. Discover now